Mit feministischer Street Art gegen soziale Ungerechtigkeit
Fotos mit freundlicher Genehmigung des Feministischen Street Art Kollektivs

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Kunst

Mit feministischer Street Art gegen soziale Ungerechtigkeit

„Mehr Solidarität, weniger Ellenbogen“ – das feministische Streetart Kollektiv will mit festgefahrenen Klischees brechen und setzt dabei auf Offenheit.

Die Street-Art-Szene gilt als männerdominiert—geprägt von Revierkämpfen und Illegalität. Da kann es schon mal vorkommen, dass Pieces von Künstlerinnen mit „Geh zurück in die Küche" übersprayt werden oder niemand eine Frau in seiner Crew aufnehmen will, so wie es zum Beispiel Sany, der einzigen Sprayerin der Tschechischen Republik, passiert ist. Beim Street Art & Graffiti Festival „Calle Libre" in Wien war 2016 lediglich eine internationale Künstlerin zu Gast.

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Das Feministische Street Art Kollektiv: Wien will mit diesem Klischee brechen und setzt darum auf Gleichberechtigung und Offenheit. Seit 2014 ist das Kollektiv, das sich selbst als links und feministisch bezeichnet, in Wien aktiv und sprayt ausschließlich auf legalen Wänden. Ziel ist es, den Zugang zur Street-Art-Szene zu erleichtern, beispielsweise Materialien und Wissen zur Verfügung zu stellen und Interessierte dazu zu bewegen, in einer vorurteilsbehafteten Szene aktiv zu werden—auf Augenhöhe und ohne festgefahrene Hierarchien.

Wir haben mit dem Kollektiv darüber gesprochen, wie es ist, sich in einer von cis-Männern dominierten Szene durchzusetzen und Gehör zu verschaffen, was sie mit ihrem Projekt eigentlich bewirken wollen und ob die Mitglieder oftmals mit Kritik konfrontiert werden.

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Broadly: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euer Kollektiv zu gründen?
Feministisches Street Art Kollektiv: Im Sommer 2014 hat sich für ein paar Leute die Möglichkeit ergeben, im Rahmen einer Veranstaltung einen Stencil Art Workshop zu organisieren.Der hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir beschlossen haben, eine Gruppe zu gründen, die sich politisch links und feministisch positioniert und sich aus dieser Position heraus inhaltlich mit Graffiti und Street Art beschäftigt. Wir haben auch sehr schnell andere Interessierte für die Gruppe gewinnen können, die sich für Graffiti und Street Art interessieren und gerne politisch mit diesem Medium arbeiten wollen.

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Wofür steht euer Kollektiv?
Einerseits stehen für uns vor allem unsere politischen Positionen im Vordergrund. Wir sind eine linke, queerfeministische Gruppe und nutzen Streetart und Graffiti, um im öffentlichen Raum auf gesellschaftliche Verhältnisse aufmerksam zu machen, sie zu kritisieren und Veränderungen zu fordern. Andererseits geht es uns natürlich auch darum, uns den öffentlichen Raum als FLIT* (Anm.: Frauen*, Lesben*, Inter* und Trans*)-Personen anzueignen. Es ist nicht abzustreiten, dass der öffentliche Raum männlich dominiert ist. Es ist eine Art von Selbstermächtigung, sich diesen Raum mittels Street Art und Graffiti anzueignen und wir hoffen natürlich auch, dass andere dadurch motiviert werden, sich auch Raum zu nehmen.

Wie können Menschen bei euch aktiv werden?
Viele Menschen, die bei uns im Kollektiv aktiv sind, kommen aus dem sozialen Umfeld bereits zuvor politisch aktiver Menschen. Manchmal stoßen aber auch Leute dazu, die uns nicht kennen. Prinzipiell können Leute, die gerne bei uns aktiv werden möchten, uns einfach via Social Media oder E-Mail kontaktieren.

Wer kann bei euch aktiv werden?
Wie vorhin schon erwähnt geht es uns unter anderem darum, dass FLIT*-Personen sich einen Raum schaffen können sollen. Deshalb ist unser Kollektiv auch nur offen für Menschen, die sich als Frauen*, Lesben*, Inter* und Trans* identifizieren. Dementsprechend sind manche von uns organisierten Veranstaltungen nur für FLIT* offen—manche Veranstaltungen sind auch für alle offen. Das hängt vom Kontext und Inhalt der Veranstaltung ab.

Ist es schwierig, in einer von cis-Männern dominierten Szene ernst genommen und respektiert zu werden?
Wir machen unser eigenes Ding und haben eher weniger Kontakt zur Graffiti-Szene. Natürlich gibt es Leute, die unsere Sachen nicht ernst nehmen, nicht respektieren oder unsere Sachen abwerten. Aber das sollte man sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Letztendlich fängt jede_r klein an und es ist noch kein_e Meister_in vom Himmel gefallen. Wir versuchen, in unserem Kollektiv eine Atmosphäre zu haben, in der Fehler OK sind, wir voneinander lernen können und uns gegenseitig unterstützen.

Gibt es etwas, das ihr an der österreichischen Graffitiszene ändern würdet?
Wir würden uns wünschen, dass der Umgang in der Szene anders ist und dass auch weniger erfahrenen Sprayer_innen mit Respekt begegnet wird. Mehr Solidarität und weniger Ellenbogen ausfahren und nach unten treten wäre schon nice. Das Gerede von „Du bist ein Toy und kannst oder darfst dies und jenes nicht" baut Hierarchien auf und hält Leute davon ab, an der Sache dran zu bleiben. Ein respektvoller Umgang, in dem man voneinander lernen kann und Unterstützung bekommt, wäre uns in der Szene wichtig, und das versuchen wir auch so gut wie möglich in unserem Kollektiv umzusetzen.