Wie viel Trump in Seehofer und der CSU steckt
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Populismus

Wie viel Trump in Seehofer und der CSU steckt

Der Innenminister aus Bayern hat die deutsche Politik ins Chaos gestürzt. Er ähnelt dabei immer mehr dem US-Präsidenten.

Der eine besitzt ein Milliardenvermögen, Luxusanwesen und Golfplätze, der andere eine Modelleisenbahn im Hobbykeller. Ersterer wurde als TV-Promi und Quereinsteiger US-Präsident, Letzterer hat sein Leben in der Politik verbracht und ist trotzdem nie Bundeskanzler geworden. In einem reinen Politik-Quartett würde Horst Seehofer gegen Donald Trump verlieren. Wäre das Spiel allerdings ein Populismus-Quartett, dann würden Spieler bei Trump und Bundes-Horst häufig ins Stechen kommen – so sehr gleichen sich Strategien des Twitter-Präsidenten und von Bundes-Horst mittlerweile.

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Die beiden eint bei Weitem mehr als Angela Merkel als Gegnerin, eine Vorliebe für Grenzkontrollen und der tiefe Glaube, dass das eigene Land immer und überall "zuerst" kommen müsste.

Alle im Unklaren lassen

Was will Donald Trump eigentlich? Die Frage wird immer wieder gestellt, wenn Trump eine Entscheidung ankündigt. Bis zu dem Moment, in dem er vor die Kameras im Garten des Weißen Hauses tritt, wissen selbst erfahrene politische Analystinnen und Analysten nicht, was der Präsident verkünden wird. So war es beim Internationalen Klimaabkommen, beim Atomabkommen mit dem Iran und möglichen Strafzöllen für den Handel mit der EU. Trump entschied sich in allen drei Fällen für die Variante, vor der ihn selbst hochrangige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seiner Regierung warnten.

Seitdem Horst Seehofer politische Verantwortung trägt, wechselte er wiederholt seine Positionen. Seehofer habe die "Sprunghaftigkeit zum Regierungsprinzip" gemacht, schrieb die Süddeutsche vor fünf Jahren über den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten. Nur in der Asylpolitik scheint sich Seehofer in den letzten 20 Jahren treugeblieben zu sein.

Seehofer forderte immer wieder eine Verschärfung des Asylrechts. So auch in seinem "Masterplan Migration", der die aktuelle Krise zwischen ihm und Merkel erst ausgelöst hat. Doch anstatt den Plan erst groß vorzustellen und dann zu diskutieren, hielten Seehofer und die CSU ihn vorerst geheim. Bis zum Sonntagabend haben selbst viele hochrangige Mitglieder der Schwesterpartei der CDU das Papier nicht gekannt. Journalistinnen und Bürger in diesem Land diskutierten also zwei Wochen lang, ob die deutsche Regierung nun auseinanderfallen würde, Merkel die Vertrauensfrage stellen müsse, ohne dass klar war, worüber inhaltlich überhaupt gestritten wird. Ein Schelm, wer denkt, Horst Seehofer gehe es am Ende gar nicht um Inhalte.

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Drohen, drohen und noch mehr drohen

"Trump threatens…" – für diese Suchkombination findet Google über zwei Millionen Ergebnisse. Der US-Präsident droht mit allem, was in die Twitter-Zeichenbeschränkung passt: einem kritischen US-Sender mit dem Lizenzentzug, Japan mit "25 Millionen Mexikanern", Nordkorea mit einem Militärschlag.

Horst Seehofer hat bislang nicht damit gedroht, dass bayerische Schützengilden das Berliner Regierungsviertel besetzen. Noch nicht. Stattdessen ließ er vor zwei Wochen durchstechen, er werde als Innenminister notfalls im Alleingang Grenzkontrollen erlassen – auch ohne die Zustimmung Merkels und anderer EU-Regierungen. Zwei Wochen später droht Seehofer wieder: dieses Mal mit seinem Rücktritt. Darin hat er Übung. Schon 1995 drohte er mit seinem Rücktritt als Gesundheitsminister, sollte die von ihm ausgehandelte Krankenhausreform nicht verabschiedet werden. Das Gesetz kam nicht, Seehofer blieb.

Der von Trump bedrohte US-Sender sendet übrigens immer noch, in Japan wurden noch keine mexikanischen Viertel hochgezogen und Kim Jong-un hat bislang lediglich ein paar allem Anschein nach nicht funktionstüchtige Atomforschungsanlagen zerstören lassen.

Die Wortwahl muss knallen!

Trump hat eine Senatorin "Pocahontas" genannt, eine Schauspielerin ein "fettes Schwein", den nordkoreanischen Führer "kurz und fett". Einwandernde aus Mexiko sind in seinen Worten alle "Kriminelle und Vergewaltiger", Menschen aus Haiti hingegen haben "alle AIDS". Wenn die Washingtoner Presse über solche Ausfälle berichtet, nennt Trump sie regelmäßig "Fake News Media". Mit der will sich auch Horst Seehofer auskennen: "Die meisten Fake News werden in Deutschland produziert, von Medien wie von Politikern", sagte er Mitte Juni der Rhein-Neckar-Zeitung . Beweise für sein These lieferte er nicht. Dass er sich damit wie jemand aus der AfD anhört anhört, schien ihn nicht zu stören. Und er ist damit auch nicht allein in der CSU: Wörter wie "Asyltourismus" und "Linksfaschisten", die man sonst auf AfD-, NPD-Treffen hört und auf Verschwörungsseiten liest, sagen CSU-Größen momentan ohne jede Hemmung.


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Demonstrativ Nähe zu anderen populistisch- bis autokratischen Führern zeigen

Wohl nichts liebt Donald Trump so sehr, wie mit anderen mächtigen Männern abzuhängen: in Saudi-Arabien bei einem traditionellen Schwerttanz mit der Regentenfamilie umhertippeln, mit Kim Jong-un Crevetten-Cocktail in Singapur löffeln – und zwischendurch immer wieder beteuern, wie gut das Verhältnis zu Wladimir Putin sei, oder zumindest sein könnte. Die Botschaft: "Guckt her, ich kenne sie alle und sie alle wollen mit mir reden, und übrigens wäre es ganz nett, wenn ihr mich auch wie einen Diktatoren behandelt." Horst Seehofer steht Trump da in nichts nach.

Obwohl er "nur" bayerischer Ministerpräsident war – und nicht Bundeskanzler –, ist Seehofer mehrfach zu Wladimir Putin nach Moskau geflogen. Er begrüßte den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán regelmäßig in Bayern, mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz traf er sich einmal in seiner Rolle als Innenminister, einmal als CSU-Chef. Sollte die letzte Konsequenz des aktuellen CDU-CSU-Streits also die Unabhängigkeit Bayerns sein, dann hätte Seehofer alle Handynummern parat, um rasch ein paar Abkommen zu schließen. Darauf, dass die anderen Staatschefs dann noch abnehmen, sollte er sich nicht verlassen: Sebastian Kurz erklärte am Wochenende, sollte Deutschland Kontrollen und Zurückweisung an der gemeinsamen einführen, würde die österreichische Regierung nachziehen. Damit stellte Kurz sich indirekt gegen Bundes-Horst.

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Wichtig ist nicht, Recht zu haben, sondern sich im Recht zu fühlen

Im Januar 2017 wollte Donald Trump Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Staaten die Einreise in die USA für einige Monate verweigern – im Fall Syriens sogar dauerhaft. US-Gerichte kassierten das Dekret ebenso wie eine zweite Version. Erst im dritten Anlauf bestätigte der US Supreme Court Ende Juni das Einreiseverbot. Seehofers mittlerweile öffentlich gewordener "Masterplan Migration" bereitet juristisch versierten Menschen in Teilen bereits Kopfzerbrechen. Und das nicht nur, weil Seehofer gemeinsame EU-Absprachen so wichtig zu sein scheinen wie Trump das internationale Klimaabkommen. So schlägt Seehofer eine Zusammenlegung von zwecks ihrer Abschiebung Inhaftierten und strafrechtlich Verurteilten in deutschen Gefängnissen vor.

Unklar ist, ob Seehofer den 23-seitigen Maßnahmenkatalog von Fachkräften aus dem Bundesinnenministerium erarbeiten hat lassen. Der Plan ist aktuell nur als Plan des CSU-Vorsitzenden Seehofer überschrieben, nicht mit dem Briefkopf des Ministers. Das Ministerium schrieb auf Twitter, es handele sich "nicht um eine offizielle Veröffentlichung des Masterplans" durch das BMI. Da das Dokument so umfangreich ist wie das Yu-Gi-Oh!-Regelheft, scheint es unwahrscheinlich, dass niemand aus dem Innenministerium dem Chef aus Bayern zumindest zugearbeitet hat. Ministerienstrukturen – da vom Steuerzahler finanziert – dürfen nicht für Parteizwecke missbraucht werden.

Unter anderem deshalb scheint es derzeit unwahrscheinlich, dass Seehofer Trump politisch überleben dürfte. Aber vor allem wegen seines aggressiven bis unverschämten Tonfalls hat Seehofer sein Blatt ausgereizt. Konservative Deutsche mögen es dann doch lieber etwas zahmer als die republikanischen Anhängerinnen und Anhänger Donald Trumps.

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