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Humor

"Vorsicht, Frau am Grill": die dümmsten Geschenkartikel zur Grillsaison

Achtung, schlechte Penis-Metaphern.
Titelbild: VICE Media

Feminismus hin oder her, wenn es um Ernährung geht, halten sich Klischees wie "Frauen essen doch eh nur Gemüse" oder "Grillen ist Männersache" hartnäckig. Essen ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Alltags und deshalb allgemein umso anfälliger für Vorurteile, in der Grillsaison scheinen aber noch einmal verschärfte Regeln zu gelten. Da muss zum Beispiel im aktuellen Edeka-Spot die Frau schnell von der Fleischtheke weg und hin zum Couscous-Salat gelockt werden, damit der Mann mit leuchtenden Augen endlich das "echte" Essen besorgen kann. Wann und wo das jemals passiert ist: nie, nirgends.

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Wir wissen alle, dass die stereotype Einteilung von Männern und Frauen in Fleisch- oder Pflanzenfresser völliger Blödsinn ist. Ob jemand dazu in der Lage ist, ein perfektes Steak zu braten, hat nichts mit seiner geschlechtlichen Identität zu tun – warum also überschlagen sich Marken im deutschsprachigen Raum dann regelmäßig mit sexistischen Angeboten zur Grillsaison? Wir haben die dümmstn Artikel zur "perfekte Ladies' Night" oder dem "zünftigen Männerabend" (es lebe die heteronormative geschlechtliche Binarität!) genauer angesehen.

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Erstes Must-have für die Damenwelt, die ja bekanntlich den ganzen Tag nur Prosecco trinkt: das "Grillset Tussi Talk", gesichtet bei geschenke24.at. Wer bei dem "schicken Schmetterlingsmodell" nicht weich wird, sollte mal seine Weiblichkeit in Frage stellen. Just saying. Das Set ist nämlich wirklich "nur für Ladies" und sollte bloß dann verwendet werden, wenn "besonders gesundes" Gemüse gegrillt wird. Sobald ein Mann die Brettchen berührt und/oder Fleisch darauf zu liegen kommt, gehen die Dinger wahrscheinlich in Flammen auf. Vorsicht!

Auf der gleichen Seite gibt es natürlich auch entsprechend das "Grillset für Männer", vermutlich ebenfalls mit Selbstzerstörungsmodus, falls ihm das falsche Geschlecht zu nahe kommt. Beworben wird diese Kombi aus Brandeisen und Bierglas übrigens als "unglaublich originelles Geschenk".

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Screenshot: amazon.de

Die Grundausstattung für den Tussitag oder den männlichsten Männerabend aller Zeiten steht also. Wer noch eins draufsetzen will, besorgt sich bei Amazon nun die entsprechende Kleidung.

Falls die Männerrunde die wichtigsten Klischees zum Thema Nahrungsaufnahme unter freiem Himmel schon vergessen hat, erinnert diese Schürze daran, was man zum Grillen "nicht braucht: Fön, Gemüse, Frauen. Die Produktbeschreibung verspricht, mit diesem Gadget habe man "alle Lacher auf seiner Seite." Das klingt sehr optimistisch, muss man aber wahrscheinlich auch sein, wenn man sich als Sexist in unmittelbarer Nähe zu offenem Feuer und spitzem Grillbesteck aufhält.

Natürlich gibt es auch ein Pendant für die Ladies' Night. Sollte sich nämlich da tatsächlich jemand an den Grill verirren, gibt es auf der Schürze immerhin eine Warnung: "Vorsicht, Frau am Grill." Was auf Autostickern noch nie witzig war, sollte schließlich auch bei Grillschürzen für schlechte Laune sorgen.

Screenshots: puttkammer-wurst.de

So unglaublich es klingt: Den Gipfel der Komik haben wir allerdings noch gar nicht erreicht. Jetzt geht es nämlich erst recht um – haha – die Wurst. Die kaufen "Tussis" und "echte Kerle" idealerweise bei einem Fleischerbetrieb namens Puttkammer. Nur dort werden für beide Kategorien die passenden Würste angeboten. Männer bekommen Würste mit Bier, denn männlich ist nur, was dem Körper gleich auf mehreren Ebenen schadet.

Frauen hingegen dürfen, nein, müssen sogar zur pinken "Ladies Bratwurst" greifen, die sie farbtechnisch an den Intimbereich eines sehr hellhäutigen Mann erinnern dürfte, der sich bei den ersten Sonnenstrahlen des Jahres viel zu früh in den noch eiskalten See gewagt hat. (Männlich!) Ob man sich mit Einhorn-Bratwurst versucht, marketingtechnisch an die LGBTQ-Community ranzuschleimen, bleibt hingegen offen.

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Und weil Frauen bekanntlich keine fettigen Würste mögen, macht es eigentlich auch gar nichts, dass die Pinke ohnehin niemand freiwillig essen würde. Konzentrieren wir uns also auf die "Kerle-Bratwurst". Die kann Klaus-Dieter mit seinem Männer-Grillset zwar wegen mangelnder Fläche nur schlecht personalisieren, aber für solche Fälle gibt es zum Glück den "Grillspieß Big Boy".

Also, Jungs, wenn ihr euch trotz Grillschürze und "Kerle-Wurst" noch nicht ganz sicher seid, ob eure Runde maskulin genug ist: die Produktbeschreibung sagt, "männlicher als mit diesem lustigen Gadget geht es wirklich nicht." Sold!


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Aber Spaß beiseite. Was ist wirklich dran an den Vorurteilen rund um "typisch" männliche oder weibliche Ernährung und Grillvorlieben? Ernährungsexpertin Hanni Rützler, die jedes Jahr den Foodtrend-Report veröffentlicht, führt das Klischee vom männlichen Fleischliebhaber auf historische Umstände zurück: Fleisch sei früher den Männern vorbehalten gewesen, da sie harte körperliche Arbeit verrichteten. "Da ist über Jahrhunderte ein Geschmack entstanden", so Rützler im Gespräch mit Broadly

Heutzutage kann jeder essen, was er möchte, was aber nicht heißt, dass Ernährung geringere gesellschaftliche Relevanz hat. Ökotrophologin Petra Orzech bestätigt: "Es wird immer beobachtet, was eine Frau isst oder nicht. Frauen werden um einiges mehr auf ihre Figur reduziert als Männer." Aber hält uns das davon ab, uns zu nehmen, was wir wollen? Wohl kaum.

Tatsächlich beschreiben sowohl Rützler als auch Orzech einen allgemeinen Trend hin zu weniger strikt kategorisierten Ernährungsweisen. Eine Art "Unisex-Ernährung" ist im Kommen, so Rützler. Das heißt, dass sowohl Frauen als auch Männer in erster Linie darauf achten, sich gesünder, leichter und stärker pflanzenbasiert zu ernähren. Salat für alle (I'm looking at you, Edeka)!

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Allerdings, und auch hier sind die Expertinnen sich einig, machen Klischees das Leben leichter und sind deshalb fast unmöglich aus der Welt zu schaffen. Sexistische Schürzenaufdrucke und der Rest dieser Liste werden uns leider noch eine Weile erhalten bleiben. Das können wir zwar nicht im Alleingang ändern, aber wir können blöde Witze als solche outen, meint Rützler: "Es liegt auch an den Frauen, da nicht mitzulachen. Da drüberzustehen und das mit Humor und spitzer Zunge zu entschärfen, ist die hohe Kunst. Damit kommt man weiter, denke ich."

Natürlich wird man mit offener Kritik schnell als Spaßbremse abgestempelt, gerade wenn es um vermeintlich harmlose Dinge wie Grillgadgets geht. Und wenn wir ehrlich sind, haben wohl alle schon mal allzu schnell nach dem Äußeren geurteilt. Auch das lässt sich nur schwer abstellen, Orzech meint allerdings: "Wenn man es mit der Zeit hinkriegt, dass man die eigene Denkweise bewusst wahrnimmt und hinterfragt, ist schon viel gewonnen." Wie reagieren wir also auf "Tussi Talk", "Big Boy" und Co.? Wir schmeißen es auf den Grill – und lassen dumme Geschlechterklischees in Flammen aufgehen.