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Der Prozess um Jahn B.: Der Live-Bericht

Heute findet der Prozess um Jahn B., einen jungen Antifaschisten, im Landesgericht für Strafsachen in Wien statt. Wir berichten live aus dem Gerichtssaal.
Foto von VICE Media

Heute findet der Prozess um Jahn B., einen jungen Antifaschisten, im Landesgericht für Strafsachen in Wien statt. Jahn wollte laut eigenen Angaben bei der brutalen Festnahme von Hüseyin S. auf einer Demonstration gegen das „Fest der Freiheit" der Burschenschaften einschreiten.

Jetzt steht er wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung an einem Polizisten vor Gericht. Hier lest ihr Jahns Erlebnisbericht. Unten lest ihr außerdem die Chronik des ersten Verhandungstags.

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10:28 Prozess vertagt auf 11. Mai

Der Prozess wird vertagt. Ein neuer Verhandlungstag ist für den 11. Mai 2015 festgelegt.

10:25 „so recht habe ich die Sache nicht mitgekriegt."

Der nächste Zeuge berichtet über den Tathergang. Er sagt, Jahn habe durch Herumfuchteln versucht, sich vom Kollegen U. loszureißen. Außerdem habe Jahn mit seinen Armen „gerudert". Der Richter fragt, wie genau dieses Losreißen ausgesehen habe—der Polizist meint, das könne er heute nicht mehr genau sagen.

Der nächste Zeuge wird aufgerufen. Er wird ebenfalls aufgefordert, die Geschichte noch einmal zu erzählen. Er sagt, „so recht habe ich die Sache nicht mitgekriegt." Er habe nur gesehen, dass er sich nicht vom Kollegen festhalten ließ und er sein Körpergewicht verlagert hat, um loszukommen. Auch ihm werden die selben Fragen wie den anderen Zeugen nach den ruckartigen Bewegungen gestellt, die Jahn angeblich gemacht habe. Er sagt, Jahn B. habe sich „passiv gewehrt"—eben durch das Fallenlassen.

10:17 Dritter Zeuge: „Herr B. hat sich lediglich fallen lassen."

Jetzt ist der nächste Beamte im Zeugenstand. Auch er erzählt von Hüseyins Verhaftung. „Ich hab gesehen, wie Herr B. auf den, der abtransportiert wurde, hingeschlagen hat."

Dann habe er wahrgenommen, wie sein in weiterer Folge verletzter Kollege Jahn B. mitnehmen wollte und Jahn sich Richtung Stiege abwärts fallen ließ. Kurz darauf wurde Jahn von mehreren Personen abtransportiert.

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Der Richter fragt, ob er gesehen habe, wie Jahn B. mit den Armen herumgeschlagen hat. „In welcher Intensität er mit den Armen herumgewedelt hat, kann ich jetzt nicht mehr sagen. Er hat sich aber fallen gelassen."

Richter: „Sie kennen den Unterschied zwischen aktivem und passivem Widerstand?"
Zeuge: „Ja. Herr B. hat sich lediglich fallen gelassen."

Immer wieder ist die Rede von zerren und fallen lassen. Der Zeuge wird befragt, wie genau der Hergang des Fallenlassens passiert ist und ob Jahn Schwung geholt hat. Der Polizist kann den Hergang heute nicht mehr genau beurteilen: „Mit welcher Intensität Jahn sich an den später verletzten Polizisten gehängt hat, weiß ich nicht." Aktiv auf die Polizisten eingeschlagen hat Jahn B. jedenfalls nicht, sagt auch dieser Zeuge. Der nächste Zeuge wird aufgerufen.

10:14 Zweiter Zeuge: „Hüseyin hat er nur minimal geblutet"

Der nächste Zeuge betritt den Raum. Der Polizist wird nach seinem Namen gefragt, zieht es aber vor, dem Richter seinen Dienstausweis zu zeigen und seinen Namen nicht laut zu nennen.

Der Polizist war selbst beim Einsatz dabei und schildert nun den Tathergang. Er erzählt, dass Jahn B. in die Verhaftung eingreifen wollte und immer wieder gesagt hat, dass Hüseyin schwer verletzt ist, „dabei hat er nur minimal geblutet".

Er sagt, er habe seinen Kollegen angewiesen, Jahn wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt anzuhalten und er habe den „Eindruck" gehabt, dass Jahn auf Polizisten eingeschlagen habe. Zum genauen Tathergang kann er nichts sagen, da er nicht weiß, „was hinter ihm passiert ist". Der nächste Zeuge kommt.

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10:08 Leichte Widersprüche seitens der Polizei

Jetzt stellt die Verteidigerin von Jahn dem Zeugen Fragen zum Tathergang und zu seinem beschriebenen „Herumfuchteln". Der Polizist sagt, dass Jahn nicht herumgefuchtelt hat, um sein Gleichgewicht zu halten, sondern bezeichnet es als ein „aggressives Fuchteln", das mit aggressiven Äußerungen verbunden war, weil Jahn ständig gesagt hat, dass er nichts gemacht hat.

Der Polizist wiederholt, dass Jahn nicht gegen ihn vorgegangen ist, aber mit den Armen Schwung geholt hat, um ihn „nach unten zu zerren". Der Polizist Andreas U. sagt, dass er den Eindruck hatte, die Kollegen hätten ziemlich zu tun gehabt, Jahn von der Zielperson, also Hüseyin C., wegzubringen. Der Polizist widerspricht damit seiner ursprünglichen Aussage direkt nach dem Vorfall leicht, indem er heute sagt, dass Jahn B. nicht direkt gegen ihn oder etwaige Kollegen vorgegangen ist. Der Polizist wird aus dem Zeugenstand entlassen.

Hintergrund: Jahn B. ist der Dritte in einer Reihe von festgenommenen Demonstranten

Jahn B. ist nicht der erste deklarierte politisch aktive Antifaschist, der nach der Teilnahme an einer Demonstration gegen Rechts vor Gericht steht. Er reiht sich damit neben Josef S., der nach der Demonstration gegen den letztjährigen Akademikerball monatelang in U-Haft saß (und uns dieses erste Exklusiv-Interview gab) und Hüseyin S. ein, der nach dem „Fest der Freiheit" festgenommen und ebenso wie Josef in mehreren Punkten schuldig gesprochen wurde.

09:54 „Verdienstentgang von geschätzt 3.300 Euro"

Der geschädigte Polizist musste operiert werden und spricht von „20-prozentiger Teil-Invalidität" wegen dem Sehnenriss, den er sich damals zugezogen hat. Trotz des Wechsels in den größeren Saal stehen rundherum viele Leute, die offensichtlich Freunde von Jahn sind.

Der Polizist sagt, Jahn habe wild gestikuliert und ihn dadurch hinunter gezerrt, wie er wiederholt. Dadurch habe er sich die Sehne gerissen.

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Nun soll er die „ruckartigen Bewegungen" beschreiben, in denen Jahn an seinem Arm gezerrt hat. Der Polizist musste seinen Arm 10 Wochen ruhigstellen und ist bis jetzt in Physiotherapie. Er habe noch immer keine Kraft im Oberarm, sagt aber, dass er guter Hoffnung ist.

Verdienstentgang wird vom Polizisten auf 3.300 Euro geschätzt. Jetzt werden Honorarnoten vom Arzt durchgesehen.

09:45 Polizist: „Jahn hat nicht auf mich hingeschlagen"

Jetzt wird der verletzte Polizist befragt. Ihm zufolge wurde die Verhaftung von Hüseyin angeordnet und dann sei plötzlich ein Tumult losgegangen. 25 Personen rundherum wollten die Festnahme verhindern. „Ich habe eine Person mit schwarzem Kapuzensweater wahrgenommen, die relativ tumultartig herumgewerkt hat"—der Aussage des geschädigten Polizisten zufolge habe es sich dabei um Jahn B. gehandelt. Anschließend habe er den Auftrag bekommen, Jahn wegen einer strafbaren Handlung mitzunehmen. Im Raum sind viele Freunde von Jahn—wenn sich der Polizist bei seiner Aussage verhaspelt, wird leise gekichert. Jetzt erklärt der Polizist der Hergang der Verhaftung und erzählt, dass Jahn gefragt hat, warum er denn überhaupt mitgenommen würde.

Der Polizist sagt, Jahn hat nicht auf ihn hingeschlagen, sondern ihn lediglich nach „unten gezerrt". Richter fragt, ob Jahn körperlich gegen ihn vorgegangen ist oder sich nur wegdrehen wollte. „Er hat nur nach unten gezerrt. Er hat keine Handlungen gegen mich gesetzt."

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Hintergrund: Wiener Polizei in der Kritik

In letzter Zeit stand die Wiener Polizei des öfteren wegen dem Vorwurf von gewalttätigen Übergriffen oder unverhältnismäßigen Einsätzen in der Kritik. Erst Ende März wurde ein offensichtlich verwirrter Mann auf der Mariahilfer Straße brutal festgenommen und dabei von mehreren Polizisten zu Boden gedrückt, während dieser geschrien hat, dass er keine Luft mehr bekommt. Lest hier den Bericht eines Augenzeugen.

09:39 Hauptbelastungszeuge sagt aus

In der vorangegangenen Konversation zwischen Jahn B. und dem Richter warf Jahns Anwältin ein, dass Hüseyin außerdem freigesprochen wurde—soviel zur möglichen Schwere der begangenen Straftat.

Im Strafantrag wird Jahn B. vorgeworfen, dass er wild mit den Armen herumgeschlagen hätte. Jahn sagt, das stimme nicht.

Als nächstes sprachdie Verteidigerin des verletzten Polizisten. Anschließend wird der verletzte Polizist und Hauptbelastungszeuge aufgerufen.

09:35 „Warum haben Sie sich überhaupt eingemischt?"

Der ganze Vorfall hat sich bei der U-Bahn-Station Schottentor ereignet. Jahn wirkt nervös, aber gut vorbereitet, während er den Tathergang und die Ereignisse der betreffenden Nacht beschreibt. Der Richter fragt, warum er sich überhaupt eingemischt habe. „Weil die Sache einfach unverhältnismäßig war", sagt Jahn B. „Wenn man sich anschaut, wie mein Leben bisher ausgesehen hat … ich war immer politisch aktiv." „Aber es könnte ja sein, dass der Mann eine schwere Straftat begangen hat. Haben Sie gewusst, warum er verhaftet wurde?" fragt der Richter. „Nein, hab ich nicht", antwortet Jahn B. „Die Aktion war einfach unverhältnismäßig."

09:34 Jahn B. bekennt sich „nicht schuldig"

Die Anklageschrift wird verlesen. Die Staatsanwalt verlangt volles Strafmaß, während die Verteidigerin auf einen Freispruch hofft. Jahn bekennt sich nicht schuldig. Der Richter beginnt, Jahn B. zum Tathergang zu befragen und er erzählt, dass er auf der Demo gegen das Fest der Freiheit war und Hüseyins Verhaftung beobachtet hat. Er hat laut eigener Aussage die Polizisten aufgefordert, Hüseyin ins Krankenhaus zu bringen, weil dieser am Kopf geblutet hat und wurde von den Polizisten weggestoßen. Danach wollte er noch einmal eingreifen und erzählt, dass ihm ein Polizist in weiterer Folge die Hoden gequetscht hat. Später wurde er ohne Angabe von Gründen mitgenommen und verhaftet.

09:24 Prozessbeginn: „Ja, ich sehe aus wie ein Clown"

Die Verhandlungszeit ist für 1,5 Stunden festgesetzt. Unter den Zuschauern befinden sich viele Freunde von Jahn, unter anderem Vertreter der OGR. Zum Prozessbeginn werden die Personalien von Jahn durchgegangen. Er trägt einen dunkelgrauen Anzug und sagt vor der Verhandlung halb belustigt, halb nervös in die Runde, dass er eh weiß, dass er damit aussieht wie ein Clown.

09:15 Verlegung in großen Saal

Es sind viel zu viele Interessierte gekommen, um den Prozess wie geplant im kleinen Saal stattfinden zu lassen. Die Verhandlung wird daher in einen größeren Saal am Landesgericht für Strafsachen verlegt. Noch warten Journalisten und Zuschauer vor dem Eingang.

Hintergrund: Fest der Freiheit

Beim „Fest der Freiheit" feiern Burschenschaften das Revolutionsjahr 1848—wir haben berichtet. Beim letztjährigen Fest marschierten einige wenige Burschenschafter durch die Stadt und es kam zu mehreren Gegendemonstrationen. Zwei Personen wurden verhaftet, einer davon war Hüseyin S.

Verena auf Twitter: @verenabgnr