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one hit wondering

One-Hit-Wondering mit The Vapors

Jedes einzige Lied von ihnen ist großartig (bis auf das eine, für das sie bekannt geworden sind).

Jede Woche höre ich mir die gesamte Diskografie einer One-Hit-Wonder-Band an und lasse euch wissen, ob man sich auch die restlichen Songs anhören sollte. Diese Woche: The Vapors.

Als Musiker auf einen „One-Hit-Wonder“-Status reduziert zu werden, ist echt scheiße. Aber wenn dein einziger Hit vor allem als Masturbationssong bekannt ist, dann kann man sich eigentlich nicht beklagen. The Vapors haben sich 1980 mit ihrer bekannten Single „Turning Japanese“ einen Namen gemacht und obwohl Frontmann David Fenton die Gerüchte um die Anspielung im Text bestritten hat, wird man das Lied wahrscheinlich immer als Euphemismus der Selbstbefriedigung in Erinnerung behalten (vor allem bei Lyrics wie „Ich habe ein Foto von dir, ich habe ein Foto von dir, ich hätte gerne Millionen Fotos von dir für mich alleine“). Fenton erklärte, dass der Song niemals verrucht werden sollte; vielmehr sollte es ein Trennungs-Lied für Momente sein, in denen man durchdreht und denkt, man wird ein anderer Mensch—ah ja, wie ein Japaner—aber die Erklärung erscheint doch ein wenig gekünstelt. In einem Interview auf VH1 fügte der Sänger noch hinzu: „Es hätte auch portugiesisch, libanesisch oder alles andere heißen können. Das hatte nichts mit den Japanern zu tun." (Aber irgendwie hat „portugiesisch, ich glaube, ich werde portugiesisch" nicht den selben Flow. In späteren Interviews beantwortete er dann die Frage zur Masturbation—obwohl er schon dafür bekannt war, sich bei der Antwort zu zieren—mit einem "Vielleicht, vielleicht auch nicht", und bereute wahrscheinlich in dem Moment, dass er nicht als Erster auf die Interpretation gekommen ist.

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„Turning Japanese“ ist ein großartiges Lied—welche Bedeutung es auch immer hat—allerdings wurde es vom Rolling Stone auch schon als „eines der dümmsten Lieder in der Popgeschichte" beschimpft, was gemein ist, und unwahr. Ich war schon immer ein großer Fan der Vapors. Trotzdem hatte ich ständig das Gefühl, dass sie unverdient unterschätzt werden und in dem Gemisch der anderen New-Wave-Bands, die aus dieser Ära stammen, zu schnell vergessen werden. Ich weiß, dass ich am Ende eines Absatzes normalerweise zu einer Schlussfolgerung komme, aber ich sage euch das jetzt einfach so: Ich liebe JEDEN EINZELNEN SONG von The Vapors. Jeden einzelnen! Vielleicht liegt es daran, dass es die Band nur so kurz gab und nur drei Jahre und zwei Studioalben überlebte—es ist immer gut zu gehen, wenn es am schönsten ist, richtig?—aber dennoch sind The Vapors für mich ein One-Hit-Wonder, das ein makeloses Repertoire an guten Songs hat. Das scheint mir, ziemlich selten zu sein. Und wenn ihr die anderen Lieder noch nicht so gut kennt, dann ist es jetzt an der Zeit, das nachzuholen. Oh mein Gott, das ist so aufregend; lehnt euch zurück und relaxt, jetzt gibt's was Feines.

Ihr Debütalbum New Clear Days (1980) ist von vorne bis hinten mit potentiellen Chart-Hits vollgestopft. Ich maße mir sogar an, zu behaupten, dass es eine meiner absoluten Lieblingsplatten ist, weil A) kein einziger schlechter Song darauf ist, B) ich immer wieder auf das Album zurückkomme und jedes Mal erneut angenehm überrascht bin und C) weil ich dieses Album mit auf eine einsame Insel nehmen würde, was ein wahrer Beleg dafür ist, wie gut es sich behauptet. Scheiße, ich kann mich nicht mal auf einen Lieblingssong festlegen (so gut es auch ist, es ist definitiv nicht „Turning Japanese“).

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Was mich an dem „dümmster Song der Popgeschichte”-Kommentar sauer gemacht hat, war, dass New Clear Days eigentlich ein sehr intelligentes Album ist; das bleibt nur hinter den Power-Pop-Riffs verborgen, die sich mehr für ein unbekümmertes Spaß-Album eignen, als für ein gedankenvolles provokatives Album. Erstens mal war der Albumname ein Wortwitz zu nuclear days—ein Begriff, der im politischen Umfeld zu der Zeit relevant war. Auch wenn New Clear Days aus einer fröhlichen Pop-Hook nach der anderen besteht, hatte die Band kein Problem damit, hintergründige Texte zu singen. Hinter der farbenfrohen Fassade des Albums verbirgt sich ein düsteres Thema, das man zwischen den Zeilen der Lyrics entdecken kann. Die Band sang über Themen wie die Angst vor dem kalten Krieg („get ready for another Cold War […] is this a military state I'm in?"), die Angst vor Konformität („News at Ten“) und einen Appell gegen einen weiteren Weltkrieg („Letter from Hiro“).

Auch ein näherer Blick auf das Albumcover offenbart mehr als nur eine durchschnittliche Wettervorhersage aus den Nachrichten. Ein Atompilz zieht unheilvoll über London herauf und daneben erscheint ein Strahlungswarnzeichen. Und trotzdem ging es bei den Vapors nicht nur um Weltuntergangsszenarien, wie ihr wahrscheinlich schon an dem Frohsinn von „Turning Japanese“ erkennen konntet. Sie zeigen auch Herz und einen Sinn für Humor. Ihre Liebeskummer-Lieder wie „Somehow“ oder „Trains“ sind sogar die eingängigsten des Albums:

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„I can't hold you enough / I wanna love you again, I wanna love you again, I wanna love you again…"

Ach und nicht dass wir den Opener vom Album „Spring Collection” vergessen: die Band hinterlässt ihren ersten Eindruck, indem sie sich über den beliebten Punkstil aus der Zeit lustig macht (Was ist mehr Post-Punk als das, oder?). Wenn ihr an meine Kolumne von letzter Woche denkt, erinnert das doch stark an die Dexys Midnight Runner und ihrem Albumopener auf dem Debüt. In „Spring Collection“ singt der Sänger Fenton bitter: „Black jeans with tortured seams / don't mean that much to me" und in einer anderen Zeile „Don't like your plastic shoes / don't like your hair dyed blue / don't like your damned new rose / don't like your casual pose." Dingdong.

Das Beste an dem Album ist die Überzeugung, mit welcher Fenton die Bedeutung der Worte rüberbringt, ohne dabei klanglich überheblich zu sein. Was ich damit meine ist, dass die meiste politisch angehauchte Musik nicht so ansteckend ist wie diese hier. So eine Art von Balance ist schwer zu erreichen und trotzdem haben die Vapors es geschafft, das schon auf ihrer ersten Aufnahme zu meistern. Leider bekommen sie dafür nicht besonders viel Lob. Aber wieder zurück zu den anderen Songs, besonders bemerkenswert sind…ALLE, OK? Hört euch einfach die ganze Scheißplatte an.

Im darauffolgenden Jahr, 1981, brachten die Vapors ihr nächstes und letztes Album heraus, Magnets. Leider ist es kommerziell nicht auf besonders viel Anklang getroffen, was eventuell mit der fehlenden Promotion zu tun hat, die das Label versemmelt hat, und mit der Behandlung von noch tiefgründigeren Themen. Ein näherer Blick auf das Cover zeigte die gleichen schlechten Vorzeichen, wie schon das erste Artwork, ein Attentat:

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Illustriert von Martin Handford von den Where’s Waldo Büchern.

The Vapors hatten eine Gabe die catchigsten Melodien für die trostlosesten und morbidesten Themen zu kreieren. So war es auch bei der ersten Single „Jimmie Jones” der Fall, die von dem Pastor James Warren Jones aus dem berüchtigten Massensuizid von Jonestown 1978 handelt.

Das kitschige Intro („The Vapors turned Japanese for their number one hit last year! Will this be another one?”) macht mich echt traurig, denn es war kein weiteres. :(

Ich mag dieses Lied mehr als ihren eigentlichen Hit “Turning Japanese”, aber die Textzeile "turning Japanese, I think I'm turning Japanese, I really think so" ist definitiv einfacher zu verdauen und ein lustigerer und weniger unangenehmer Chorus als "Jimmie Jones, Jimmie Jones Jones Jones and his soul clones will get you." Der Versuch einen echten Massensuizid in einen Mainstream-Popsong einzubauen, mag auch ein dreister und unangebrachter Zug gewesen zu sein. Vergesst nicht, dass das Ereignis zu dem Zeitpunkt erst drei Jahre her war, also wurde es wahrscheinlich etwas anders aufgenommen, als das heute passiert wäre. Aber das war ja noch nicht alles. Andere Lieder vom Album behandelten Themen wie das Kennedy-Attentat („Magnets“) und griffen die Politik im Staat sogar noch mehr an („Isolated Case“, „Civic Hall“, etc). Auch wenn Magnets nicht so zugänglich wie ihr beeindruckendes Debüt war, war es dennoch ein ausgereiftes Folgealben zu New Clear Days und verdient deswegen auch mehr Beachtung. Außerdem altert es auch ziemlich gut, so weit ich das beurteilen kann.

Andere Lieblingslieder von Magnets sind: „Silver Machines”, „Lenina”, „Spiders”, „Can't Talk Anymore”…ist ja gut, sie sind alle toll (ich hab euch doch gesagt, dass ich jeden einzelnen Song mag).

Wie auch immer, wenn ihr euch jedenfalls die anderen Lieder von den Vapors anhört, wird es ziemlich deutlich, dass „Turning Japanese” nur eine sehr oberflächliche Facette von der Band ist. Es macht irgendwie auch Sinn, dass die Öffentlichkeit einen Song, der angeblich von Masturbation handelt, am besten aufnimmt, während ihre politischeren, unheimlicheren Lieder übersehen werden. Also ja, schlussendlich sind es die Vapors absolut wert, mehr von ihnen anzuhören als nur ihren bekannten Hit. Und außer sie entscheiden sich zu einer Reunion und nehmen ein neues Album auf, werde ich diese zwei Platten zu Tode hören und jede einzelne Sekunde davon lieben.

@kristenyoonsoo

Letzte Woche - Dexys Midnight Runners