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Menschen

Ab wann zählt ständiges Nachrichtenschreiben als Fremdgehen?

"Frag dich: 'Was würde mein Partner sagen, wenn er das sieht?' Wenn dir dieser Gedanke nicht geheuer ist, dann ist das ein schlechtes Zeichen."
Person mit Smartphone, aus dem Herzen kommen; symbolisch dafür, mit einen anderen zu schreiben als dem Partner

Jeder Mensch, der mal eine Fernsehserie gesehen hat, kann dir sagen, dass das Schlimmste an schlechtem Verhalten ist, es zu verheimlichen. Die Heimlichtuerei impliziert nämlich ein Schuldbewusstsein. Fremdgehen ist an und für sich natürlich kacke – egal, ob du es anschließend verheimlichst oder nicht. Die Ambiguität unserer technologischen Gegenwart macht die Definition von Untreue aber zunehmend kompliziert. In einer Zeit, in der Privatnachrichten, Sexting und der Austausch von intimen Details mit Menschen, mit denen du keine Beziehung führst, ziemlich normal ist, stellt sich die Frage, ob es tatsächlich so etwas wie ein unverfängliches Foto von deinem Allerwertesten oder die platonische "Du fehlst mir"-Nachricht um 2 Uhr morgens geben kann.

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Kannst du tagtäglich mit jemandem schreiben, der dir möglicherweise vor drei Monaten nach einer Party bei einem Döner seine Liebe gestanden hat, und es einfach bei "Wir sind nur sehr enge Freunde" belassen? Ich sage: Ja. Beziehungsweise: Kommt drauf an. Die leitenden Prinzipien lauten in dieser Frage Ehrlichkeit und Kommunikation. Wenn – und nur wenn – du diesen regelmäßigen Austausch vor deinem Partner verheimlichst, dann zählt das als Fremdgehen. Wenn du und dein Partner allerdings eine entspannte Regelung haben, in der Sexting mit anderen Menschen dabei hilft, eure Beziehung spannend zu gestalten und das Feuer der Leidenschaft immer wieder aufs Neue zu entfachen, dann: super! Weiter so! Aber wo verläuft die Grenze?

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Eine Frau, die sich in einer monogamen Beziehung befindet, sagte zu mir, dass es sie sehr verletzen würde, wenn ihr Partner ohne ihr Wissen regelmäßig intime Nachrichten verschickt. Das Nichtwissen wäre das Schlimmste daran. "Ich glaube nicht, dass ich es unbedingt als Fremdgehen bezeichnen würde. In diesem Fall kommt mir sowieso recht willkürlich vor, was als Fremdgehen zählt und was nicht", schrieb sie in einer E-Mail. "Es wäre gut, der anderen Person zu sagen, dass es noch andere Menschen in deinem Leben gibt, die dir vielleicht wichtig sind, und dass ihr damit einen Umgang finden müsst. Die Vorstellung, dass du für immer nur mit einer Person gefühlsmäßig intim sein darfst, finde ich ziemlich bescheuert."

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Eine andere Frau, die sich momentan in einer Langzeitbeziehung befindet, würde "es definitiv als Fremdgehen sehen", wenn ihr Partner online eine emotional tiefergehende Beziehung mit einer anderen Frau hätte und es ihr verschweigen würde. "Wenn er mir erzählen würde, dass er mit einem Mädchen in sozialen Netzwerken kommuniziert, mit dem er gemeinsame Interessen teilt und nichtsexuelle Unterhaltungen führt, würde ich mich davon bedroht fühlen. Ich kann nämlich eine eifersüchtige und unsichere Partnerin sein." Als Fremdgehen würde sie es allerdings nicht sehen, sondern versuchen, durch gemeinsame Gespräche einen Weg zu finden, mit der Situation umzugehen.

"In Beziehungen geht es für mich darum, jemanden zu finden, mit dem du Dinge teilen kannst – nicht nur deinen Körper, sondern auch deine Gefühle, deine Unsicherheiten und deine ekligen Angewohnheiten", erklärt sie. "Wenn ich herausfinden würde, dass er das mit einer anderen macht und das vor mir geheim hält, würde es mir das Herz brechen. Wenn es keine Art von Fremdgehen wäre, würde mein Partner wollen, dass diese Person auch Teil meines Lebens ist."

Sameera Sullivan, ein Dating-Coach bei der Partnervermittlung Lasting Connections, hat eine eindeutige Meinung zum heimlichen Austausch von Intimitäten: "Gefühlsmäßig mit einer anderen Person als deinem Partner involviert zu sein, zählt auch als Fremdgehen", sagte sie. "Egal, ob Sexting, SMS oder irgendwelche anderen Nachrichten, es handelt sich dabei um einen Vertrauens- und Loyalitätsbruch gegenüber deinem Partner. Bei einer gesunden Beziehung haben Respekt und Vertrauen oberste Priorität. Wenn die einmal gebrochen sind, lassen sie sich nur schwer wieder aufbauen."

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Aber genau so wie eine intensive emotionale Beziehung den Stellenwert körperlichen Fremdgehens einnehmen kann, kann einen diese Logik schnell auf Irrwege führen. Musst du jedes Mal deinem Partner davon erzählen, wenn du eine tiefgreifende Unterhaltung mit jemandem geführt hast? Ist es unvernünftig, Freundschaften – die oft etwas uneindeutig sein können – haben zu wollen, die separat und abgetrennt von der eigenen monogamen Langzeitbeziehung existieren?

Letzten Endes versteht jeder unter einer ehrlichen Beziehung etwas anderes. "Alle Paare sollten die Grenzen ihrer monogamen Beziehung definieren", sagte eine Freundin sehr richtig zu mir. "Wenn es den Partner nicht stört, ist es auch kein Fremdgehen. Wenn es das allerdings tut und man es heimlich macht, dann zählt es als Fremdgehen." Ein Freund, der sich in einer von diesen offenen Beziehungen befindet, teilte diese Einstellung: "Ich habe Penisfotos auf dem Handy meines Freundes gesehen. Das war mir aber egal, weil er gar nicht versucht hatte, sie vor mir zu verstecken", berichtete er. "Wir teilen oft Nacktbilder, die andere uns geschickt haben. Ich hätte vielleicht anders darüber gedacht, wenn er sie in einem supergeheimen Ordner abspeichern würde. Solange er ehrlich mit mir ist, fühlt sich das nicht wie Fremdgehen an."

Nicht nur war der Vorsatz gegeben und er hätte mich nur zu gerne penetriert. Er versteckte es auch vor seiner Freundin, weil er wusste, dass er Scheiße baut.

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Als ein Mensch, der sich momentan absolut nicht in einer Liebes- oder festen Beziehung befindet, denke ich nur selten über das Thema Fremdgehen nach. Nichtsdestotrotz erhalte ich in gewisser Regelmäßigkeit recht intime und flirtige Privatnachrichten von wahllosen Männern, die sich – sehr offensichtlich – in einer festen Beziehung befinden. Manche sind sogar verlobt oder verheiratet. Es würde mich schwer wundern, wenn ihre Partnerinnen ihnen für ihre "Sag mir bescheid, wenn du mal in Tulsa bist ;)."-Nachrichten ein High-Five geben.

Ich werde wohl nie diesen wochenlangen Austausch vergessen, den ich vor drei Jahren mit einem Comedy-Autor auf Tinder hatte. Wir waren kurz davor, unsere Pläne für ein Treffen zu konkretisieren, als er mir erzählte, dass er eine Freundin in einem anderen Teil des Landes hätte. Erst behauptete er, in einer offenen Beziehung zu sein. Nachdem ich etwas nachgebohrt hatte, gestand er allerdings, dass seine Freundin nichts von seinem Tinder-Account wusste – und ihre Beziehung keineswegs offen war. Schließlich löschte er sein Tinder und ich schrie meinen Frust unter der Dusche heraus. War er fremdgegangen? Ohne jetzt total einen auf Minority Report machen zu wollen und die Verbrechen von Menschen vorauszusagen, die sie noch gar nicht begangen haben: Ja, ich denke schon. Nicht nur war der Vorsatz gegeben und er hätte mich nur zu gerne penetriert. Er versteckte es auch vor seiner Freundin, weil er wusste, dass er Scheiße baut. Dass er zu keiner von uns ehrlich war, zeigte sein Schuldbewusstsein.

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Allerdings: Über Apps zu flirten, wenn du in einer festen Beziehung bist, ist nicht per se etwas Schlechtes. Die französische Philosophin Simone de Beauvoir, die ihre 51-jährige offene Beziehung mit Jean-Paul Sartre als "den einen unzweifelhaften Erfolg in meinem Leben" bezeichnet hatte, erklärt uns, dass vermeintliches Fremdgeh-Verhalten erst zum Fremdgehen wird, wenn einvernehmlich gesetzte Grenzen gebrochen werden. Sartre und de Beauvoir setzten sich selbst Parameter, die es ihnen erlaubten, mit anderen Menschen zu flirten und zu vögeln.

Wenn solche Regelungen, die in einem andauernden verbalen Austausch definiert werden müssen, allerdings nicht Teil eurer Beziehung sind und du dir heimlich romantische oder sexuelle Stimulation besorgst, dann denk vielleicht noch einmal darüber nach, ob du wirklich in einer Beziehung sein willst, deren Bestehen von deiner Unehrlichkeit abhängt. In ihren Memoiren In den besten Jahren schwärmt de Beauvoir von der befreienden Magie der Ehrlichkeit mit dem eigenen Partner:

Ein einziger Vorsatz belebte uns: alles erfassen, von allem Zeugnis ablegen; er befahl uns zuweilen getrennte Wege zu gehen, ohne uns deswegen den geringsten unserer Funde vorzuenthalten; wenn wir zusammen waren, beugten wir uns den Forderungen dieses Vorsatzes derart, dass uns sogar im Augenblick der Trennung ein gemeinsamer Wille einte. Das band und das löste uns; und durch dieses Lösen fanden wir uns wieder im Innersten gebunden.

Ein Frau, die kurz vor der Heirat steht, sagte zu mir: "Frag dich: 'Was würde mein Partner sagen, wenn er das sieht?' Wenn dir dieser Gedanke nicht geheuer ist, dann ist das ein schlechtes Zeichen." Das unausgesprochene Gesetz lautet hier, so schätze ich: Sei kein unehrliches Arschloch. Aber auch diese Regelung hat ihre Ausnahmen. Wenn du zum Beispiel ausschließlich zu Emily Ratajkowskis Instagram masturbierst, darfst du das durchaus für dich behalten. Manche Dinge gehören dann doch nur dir.