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Sex machina

Was ich im Ausland über Sex auf der ganzen Welt gelernt habe

Eine der überraschendsten Erkenntnisse: Europäer sind viel unschuldiger als Amerikaner – und legen weniger Wert auf Oralverkehr.
Foto: Maria Yagoda

Als ich mit einer Freundin Urlaub in Belgien gemacht habe, sind wir eines Abends einer Gruppe gutaussehender junger Männer begegnet. Nachdem wir unsere in Mayonnaise ertränkten Pommes aufgegessen hatten, ging meine Freundin zu ihnen und fragte sie nach einer Zigarette. Knapp sieben Bier und 40 flache American Pie-Anspielungen später (sie liebten den Film und dachten, dass wir das auch tun), ging meine Freundin mit dem Ryan Gosling der Gruppe nach Hause. Während sie Sex hatte, kehrte ich mit einer weiteren Portion Pommes im Arm zurück in unser Hotel. Im Nachhinein bin ich mir sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

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"Ich mag deinen Schwanz", habe sie ihrer Eroberung im Bett gesagt, erzählt mir meine Freundin. Seine Reaktion fiel deutlich anders aus, als erwartet. Er schien nicht nur ziemlich überrascht, sondern schon beinahe verlegen. "Danke", sagte er. Als sie ihn wenig später fragte, ob er ihr mal ordentlich auf den Hintern hauen könnte, bekam sie nur ein kurzes Tätscheln. "So?", fragte er verunsichert und schien nicht zu wissen, wie er weitermachen sollte.

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Genau wie unsere Vorstellungen von einem gesunden Frühstück oder angemessener Sommerkleidung werden auch unsere Vorstellungen von Sex von unseren soziokulturellen Erwartungen bestimmt und können sich von Land zu Land stark unterscheiden. Natürlich kann man Sexualität nicht an der ethnischen Herkunft eines Menschen festmachen: Klischees sind generell schlecht, in diesem Fall bewiesenermaßen besonders schädlich. Doch die Art und Weise, wie wir Sex haben oder über Sex sprechen, kann weit auseinandergehen. Die Folge: Unterschiedliche soziale Normen und Gepflogenheiten, die bestimmen, wie ein One-Night-Stand auszusehen hat.

Nehmen wir zum Beispiel mal Sexhotels. Was in Südamerika ganz normal und weit verbreitet ist, kann Menschen aus anderen Ländern zunächst mal ziemlich befremdlich wirken. "Alle gehen in Sexhotels", erzählt mir eine Amerikanerin, die vor Kurzem durch Uruguay gereist ist. "So müssen sie [ihre Sexpartner] nicht nach Hause zu ihren Eltern mitnehmen. Mein uruguayischer Lover und ich sind auch in ein Sexhotel gegangen und haben uns zwei Stunden ein Zimmer mit einem runden Bett und einem Spiegel an der Decke genommen."

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Auch Studien haben schon versucht diese weltweiten Sextrends abzubilden. Eine Untersuchung von Durex konnte beispielweise zeigen, dass die Isländer mit 15,6 Jahren im Schnitt am jüngsten sind, wenn sie zum ersten Mal Sex haben. Die Griechen stehen hingegen ganz oben auf der Liste der Menschen, die in der Woche am häufigsten Sex haben. Bei 87 Prozent der Griechen geht es mindestens einmal in der Woche zur Sache. Was die sexuelle Befriedigung angeht, lagen die Nigerianer vorne: 67 Prozent der nigerianischen Befragten gaben an, dass sie mit ihrem Sexleben zufrieden waren. In Japan waren es dagegen nur 15 Prozent.


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Die Porno-Webseite Adult Empire, die vor Kurzem die Sextrends in Kroatien untersucht hat, konnte derweil zeigen, dass die Kroaten Platz 57 auf der Weltrangliste der Porno-Konsumenten belegen. Sonntags schauen sie besonders gerne Pornos und zwar durchschnittlich vier Minuten und fünf Sekunden lang. Ihre Lieblingskategorie ist: "All Girl/Lesbian."

Statistiken sind schön und gut, aber woher die kulturellen Unterschiede beim Sex kommen, darauf haben die Wenigsten eine Antwort. Nehmen wir zum Beispiel mal den belgischen One-Night-Stand meiner Freundin. Ich würde niemals soweit gehen zu sagen, dass sich alle belgischen Männer davor fürchten, einer Frau im Bett den Hintern zu versohlen. Wenn wir allerdings all unsere Erfahrungen bündeln, können wir zumindest festhalten: Dem belgischen Ryan Gosling schien es zu gefallen, dass sie seinen Penis mochte – offenbar hat ihm das aber noch nie zuvor jemand gesagt. Meine Freundin, auf der anderen Seite, hat die meiste Zeit über Sex mit amerikanischen Männern (größtenteils ziemliche Arschlöcher, wie sie selbst zugibt) und hat noch nie erlebt, dass ein Mann über ein Kompliment zu seinem Penis überrascht war.

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Ich habe des Öfteren erlebt, dass europäische Männer überrascht sind, wenn eine Frau im Bett die Kontrolle übernimmt.

Unterm Strich sind all unsere interkulturellen Bettgeschichten Anekdoten, die womöglich – aber nicht zwangsläufig – etwas über das Land aussagen, aus dem sie stammen. Trotzdem gibt es bestimmte Stereotype, die mittlerweile so fest in unserem Denken verwurzelt sind, dass es ein regelrechter Schock ist, wenn sie so gar nicht zuzutreffen scheinen.

Wenn wir uns zum Beispiel anschauen, wie die breitere Gesellschaft mit Sex umgeht, scheinen Europäer im Vergleich zu den Menschen in den USA immer ein wenig offener zu sein. Im Rahmen meiner Recherche habe ich mich mit vielen Männern und Frauen unterhalten, unter anderem auch mit Megan Wozniak, der Vertriebsleiterin von Adult Empire. Sie hat mir erzählt, dass sie schon enorme Unterschiede erlebt hat – von Land zu Land oder auch von Kontinent zu Kontinent. "Auf meinen Reisen habe ich den Eindruck bekommen, dass Europäer promiskuitiver sind und offener mit Sex umgehen", sagt sie. "Zum Beispiel sieht man viel mehr Sexshops in Einkaufszentren oder Einkaufsvierteln. In den USA ist das noch viel tabuisierter. Auch Nacktheit ist vollkommen vertretbar und ganz normal – am Strand, aber auch im Fernsehen."

Foto: Stocksnap | Pexels | CC0

Andererseits haben mir auch mehrere heterosexuelle Amerikanerinnen erzählt, dass der Sex, den sie in Europa hatten, sehr viel zurückhaltender und konservativer war. Das Ganze sei nach einem Drehbuch abgelaufen, in dem der Mann die dominante/führende Rolle übernommen hat und die Frau sich eher zurückgenommen hat. Ich weiß, dass ich mich damit auf dünnes Eis begebe und vermutlich unzählige aufgebrachte Nachrichten hinterlassen werden, aber: Auch ich habe schon des Öfteren erlebt, dass europäische Männer im Vergleich zu amerikanischen Männern überrascht sind, wenn eine Frau im Bett die Kontrolle übernimmt. Außerdem haben mir einige Frauen erzählt, dass die Männer, mit denen sie im Ausland – für mich bedeutet das "außerhalb der USA" – Sex hatten, seltener die Initiative ergriffen, was Oralsex angeht. Ich muss sagen, dass sich das auch mit meinen eigenen Erfahrungen deckt.

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"Das ist eine der ungewöhnlichen Gemeinsamkeiten, die ich bemerkt habe: Keiner der Männer hat nachgefragt oder angeboten, es mir oral zu machen. Generell kam das Vorspiel ziemlich kurz", sagt mir eine Frau, die mit Männern in Frankreich und Großbritannien Sex hatte. "Eine Freundin hat mir erzählt, dass das in Europa ganz normal wäre. Oralsex wird als intimer angesehen als normaler Sex und findet daher vor allem in festen Beziehungen statt. Ich weiß nicht, ob das wirklich wahr ist, aber ich fand interessant, dass keiner der Männer Oralsex haben wollte, sondern die meisten direkt zu penetrativem Sex übergegangen sind. [In den USA] ist Oralsex eher ein Trittstein, der zu vaginalem oder analem Sex führt."

"Queere Beziehungen zwischen Frauen sind [in Europa] nicht so sehr genderdifferenziert."

Auf der anderen Seite haben mir aber auch einige Frauen erzählt, dass europäische Männer von amerikanischen Frauen geradezu erwarten, einen geblasen zu bekommen. Manchmal ist "Blowjob" sogar das einzige Wort, das sie auf Englisch kennen. "Die Männer in Frankreich kennen ungewöhnlich viele Ausdrücke für 'Blasen'", erzählt mir eine Amerikanerin, die in Paris studiert hat. "Aber viel mehr können sie auch nicht sagen."

Eine Freundin, die vor Kurzem Sex mit einem Mann aus Südfrankreich hatte, erzählt mir: "Ich hatte das Gefühl, dass ihn der Sex geradezu schockiert hat. Er sagte immer wieder, dass ich einmalig und etwas ganz Besonderes sei. Es war fast so, als wäre er es nicht gewohnt, dass Frauen die Initiative im Bett ergreifen." Die sprachlichen Barrieren taten dann noch ihr Übriges. "Außerdem glaube ich, dass er zweimal 'Ich liebe dich' gesagt hat. Es kann aber auch sein, dass ich ihn falsch verstanden habe."

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Eine queere Amerikanerin, die mehrere Jahre in Paris verbracht hat, hat mir hingegen erzählt, dass die Geschlechterrollen in Europa sehr viel fluider wären. "Queere Beziehungen zwischen Frauen sind [in Europa] nicht so sehr genderdifferenziert", sagt sie. "Im Gegensatz zu den USA sieht man hier nicht so viele Butch/Femme- oder maskulin/feminin-Paare."

Ein Problem scheint allerdings universell zu sein, wenn man nach den Erfahrungen der heterosexuellen Frauen geht, mit denen ich gesprochen habe: Männer weigern sich, Kondome zu kaufen oder welche dabei zu haben. Je kleiner die Stadt oder das Dorf, desto größer wird das "Problem". Als ich vor einigen Jahren in einem kleinen, mittelalterlichen Bergdorf vor Neapel gewohnt habe, hatte ich einen One-Night-Stand mit einem Kerl aus demselben Ort. Als ich ihn fragte, ob er ein Kondom dabei hätte, sah er mich nur verwundert an und sagte: "Ich dachte, du hättest eins. Das ist ein kleines Dorf. Wenn ich in die Apotheke gehe und Kondome kaufe, dann wissen doch alle Bescheid."

Es versteht sich von selbst, dass ich ihn umgehend nach Hause geschickt habe.

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