Ein junger russischer Skateboarder
Alle Fotos: David Neman

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Fotos

Forever Punk—vom Jungsein in Russland

In einer gekaperten Fabrik leben statt gegen die Ukraine in den Krieg zu ziehen: In David Nemans Fotos geht es um mehr als ein paar junge Leute, die sich vor dem Wehrdienst, Putin und der eigenen Angst verstecken.

Fast drei Jahre lang war der sechste Stock einer Fabrik in St. Petersburg das Zuhause von 20 russischen Skatern. Für einigen von ihnen war es eine Art zweiter Wohnsitz, für andere der einzige Unterschlupf. Weit weg von der russischen Regierung gab es dort ohne Eltern und ohne Vorurteile keine Regeln oder Vorschriften. In den anderen Stockwerken des Fabrikgebäudes lebten Menschen aus Usbekistan und Kasachstan, die scheinbar illegal eingereist waren und in der Gegend Arbeit gefunden hatten. Man konnte fast meinen, die Fabrik sei eine Art Hostel. Eintritt verschaffte man sich durch ein kleines Loch im Metallzaun, der das Gebäude umgab. Im Winter baute man sich eine Brücke aus Sperrholz oder Müll, um auf dem Weg zur Tür nicht durch Matsch und Industrieabfälle laufen zu müssen. Alternativ konnte man sich aber auch einfach Plastiktüten über die Schuhe ziehen.

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Einige der Fabriken der Gegend machten einen verlassenen Eindruck—viele der Fenster waren komplett rausgeschlagen oder zugenagelt worden. Aus den Schornsteinen stieg jedoch Rauch und ab und an konnte man einen kleinen LKW durch den Schlamm fahren sehen. Der sechste Stock der Skater wurde scherzhaft „Priton" genannt, was auf gut Deutsch so viel wie Crackbude bedeutet.

2012 entschied sich die Truppe dazu, richtig in die Fabrik einzuziehen. Sie versuchten, das Geld für die Miete zusammenzukratzen, was allerdings kein leichtes Unterfangen war. Schließlich brachte ein Mitglied der Gruppe das noch fehlende Geld auf—eigentlich hatte er sich die Summe zurückgelegt, um sich seine Freiheit vom Militär zu erkaufen. In Russland ist es gang und gäbe, sich mit Schmiergeldern um die Wehrpflicht zu drücken. Wegen den dort herrschenden Umständen und wegen der Gewalt haben junge Russen Angst vor dem Dienst an der Waffe. Man hat dann zwei Möglichkeiten: Entweder erkauft man sich mit Bestechungsgeldern seine Freiheit oder man verweigert einfach und riskiert so eine Haftstrafe.

Jeder, der ein Teil vom „Priton" sein wollte, musste bei der Miete dazuzahlen. Mit kleinen Nebenjobs und der extrem hohen Arbeitslosenquote unter Russlands Jugendlichen war es jedoch jeden Monat ein erneuter Kampf, bis das Geld zusammengesammelt war. Im Mai 2014 erhöhte der Besitzer des Fabrikgebäudes die Miete schließlich so drastisch, dass es sich die Skater nicht mehr leisten konnten, dort zu wohnen.

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In den Fotos von Forever Punk geht es um mehr als bloß um junge Leute, die in einer Fabrik leben. Es geht um die Jugend im heutigen Russland und um Menschen, die das beste aus ihrer Situation machen und selbst etwas auf die Beine stellen. Sie erzählen Geschichten von Kreativität, von Beziehungen und Freundschaften, vom Skateboarden und vom Schlafen auf fremden Couches und Böden.

Mehr Informationen zu David Nemans Arbeiten findest du auf seiner Website oder auf seinem Instagram-Profil.