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Ich habe einen Sexualstraftäter geheiratet

Wie es ist, Schulen zu meiden, beim Reisen belästigt zu werden und sich gegen eigene Kinder zu entscheiden, weil der eigene Partner ein verurteilter Sexualstraftäter ist.

Gretchen und ihr Mann dürfen unter anderem nicht in der Nähe einer Schule wohnen | Foto: Kelly Hunter | Flickr | CC BY 2.0

2001, etwa sechs Monate nachdem die Kalifornierin Gretchen* ihren Mann David* kennenlernte, wurde ihm ein sexueller Übergriff zur Last gelegt. Als er eines Nachts aus war, fand ihn die Polizei mit einer betrunkenen Freundin in einem geparkten Auto vor. Beide waren nur noch halb bekleidet und sie war bewusstlos. David floh, als die Polizei eintraf. Gretchen sagt, David habe anfangs geglaubt, er würde wegen Trunkenheit am Steuer Ärger bekommen. Tatsächlich wurde ihm aber „sexuelle Penetration mit einem Fremdkörper bei einem bewusstlosen Opfer" zur Last gelegt—der „Fremdkörper" war in diesem Fall seine Hand**.

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David verbrachte drei Jahre in einem kalifornischen Gefängnis, drei weitere auf Bewährung und er wird den Rest seines Lebens im Sexualstraftäterverzeichnis stehen. 14 Jahre nach dem Übergriff hat der Vorfall noch immer Einfluss auf jeden Aspekt des Lebens des Paares, von der Wahl des Wohnorts bis hin zur Frage, ob sie eine Familie gründen sollen.

Gretchen macht sich besonders Sorgen, weil ein neues Gesetz es verurteilten Sexualstraftätern erschweren soll, international zu reisen. Das Gesetz zielt auf Täter mit minderjährigen Opfern ab; Davids Opfer war nicht minderjährig, doch viele Täter, die im Verzeichnis stehen, berichten von Schwierigkeiten beim Reisen, ganz gleich wie alt ihr Opfer war.

Im Folgenden spricht Gretchen über ihre Ehe, ihre Nachbarn und darüber, was die Zukunft möglicherweise für sie bereithält.


Als wir ein paar Monate zusammen waren, erzählte er mir, was passiert war. Ich war damals 18, er 22. Ich war sehr jung und natürlich war es ein Schock für mich. Ich dachte: „Du kannst doch deswegen nicht ins Gefängnis müssen. Ich meine, ihr beiden wart einfach zwei dumme Kinder. Du bist kein Monster. Du bist nicht der Irre im Park, der auf Opfer lauert." Ich dachte, es würde einfach von alleine weggehen.

Es ist nie weggegangen.

Erst als wir etwa anderthalb Jahre zusammen waren, musste er ins Gefängnis, nachdem er schließlich aufgegeben und sich schuldig bekannt hatte. Er sagte, sein Grund dafür sei, dass er es uns nicht länger antun wollte, das alles durchzumachen—hauptsächlich meinte er damit mich und seine Mutter. Während er fort war, war ich damit beschäftigt, mein Studium abzuschließen. Ich habe ihn hier und da an den Wochenenden besucht, aber er wollte, dass ich mich auf die Uni konzentriere, und versicherte mir, dass alles in Ordnung sei.

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Er behauptet bis heute, die Zeit im Gefängnis sei der einfache Teil gewesen. Er sagt, heute sei es noch schlimmer, weil er nicht weiß, was ihn erwartet. Es ist die ständige Sorge. Wir haben jedes Mal solche Angst, wenn wir nach Hause fahren: Werden wütende Nachbarn vor der Tür stehen? Jedes Mal, wenn es an der Tür klingelt, setzt mein Herz einen Schlag aus. Man lebt in ständiger Angst.

Wir haben uns nie mit unseren Nachbarn angefreundet. Wir versuchen einfach, für uns selbst zu bleiben. Aber die Polizei kommt regelmäßig vorbei, um zu überprüfen, dass die registrierte Adresse auch wirklich noch stimmt. Deswegen haben wir also auch Angst: Jemand könnte sehen, dass die Polizei jedes Jahr bei uns vorbeikommt und misstrauisch werden, was bei uns los ist.

Bei jeder Heimkehr belästigt zu werden, gibt uns ein bisschen ein mulmiges Gefühl.

Während der ersten drei Jahre nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis war sein Foto noch nicht einmal auf der Website des Sexualstraftäterverzeichnisses. Man musste tatsächlich aufs Polizeirevier gehen, um etwas über ihn zu erfahren. Und dann haben sie gesagt, ihnen sei ein Fehler unterlaufen, und dann waren sein Name und sein Foto online. Dann haben sie gesagt, seine Adresse muss mindestens 2.000 Fuß (ca. 610 Meter) Abstand zu Schulen haben. Wir hatten gerade ein Haus gekauft, das etwa 2.020 Fuß von einer Schule entfernt war. Gott sei Dank mussten wir nicht umziehen.

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Ständig gab es wieder etwas.

Wir wollten wirklich gerne Eltern werden. Doch je mehr sich die Gesetze änderten und je mehr wir sahen, wie die Leute behandelt werden, wenn sie im Verzeichnis stehen—was wir bis dahin noch gar nicht selbst erfahren mussten, sondern wovor wir einfach schreckliche Angst hatten—, desto mehr kamen wir zu dem Schluss, dass es einfach verantwortungslos wäre, ein Kind da mit reinzuziehen. Den Kindern erklären zu müssen: „Dein Papa kann dich nicht aus der Schule abholen und du kannst auch keine Freunde nach Hause einladen."

Wir haben eine große Karte gekauft, sie in meinem Arbeitszimmer ausgebreitet und gesagt: „Hey, wir haben vier junge Nichten, die nur ungefähr 15 Kilometer entfernt wohnen. Unsere guten Freunde verbringen ständig mit ihren Kindern Zeit bei uns. Wir werden die beste Tante und der beste Onkel sein, die wir nur sein können, und ansonsten einfach um die Welt reisen." Also haben wir angefangen, so viel zu reisen, wie es ging. Wir hatten auch für diesen August eine Reise nach Griechenland geplant.

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Dieses neue Gesetz macht uns wirklich Sorgen. Als wir gehört haben, dass sie andere Länder über Sexualstraftaten informieren, haben wir einen Weg gefunden, das zu umgehen. Wir leben in der Nähe der US-mexikanischen Grenze, direkt bei Tijuana, und ich habe gesagt: „Lass uns versuchen, dorthin zu fliegen, und sehen, was passiert." Doch als wir dann in die USA zurückfliegen wollten, wurde er natürlich beim Zoll mehr oder weniger belästigt. Sie können nichts machen, denn er verstößt ja gegen kein Gesetz, aber sie wollen wissen, wie er dorthin und an diese ganzen anderen Reiseziele gelangt ist. Sie haben auch schon einmal seine ganzen Sachen durchsucht und alles auseinandergenommen. Sie haben gefragt, ob er Computer hat, wo er gewesen ist, mit wem er dort war. Bei jeder Heimkehr belästigt zu werden, gibt uns ein bisschen ein mulmiges Gefühl.

Und jetzt, wo dieses Gesetz eingeführt werden soll, haben wir einfach das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Packen wir unsere Sachen und wandern aus? Wir wissen nicht, was das Beste für uns ist. Wir haben eine enge Bindung zu unserer Familie hier. Ich habe meine eigene Firma. Wir sind hier ziemlich erfolgreich. Wir haben uns gedacht: „Entweder wir bleiben in Kalifornien, oder wir warten einfach ab und hoffen, dass die Gesetze sich eines Tages vielleicht ändern. Oder wir wandern einfach komplett aus und fertig." Es ist einfach eine Strafe, die kein Ende nimmt.

*Namen geändert

** Gretchen sagt, laut David seien er und seine Freundin einvernehmlich intim geworden und die Polizei habe lediglich die Situation falsch interpretiert, als die Frau die Autotür geöffnet habe, um sich zu übergeben, wobei sie aus dem Auto gefallen sei und das Bewusstsein verloren habe. Die Staatsanwaltschaft sagt stattdessen, die Frau sei von Anfang an bewusstlos gewesen und David habe „einen sexuellen Übergriff gegen eine völlig wehrlose Person" begangen.