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Mode

Vorstadt-Muttis und Influencer haben den Choker getötet

Unser Lieblings-Accessoire gilt jetzt offiziell als uncool. Na herzlichen Dank!
Foto: Chleo Sheppard | Polyester Magazine (5. Ausgabe)

Während ich hier sitze und schreibe, schmiegt sich ein schmales, schwarzes Samtband um meinen Hals. Es ist genau so lang, dass es um meinen Hals passt, ohne mich zu würgen und so schmal, dass man es zu nahezu jedem Anlass tragen kann, ohne das Outfit zu sehr zu dominieren. Ich hatte es an, als ich vergangenen Monat die Eltern meines Freundes kennengelernt habe. Ich hatte es an, als ich mit Gummistiefeln über das Glastonbury Festival spaziert bin und ich habe es auch schon mal zu einer Preisverleihung getragen. (Ich habe aber leider nicht gewonnen.) Kurzum: Dieses Halsband ist das vielseitigste Accessoire, das ich momentan besitze. Bedauerlicherweise gehört es aber auch schon wieder der Vergangenheit an.

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Eine schockierende Nachricht, die Fragen aufwirft. Fragen wie: Wann genau wurde beschlossen, dass ich zum unmodischen Trottel mutiere, wenn ich meine Lieblingskette auch weiter trage? War es in dem Moment, als Lena Dunham twitterte, dass sie sich soeben online sechs neue Choker bestellt hat? Als die Modekette Forever 21, die bei Mittelschülern und Müttern gleichermaßen beliebt ist, einen Choker in ihr Sortiment aufnahm, der so breit war, dass er aussah wie eine Halskrause? Oder hatte es womöglich etwas damit zu tun, dass auf einmal alle Kandidatinnen jeder nur erdenklichen Reality-TV-Show einen Choker um den Hals trugen? Die Antwortet lautet vermutlich: Von allem ein bisschen.

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Als Broadly im September 2016 über den Choker berichtete, haben wir das Comeback mit dem Wiederaufkommen der Trends der 90er-Jahren verbunden. Früher waren Choker mal eine simple, aber wirkungsvolle Methode, um anderen mitzuteilen, dass man einen formschönen Hals hat und zu allem zu haben ist – und damit meine ich zu wirklich allem. Inzwischen ist der Choker ein Accessoire, das bei Vorstadtmuttis und Coachella Babes gleichermaßen beliebt ist.

Die meisten Menschen, die ich kenne, finden Choker mittlerweile ziemlich lahm. Das hält uns allerdings nicht davon ab, sie auch weiterhin zu tragen. Nimm das, Modeindustrie, die du uns vorschreiben willst, was wir anzuziehen haben und was nicht!

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Meine Kollegin Zing ist da allerdings anderer Meinung. "Die meisten dieser Choker würde ich im Leben nicht anziehen", sagt sie. Ich zeige auf meinen schwarzen Choker, der neben mir zum Trocknen auf dem Schreibtisch liegt, weil ich ihn kurz zuvor in meinen Kaffee habe fallen lassen. Sie guckt gequält. "Der ist schlicht genug, um ein normales Accessoire abzugeben", rudert sie zurück.


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"Choker aus Samt beispielsweise würden doch nur Frauen tragen, die auch mit bauchfreien Häkeltops, Hotpants und Bindis auf dem Coachella herumlaufen." Meine Kollegin Claudia stimmt ihr zu: "Ich kann mich genau an den Moment erinnern, in dem mir klar wurde, dass Choker nicht mehr cool sind: Als ich eine Gruppe von Pinot Grigio trinkender Vorstadtmuttis mit Chokern gesehen habe, die zum Feiern in der Stadt waren." Sie wird das Accessoire trotzdem weiter tragen, ob es jetzt offiziell cool ist oder nicht.

Viele Menschen, mit denen ich mich unterhalten habe, waren der Ansicht, dass viel von dem Hass auf Choker daher kommt, dass sie von Natur aus irreführend sind: Ein Accessoire für Frauen, die so tun wollen, als würden sie am Wochenende im Swingerclub anhängen, sich in Wahrheit aber zum Sektfrühstück mit ihren CrossFit-Freundinnen treffen. "[Choker] sind für Frauen, die glauben, Ecken und Kanten zu haben, aber niemals anecken wollen würden", schreibt mein Kollege Mitchell.

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"Wer Choker nicht im Schlafzimmer tragen würde, sollte sie überhaupt nicht tragen dürfen."

"Wer Choker nicht im Schlafzimmer tragen würde, sollte sie überhaupt nicht tragen dürfen", sagt Zing, die des Öfteren mal BDSM-Halsbänder anzieht. "Choker müssen definitionsgemäß so aussehen, als würde man jemanden damit würgen wollen. Ich habe keine Zeit für diese halbherzige, filigrane Choker-Scheiße. Go hard or go home!"

Ganz so streng sehen es die anderen nicht. "Ich habe einen geflochtenen Choker aus Leder mit einem silbernen Drachen-Anhänger", kommentiert meine Kollegin Diana. "Ich wünschte, ich hätte ihn heute auch an." Als ich meine Kollegen von i-D frage, erklärt mir Tish Weinstock im Brustton der Überzeugung, dass sie "großartig mit Choker aussieht" – und ich bin überzeugt, dass es keinen Grund gibt, um daran zu zweifeln.

Foto: Unsplash | Pexels | CC0

Im Juli 2016 veröffentlichte das queere Modemagazin Polyester ein Editorial mit einem Model, das ein BDSM-Halsband mit der Aufschrift "NOT A SUB" anhatte – eine Anspielung auf die BDSM-Ästhetik, die genau wie schon viele andere Subkulturen vor ihr vom Mainstream übernommen wurde, ganz zum Nachteil der Community.

"In der Modewelt sollten Choker ursprünglich soziale Normen unterminieren und auf Subkulturen anspielen", erklärt Ione Gamble, die Chefredakteurin von Polyester. "Durch die Vereinnahmung als Modetrend hat der Choker den ehemals sehr bedeutungsvollen Kontext und seine Wurzeln in der Fetischkleidung und in der Community verloren. Man könnte schon fast sagen, er wurde zu einer Parodie dessen, was es früher bedeutet hat, wenn man einen Choker getragen hat."

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Im selben Monat, als die Ausgabe von Polyester erschien, habe ich mir bei Etsy ein BDSM-Halsband aus Leder bestellt. Ich kann also auch nicht behaupten, dass ich dem Zeitgeist voraus bin. Um zu verstehen, warum der Choker so uncool geworden ist, habe ich deshalb getan, was ich tun musste: Ich habe Menschen gefragt, die um einiges cooler sind als ich und habe mir von ihnen erklären lassen, was ich nicht verstehe.

"Ich mochte ihn damals und ich mag ihn heute."

"Eigentlich kommt der Choker aus der BDSM-Szene, in der er eigentlich mal eine sehr spezielle und explizite Verwendung hatte. Dann haben Mainstream-Influencer angefangen ihn zu tragen und im Zuge dessen auch ziemlich junge Teenager", sagt Emily Gordon-Smith von der Trendagentur Stylus. "Interessant ist vor allem, dass diese Altersgruppe die Herkunft dieses Looks vermutlich gar nicht kennt. Das zeigt, dass Trends in Nischen beginnen und von dort aus die Massen erreichen können. In der Modewelt ist der Choker ein gutes Beispiel für eine kurzweilige Mode, auf die wir wahrscheinlich auch in Zukunft wieder stoßen werden."

Mit dem Choker ist es wie mit jedem Trend: Man muss nur lange genug warten, bis er wieder modern wird. Aida Manduley hat in den 90er-Jahren in Puerto Rico zum ersten Mal einen Choker getragen und ihn Anfang der 2000er-Jahre wiederentdeckt. "Ab 2003 oder so habe ich angefangen, einen schwarzen Choker zu tragen, der an ein Tattoo erinnert hat und danach habe ich ihn eigentlich nie wieder abgelegt. Ich mochte ihn damals und ich mag ihn heute", sagt Manduley. "Ohne Choker fühle ich mich nicht wohl, weil ich ihn so selten ablege. Ich habe seit damals nur ein paar Mal keinen getragen!"

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Manduley erzählt mir, dass Schüler aus der Mittelstufe, die xier (Manduley verwendet geschleuchtsneutrale Pronomen) unterrichtet hat, xier oft darauf angesprochen haben, bevor der Choker wieder in Mode kam. "Es war ein netter Gesprächseinstieg und eine Möglichkeit, um ein gutes Verhältnis zu meinen Schülern aufzubauen. Seit der Choker wieder modern ist, haben wir sozusagen eine Gemeinsamkeit, weil viele von ihnen auch Choker tragen." Das Comeback des Accessoires war für Manduley eine seltsame Erfahrung: Die meisten dachten, dass ich den Choker auch nur trage, weil er gerade modern ist. Letztendlich ist es aber überhaupt nicht wichtig, was die anderen denken. Was wirklich zählt, ist, dass ich ein Schmuckstück habe, das mir selbst gefällt."

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Genau wie Katy Perry können sich also auch Choker von einer längeren Überpräsenz erholen und wieder cool werden – allerdings nur, wenn sich ihr Look verändert. "Ich glaube die Form an sich wird nicht komplett verschwinden, aber der Choker wird eine Rundumerneuerung brauchen", sagt die Modedesignerin und Trendforscherin Geraldine Wharry. "Er muss raffinierter werden – vielleicht muss er zerschnitten werden oder man muss an der Form basteln und damit herum experimentieren."

Vorerst werden wir den Choker auch noch weiter tragen. Warum? Weil wir uns daran gewöhnt haben und nicht wissen, was wir sonst tun sollen. Ich für meinen Teil werde wahrscheinlich ausprobieren, wie es aussieht, wenn ich einen dünnen, goldenen Choker anstelle eines breiten schwarzen Halsbands trage. Der Choker wird auf jeden Fall auch in absehbarer Zeit noch nicht verschwinden, auch wenn der Look vermutlich genauso tot ist wie Rob Kardashians Karriere als Sockendesigner.

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