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Sexuelle Gewalt

Sind männerfreie Festivals wirklich die richtige Maßnahme gegen Vergewaltigungen?

Schwedische Feministinnen planen derzeit ein männerfreies Musikfestival, um gegen die zunehmende sexuelle Gewalt auf solchen Großveranstaltungen vorzugehen. Doch ist das wirklich die Lösung?
Foto: Unsplash | Pexels | CC0

Jede Frau, die schon mal auf einem Festival war, weiß, dass man auf solchen Veranstaltungen leider viel zu oft Erfahrungen mit sexueller Belästigung macht – ob das nun die unerwünschte Aufmerksamkeit durch die Bewohner des Nachbarzelts ist oder die Erfahrung, in der dicht gedrängten Menge begrapscht zu werden. Eine Gruppe schwedischer Feministinnen glaubt nun, die Antwort auf dieses Problem gefunden zu haben: Ein Festival, auf dem Männern der Zutritt verboten ist. So soll der männlichen Aggression ein für allemal der Garaus gemacht werden.

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Den Anstoß dafür, ein männerfreies Festival zu organisieren, gab ihnen Bråvalla. Dieses große schwedische Musikfestival, wurde für 2018 abgesagt, weil es zuvor zu einer ganzen Flut von sexuellen Übergriffen gekommen war. Bei der Polizei von Östergötland berichteten vier Frauen, dass sie vergewaltigt wurden und laut AFP gab es noch weitere 23 Fälle von sexueller Gewalt, in denen Klage eingereicht wurde.

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In einem Statement erklärten die Organisatoren des Festivals ihre Entscheidung. "Bestimmte Männer […] konnten sich offenbar nicht benehmen. Das ist schade. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, Bråvalla 2018 abzusagen."

Dieser Schritt löste eine scharfe Debatte über sexuelle Gewalt in Schweden aus. Auch der Premierminister Stefan Löffel hat sein Bedauern und seine Bestürzung zum Ausdruck gebracht. "Das ist extrem abstoßend. Es sind widerwärtige Handlungen von erbärmlichen Menschen", sagte er in einer Stellungnahme, die im Fernsehen übertragen wurde. "Das muss aufhören."


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Auch die Komikerin und Radiomoderatorin Emma Knyckare konnte die Ereignisse und Diskussionen beobachten und fand schließlich eine alternative Lösung. "Was haltet ihr davon, ein wirklich cooles Festival auf die Beine zu stellen, auf dem keine Männer willkommen sind?", twitterte sie. "Und es findet solange statt, bis ALLE Männer gelernt haben, sich zu benehmen."

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Ihr Vorschlag stieß auf große Unterstützung, also verkündete Knyckare kurzerhand, dass sie ihre Pläne in die Tat umsetzen würde. Leider stand sie für keinen Kommentar zur Verfügung. "OK, alles startklar", schrieb sie auf Instagram. "Nächsten Sommer wird Schwedens erstes männerfreies Festival stattfinden. Ich werde eine Gruppe von talentierten Organisator_innen und Projektmanager_innen zusammenstellen, die die Organisation des Festivals übernehmen werden. Lasst uns nochmal sprechen, wenn wir bereit sind, an die Öffentlichkeit zu treten. Danke für euer Interesse und eure Unterstützung. Es ist wirklich unglaublich, was man gemeinsam alles schaffen kann!"

Sexuelle Gewalt auf Musikfestivals ist seit Langem ein großes Problem, gegen das Organisatoren und Polizei noch immer nicht konsequent vorzugehen scheinen. In Großbritannien haben sich zwar vor nicht allzu langer Zeit 60 Festivalorganisatoren zusammengeschlossen und ein öffentliches Statement abgegeben, in dem sie versichert haben, dass sie mehr gegen die sexuelle Gewalt auf ihren Veranstaltungen unternehmen würden. Doch trotz aller Maßnahmen bleibt das Problem aber auch dort nach wie vor bestehen. Fraglich ist, ob Männern den Zutritt zu Festivals zu verbieten, die richtige Lösung ist.

"Ein männerfreies Festival umgeht das eigentliche Problem."

"Man sollte immer begrüßen, dass es Orte, Veranstaltungen und Abende nur für Frauen gibt. Dort kann man ihnen einen Raum schaffen, in dem sie sich wohlfühlen können. Wo man Rücksicht auf ihre besonderen Bedürfnisse nimmt und in dem sie sich sicher vor Objektifizierung, Belästigung oder sogar Gewalt fühlen können. Eine konsequente Geschlechtertrennung kann das eigentliche Problem aber nicht lösen", sagt Jen Calleja. Sie vergleicht die Situation mit der Einführung von Zugabteilen nur für Frauen in Städten wie Tokio und glaubt, dass all diese Maßnahmen das Problem nicht bei der Wurzel packen.

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"Ein männerfreies Festival umgeht das eigentliche Problem", erklärt Calleja. "Wir müssen prüfen, wie es überhaupt zu so vielen sexuellen Übergriffen kommen kann." Ihre Lösung? Mehr Aufklärung.

"Über Selbstbestimmung und Einwilligung sollte in Schulen schon viel früher und verpflichtend gesprochen werden", sagt Calleja. Ihre Initiative Good Night Out arbeitet hingegen daran, Mitarbeiter von Bars und Clubs auszubilden, um sexuelle Gewalt zu erkennen, angemessen zu reagieren und letztendlich zu verhindern. "Wir würden gerne auch die Mitarbeiter von Festivals ausbilden", sagt sie.

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Sie macht sich allerdings auch keine Illusionen darüber, dass eine solche Veränderung über Nacht stattfinden kann. Sie glaubt, dass sexuelle Belästigung und Gewalt erst dann ein für allemal aufhören werden, wenn ein solches Verhalten gesellschaftlich als vollkommen inakzeptabel betrachtet wird.

Calleja zieht ein eindeutiges Fazit. "Wir müssen prüfen, wie es zu diesen Übergriffen kommen kann und sicherstellen, dass die Organisatoren nicht auch noch zu dem Schmerz und dem Trauma der Opfer beitragen, weil sie nicht wissen, wie sie reagieren sollen."

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