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Ausgestellte Log-ins

Aram Bartholl stellt gehackte LinkedIn Passwörter aus und verdeutlicht unsere Ambivalenz zwischen NSA-Wut und Passwort-Ignoranz.

Bild: Aram Bartholl

Wenn du dein LinkedIn Passwort vergisst, könntest du natürlich die Funktion zum Wiederherstellen benutzen. Oder du fragst den Künstler Aram Bartholl nach deinem Passwort—die Chancen stehen gut, dass er es gespeichert hat. Und sollte er im Besitz der Daten sein, dann ist er vermutlich gerade schon dabei, dein Passwort in einem Museum auszustellen.

Mitte diesen Jahres wurde seine Passwort-Sammlung in London gezeigt und nun kürzlich im Kasseler Kunstverein. Aram jedenfalls öffnet gerne seine acht weißen Ordner, die gefüllt sind mit den Zugangsdaten der 4,7 Millionen Nutzer, deren Daten im vergagenen Jahr geklaut und von einem Hacker veröffentlicht wurden.

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Im Rahmen seiner Ausstellung mit dem einladenden Titel „Forgot Your Password?" hast du die Möglichkeit herauszufinden ob Aram auch deine Daten hat, und ob einer der Ausstellungsbesucher sich in deinen Account einwählen wird und für dich ein paar Geschäftsbeziehung knüpft. Aram Bartholl erklärt seine Arbeit vollkommen unverschlüsselt: „Diese acht Bände beinhalten in alphabetischer Reihenfolge abgedruckt 4,7 Millionen LinkedIn Passwörter in Klartext. Die Besucher sind herzlich dazu eingeladen nach ihrem Passwort zu suchen."

Meines hat er vermutlich. Ich habe einen LinkedIn Account auf den ich ein paar Mal pro Monat zugreife, um auf den großen gelben Knopf zu klicken mit dem ich allen möglichen Menschen meine Online-Akzeptanz verleihe, die ich noch nie getroffen habe, und von denen ich vermutlich wohl auch niemals wieder hören werde. Sollte ich mein Passwort verlieren oder auf irgendeine Weise ausgeloggt werden, würde es vermutlich Monate dauern bis ich mich darum kümmere einen neuen Zugang anzufragen. Natürlich habe ich nach dem letztjährigen Hacking-Skandal niemals mein Passwort geändert.

Und genau das ist auch der Punkt von Bartholl: Unsere Einstellung zu Social Media Profilen ist eine Mischung aus Ignoranz und Hochmut—wir nehmen einfach an, dass Hacker-Angriffe und geklaute Passwörter uns nicht beeinträchtigen werden. Und meistens stimmt das sogar. Dein LinkedIn Passwort ist vermutlich in dem Ordner von diesem Typen und bis jetzt ist dir noch nichts passiert.

Oder vielleicht betrifft dich der Hack ja doch? Letzte Woche wurden zwei Millionen weitere Konten geknackt und sogar die Mainstream-Medien versuchen dir hilfreich zur Seite zu stehen, damit du sicherstellst, dass du nicht betroffen bist.

Letztlich wird hier eine interessante Frage aufgeworfen: Was genau bedeutet es, dass deine persönlichen Daten nun seit über einem Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich sind? Schließlich sind wir zu Recht aufgebracht, dass die NSA deine Daten irgendwo speichert. Und in Deutschland ärgern wir uns über die erneuten Versuche die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, obwohl sie illegal ist.

Wir haben jedes Recht der Welt uns über die Überwachungspraktik aufzuregen, aber die Ambivalenz zwischen unserer hingebungsvollen Paranoia-Wut und dem Desinteresse an unseren Passwörtern, ist schon ein lohnendes Feld zur weiteren Untersuchung.

Wir vergessen nicht nur andauernd die eigenartigen Zahlen- und Buchstabenkombinationen aus denen unsere Passwörter bestehen. Wir vergessen auch, wie wir sie zu benutzen haben, wer sie sehen könnte und warum wir uns überhaupt etwas mehr um sie bemühen sollten.