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Fashion

Cannes verbannt den Burkini als „Symbol für islamischen Extremismus“

Wer beim Baden in Südfrankreich keine Haut mehr zeigen will, muss Strafe zahlen. Dabei sind Burkinis auch unter Nicht-Muslimen ein echter Verkaufsschlager.

Eigentlich ist ein Burkini auch nur ein Badeanzug aus Elasthan wie jeder andere. Der einzige Unterschied ist, dass ein Burkini den ganzen Körper bedeckt—ausgenommen das Gesicht, die Hände und die Füße. Teile Frankreichs scheinen da allerdings anderer Meinung zu sein. Sie haben den Burkini verboten, weil er ihrer Meinung nach ein „Symbol für islamischen Extremismus" darstellen soll.

Selbstverständlich ist die Badebekleidung von Frauen schon immer ein Streitthema gewesen. Es ist auch noch gar nicht so lange her, da hat der Bikini in den 40ern für einen gesellschaftlichen Aufschrei gesorgt. Doch bisher gab es noch niemanden, der eine Verbindung zwischen halbnassem Elasthan und Terrorismus hergestellt hat—bis jetzt. Das Burkiniverbot in Cannes, das bereits seit Ende Juli gilt, wurde nun entgegen der Beschwerden einiger muslimischer Frauen erneut offiziell bestätigt.

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Wie vielfach berichtet wurde, verteidigte der Generaldirektor der städtischen Dienste, Thierry Migoule, das Verbot mit den Worten: „Es geht nicht darum, das Tragen religiöser Symbole am Strand zu verbieten, sondern ostentative Kleidung, die auf eine Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen hinweist, die gegen uns Krieg führen."

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Der Beschluss des Bürgermeisters David Lisnard lautete: „Der Zugang zum Strand und zum Baden ist Menschen mit unpassender Kleidung, die die guten Sitten und die Laizität missachten, untersagt. Angesichts der gegenwärtigen terroristischen Angriffe auf Frankreich und französische Gotteshäuser stellt Strandbekleidung, die die religiöse Zugehörigkeit widerspiegelt, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar."

Tatsache ist aber, dass keiner der bekannten Anschläge von Frauen in Burkinis oder irgendeiner anderen Form von Badebekleidung begangen wurde. Da sich das Gesetz nicht eindeutig nur auf Burkinis bezieht, solltest du besser auch deinen sexy Nonnenbikini zu Hause lassen, um nicht zu riskieren, dass du 38 Euro Bußgeld zahlen musst.

Frankreich ist nach dem Terroranschlag in Nizza, bei dem 84 Menschen ums Leben kamen, in höchster Alarmbereitschaft. Außerdem hat die strenge Trennung zwischen Religion und Staat in Frankreich eine lange Tradition: Sämtliche religiöse Symbole, darunter auch das Kopftuch, wurden 2004 aus allen öffentlichen Institutionen verbannt. Das Burkaverbot folgte 2015. In den letzten Monaten stieg darüber hinaus der Druck von Seiten nationalistischer und rechter Gruppen, die sich durch den mutmaßlichen Einfluss des „radikalen Islams" im alltäglichen Leben bedroht fühlten.

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2011 rückte der Burkini zum ersten Mal ins Bewusstsein der allgemeinen Öffentlichkeit, als die bekannte britische Fernsehköchin Nigella Lawson—die keine Muslima ist—mit einem Burkini am australischen Bondi Beach gesichtet wurde. Seither ist der Markt der sogenannten Modest Fashion immer weiter gewachsen. Hochrechnungen aus einem Bericht aus dem Jahr 2015 zufolge, sollen die Konsumausgaben muslimischer Konsumenten für Essen und Lifestyleprodukte bis 2020 voraussichtlich auf 2,3 Billionen Euro steigen.

Eine Frau im Burkini am Strand. Foto: Giorgio Montersino | Flickr | CC BY-SA 2.0

Natürlich tragen nicht alle muslimischen Frauen Burkinis am Strand: Die sogenannte Modest Swimwear ist so gestaltet, dass sie strengeren Auslegungen des Islams entspricht. Was Leuten wie David Lisnard aber entgangen zu sein scheint, ist—wie Burkinihersteller sagen—, dass es auch zahlreiche nicht-muslimische Frauen gibt, die lieber einen Burkini als einen Bikini tragen.

„Wir haben auch viele nicht-muslimische Kundinnen, die sich einfach nur dezenter kleiden wollen und deshalb unsere Produkte kaufen", erklärt Mohammad Ahmed von Al Hamra, einem Burkinihersteller und -verkäufer aus Großbritannien. „Manche Menschen haben empfindlichere Haut oder wollen sich einfach nicht komplett der Sonne aussetzen. Oder sie haben Akne oder Cellulite und wollen nicht, dass man das sieht, gehen aber trotzdem gerne schwimmen. Vielen Frauen ist es äußerst wichtig, dass sie bestimmte Körperteile nicht zeigen müssen."

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Ich frage, was für ein Feedback Al Hamra im Allgemeinen so bekommt und ob sie schon mal auf Kritik gestoßen sind. „Ehrlich gesagt, haben wir noch nie wirklich negatives Feedback bekommen—im Gegenteil. Die Leute kommen zu uns und sagen, dass ihnen unsere Produkte wirklich geholfen haben. Manche von ihnen sind krank und wollen nicht in die Sonne gehen und sind sehr dankbar für das, was wir tun."

Ihr beliebtestes Produkt? „Unsere Capri-Kombinationen sind ziemlich beliebt. Diese bestehen aus Dreiviertel-Shorts und knielangen Shorts sowie einer einfachen Kappe für die Haare. Die Zielgruppe ist sehr viel breiter, weil die Kombinationen längst nicht nur von muslimischen Frauen gekauft werden." Er erklärt, dass die Badebekleidung (die es von Größe XS bis XXXXXXL gibt) von Zulieferern aus Ägypten und der Türkei stammt und dass die Umsätze des Unternehmens Jahr für Jahr steigen.

Eine brennende badekleidungstechnische Frage habe ich aber noch: Wie lange dauert es, bis ein solcher Anzug wieder trocken ist und man keinen nassen Hintern mehr hat? „Wir sind ein Familienunternehmen—sowohl meine Mutter als auch meine Tante tragen einen Burkini. Sie sagen, dass es um die zehn Minuten dauert, bis man wieder trocken ist. Vielleicht auch 15—maximal."