Warum uns attraktive Männer in Beziehungen unglücklich machen
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Warum uns attraktive Männer in Beziehungen unglücklich machen

Irgendwie sind die Leute, die du für eine Nacht abschleppst, immer schöner als der Typ, mit dem du am Ende zusammenkommst? Sei froh.

Schöne Frau, eher unscheinbar aussehender Mann – was in rom coms a la Beim ersten Mal und Serien wie The Big Bang Theory schon beinahe Standard ist, fällt mir auch im Alltag immer wieder auf. Man muss sich nur mal im eigenen Freundeskreis umsehen: Das Attraktivitätsbarometer bei heterosexuellen Pärchen scheint öfter zu Gunsten der Frauen auszuschlagen. Sobald sich Frauen jedoch einen konventionell attraktiven Mann angeln und länger mit ihm zusammen bleiben, scheint es sie kaputt zu machen.

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Eine Studie der Florida State University stellte im Juli dieses Jahres fest, dass Frauen, die mit einem attraktiveren Partner verheiratet sind, häufiger Probleme mit ihrem eigenen Aussehen haben. (Bei den Männern hatte das Aussehen ihrer Partnerin keinen Einfluss auf ihre Motivation, abzunehmen oder sich gesünder zu ernähren.) “Die Ergebnisse zeigen, dass es einen negativen Einfluss auf verheiratete Frauen haben könnte, wenn ihr Mann körperlich attraktiv ist, besonders wenn diese Frauen nicht sonderlich gutaussehend sind”, erklärte Studienleiterin Tania Reynolds zur Veröffentlichung der Studienergebnisse. Doch bestimmt das auch, wen wir daten?

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Zumindest die Erfahrung, sich in der Beziehung mit einem schönen Mann selbst zu sehr unter Druck zu setzen, ist etwas, was auch Menschen aus meinem direkten Umfeld kennen. Meine Freundin Ria* war lange mit einem – wie sie selbst sagt – viel besser aussehenden Mann zusammen. Nach dem Liebeskummer über die zerbrochene Beziehung kam dann das schlimme Erwachen: Nicht nur war ihre Beziehung gescheitert, sondern auch ihr Selbstwert hatte während ihrer Beziehung massiv gelitten. "Er hat mir öfter von Situationen erzählt, in denen er von Männern angemacht wurde", erzählte mir Ria wenige Wochen nach der Trennung. Außerdem sei es mehr als einmal dazu gekommen, dass Frauen sich vor ihren Augen an ihren damaligen Freund rangemacht hätten. "Dass er von allen Seiten begehrt wurde, hat mich ihn noch stärker als 'perfekt' sehen lassen. Leider hat mich das sehr unter Druck gesetzt.“

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Dr. Martin Gründl ist Psychologe und Attraktivitätsforscher an der Hochschule Harz und sagt: "Der gesellschaftliche Druck für Frauen, attraktiv zu sein, ist größer, als der für Männer." Attraktiv zu sein, werde von Männern nicht in dem gleichen Ausmaß gefordert, wie von Frauen. Stattdessen ständen Männer unter dem Druck, beruflich erfolgreich und finanziell abgesichert zu sein. "Wenn ein Mann diese Kriterien nicht erfüllen kann, ist sein Selbstwert stärker belastet, als wenn eine Frau in derselben Situation wäre." Aus diesen Charakteristika ergebe sich der Partnermarktwert von Frauen und Männern: Männer müssten der gesellschaftlichen Erwartung entsprechen, erfolgreich und reich zu sein, Frauen hingegen dem Druck, schön zu sein.

Stimmt es, dass viele Frauen zwar mit attraktiven Männern schlafen, aber beim Beziehungsmaterial downgraden?

Und dieser Druck kann sich je nach finanziellem und sozialem Status und nach Person unterschiedlich bemerkbar machen. An Stelle von operativen und kosmetischen Eingriffen sei "Abnehmen durchaus ein Hebel, an dem man am einfachsten drehen kann und der gleichzeitig einen relativ großen Effekt hat", glaubt der Experte. Schließlich gilt gesellschaftlich nach wie vor: Nur dünn ist schön. "Unsere Beziehung hat sich sicherlich auch auf mein Essverhalten ausgewirkt", bestätigt Ria. Sie wollte nicht zunehmen und vermeintlich unattraktiver werden neben einem Menschen, der von jeder und jedem begehrt wurde. Deswegen nahm sie ab. Die Frage, warum er sich ausgerechnet für sie entschieden hatte, schwebte trotzdem weiterhin wie ein Damoklesschwert über ihr.

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Auf der anderen Seite, verfestigt sich mein Eindruck, dass Frauen meines Freundeskreises häufig mit Männern schlafen, die – subjektiv gemessen – besser aussehen als die Typen, mit denen sie dann eine Beziehung eingehen. Unsere One Night Stands und Affären sind, so erscheint es mir zumindest, meist heißer als unsere Partner. Stimmt es, dass viele Frauen zwar mit attraktiven Männern schlafen, aber beim Beziehungsmaterial downgraden? Ich frage mich, ob meine Freunde und ich mit diesem Eindruck alleine dastehen. Was sagt die Forschung dazu? Und falls mein Eindruck stimmt: Warum ist das so?

Um diese These als wahr oder falsch zu begreifen, muss man erst einmal verstehen, was wir gesellschaftlich als "attraktiv" wahrnehmen. Der Attraktivitäts- und Evolutionsforscher Dr. Karl Grammer sagt, dass Männer mit viel Testosteron zu einem definierten Körperbau und symmetrischen Gesichtszügen neigen und daher von den meisten heterosexuellen Frauen als knackiger, schöner und insgesamt attraktiver wahrgenommen würden – zumindest, wenn der weibliche Körper auf Fortpflanzung dränge. "Es ist anscheinend so, dass Frauen zum Zeitpunkt des Eisprungs eher maskuline Männer bevorzugen", sagt Grammer. "Für den Rest des Zyklus wünschen sie sich dann eher feminine Männer."

Heterosexuelle Frauen haben also sexuelles Interesse an stereotyp gut aussehenden Männern, gehen mit ihnen aber seltener Beziehungen ein. Die Evolution habe gezeigt, dass Beziehungen, bei denen es um emotionale Nähe und die optionale Gründung einer Familie geht, unattraktivere Männer die bessere Wahl seien. Der Eisprung hält nun mal nur kurz an und ein Sixpack hilft dir nicht, wenn es um die großen Fragen des Alltags geht. Außerdem vermutet Grammer, dass die höhere Menge an Testosteron bei heißen Männern dazu führe, dass sie wegen ihrer hohen sexuellen Erfolgschance bei Frauen weniger an langfristigen Bindungen interessiert seien. Gleichzeitig ist die Evolutionspsychologie ein Feld, das nicht ganz unumstritten ist. Und ganz so hilflos sind wir unserem Zyklus doch auch nicht unterworfen – oder?

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Dass diese Thesen im höchsten Maße sexistisch wirken, ist Gründl klar. "Es ist schwer über dieses Thema zu sprechen, aber im ganzen Bereich Attraktivität und Partnerwahl spielen solche Kriterien eine wichtige Rolle”, erklärt er. “Hier werden viele Klischees bestätigt.“ Weil Attraktivität nicht das ist, was den Partnermarktwert eines Mannes bestimmt, macht es ihn also als Beziehungsmaterial nicht weniger begehrenswert, wenn er nicht dem herkömmlichen Verständnis von “heiß” entspricht.

"Wahre Schönheit kommt von innen und das stimmt – aber das was innen liegt, das ist Testosteron oder Östrogen."

Gründl erklärt, warum die stereotypen Schönlinge als Sexpartner und ihre weniger attraktiven Freunde hingegen eher als Beziehungspartner angesehen werden. Aus Perspektive der Sozialisierung von Männern, sei es so: "Die unattraktiveren Männer wissen um ihre Unattraktivität und investieren deshalb mehr in eine Beziehung." Das führe zu einem höheren Vertrauen in den Beziehungspartner – und zu einer harmonischeren Beziehung.

Auch Ria* war in einer anderen Beziehung mit einem weniger hübschen Ex zufriedener, weil sie mehr Selbstbewusstsein hatte, sich selbst schöner fand. Außerdem wurde sie nicht ständig von der Angst umgetrieben, dass ihr jemand den Freund vor der Nase wegschnappen würde. "Ich habe gemerkt, dass sein Charakter für mich perfekt war und er mich auch vergöttert hat.“

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Trotz der Erklärung dieses Phänomens durch zwei renommierte Forscher und des Beweises, dass der Attraktivitätsunterschied in heterosexuellen Beziehungen eben nicht nur gesellschaftlich bedingt ist, gibt sich die Utopin in mir mit den Erklärungen nicht zufrieden. Sie fragt sich: Ist Schönheit wirklich so wichtig, wenn es um die Partnerwahl geht? Grammer versetzt der letzten Hoffnung an eine ethisch vertretbare Dating-Welt einen Tritt: "Wahre Schönheit kommt von innen und das stimmt – aber das was innen liegt, das ist Testosteron oder Östrogen."

So entmutigend diese Erkenntnis auch sein mag, im realen Leben dürfte sie für viele von uns trotzdem keine Rolle spielen. Die meisten Menschen haben zwar eine ganz genaue Vorstellung davon, wie ihr Partner aussehen sollte, finden im wahren Leben aber ganze andere Menschen attraktiv. Attraktivität besteht eben nicht nur aus der Optik, sondern aus viel mehr. Letztlich muss man sich selbst diese Frage beantworten können: Möchte ich mit diesem Menschen zusammen sein?

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