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Terrorismus

Was wir über den mutmaßlichen Täter von Charlottesville wissen

Inzwischen ist bekannt, dass James Fields Hitler verehrte. Und dass er seine eigene Mutter geschlagen und bedroht haben soll.
Polizeifoto via Albemarle County Jail

Am 12. August raste James Alex Fields mit seinem Sportwagen durch eine Gegendemo zu einer Rechtsextremen-Kundgebung in Charlottesville, Virginia. Damit nahm er mutmaßlich einer Frau das Leben und verletzte mindestens 19 weitere Menschen. Seither sind immer mehr Fakten zum Hintergrund des 20-Jährigen bekannt geworden. Eine einfache Erklärung für seine Radikalisierung gibt es nicht, doch er tendierte offenbar schon seit Jahren zu Rassismus und Gewalt.

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Fields' Vater starb vor seiner Geburt, wie seine Tante Pam Fields der New York Times sagte. Mit seiner Mutter, die im Rollstuhl sitzt, lebte er im Bundesstaat Kentucky und später in Ohio. Wie aus Akten der Polizei von Florence, Kentucky, hervorgeht, wurde Fields spätestens 2010 zum ersten Mal gewalttätig – da war er 13 Jahre alt. Damals setzte seine Mutter einen Notruf ab: Sie habe sich aus Angst vor ihrem Sohn im Bad eingesperrt, weil er sie gegen den Kopf geschlagen und ihr den Mund zugehalten habe. Die Mutter hatte ihn aufgefordert, mit einem Videospiel aufzuhören. 2011 ging bei der Polizei erneut ein Notruf von Fields' Mutter ein: Er habe mit einer 30-Zentimeter-Klinge hinter ihr gestanden.


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"Bei rassistischen Extremisten stellen wir regelmäßig fest, dass sie innerhalb der Familie gewalttätig werden", sagt Brian Levin, Direktor am Zentrum für Hass- und Extremismusstudien an der California State University in San Bernadino. "Das sind Menschen, die persönlichen und kollektiven Hass in sich anstauen, und in ihrer Subkultur geht das mit einer Verherrlichung körperlicher Gewalt einher."

Fields' ehemalige Mitschülerin Caitlin Robinson sagte der New York Times, Fields "schrie Obszönitäten – Dinge, die mit Hitler zu tun hatten, oder rassistische Beleidigungen". Sie war mit ihm zur Middle School (5. bis 9. Klasse) gegangen. Robinson beschrieb ihn als Außenseiter, doch ein anderer Mitschüler, Keegan McGrath, sagte Associated Press (AP): "Er hatte Freunde. Es haben sich Leute mit ihm unterhalten."

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Laut AP versuchten Lehrkräfte an seiner Highschool in Union, Kentucky, zu intervenieren, als Fields in der neunten Klasse war: Sie machten sich Sorgen wegen seiner "zutiefst überzeugten und radikalen" Ansichten zum Thema "Rasse".

Besessen von Nazi-Deutschland

Auf einer Klassenfahrt nach Deutschland 2015 benahm sich Fields auffällig, so der Ex-Mitschüler McGrath. Er habe Deutschland als "das Vaterland" bezeichnet und hasserfüllte Äußerungen über Franzosen gemacht. McGrath teilte sich mit Fields ein Zimmer und reiste frühzeitig nach Hause, weil er mit Fields heftig über dessen Einstellung gestritten hatte.

"Viele Jungs in den USA entwickeln ein Interesse an Nazi-Deutschland, weil sie sich für den Zweiten Weltkrieg interessieren", sagte Fields' ehemaliger Geschichtslehrer Derek Weimer einer Lokalzeitung aus Ohio. Fields habe das jedoch "auf einem ganz anderen Niveau betrieben". Er beschrieb Fields außerdem als "einen sehr intelligenten jungen Mann, aber fehlgeleitet und desillusioniert".

Der Lehrer half Fields 2015 mit seiner Bewerbung als Panzerkommandant bei der U.S. Army. Weimer ist selbst Ex-Offizier und hoffte, der Kontakt mit Kameraden und Kameradinnen verschiedener Hautfarben würde Fields zur Vernunft bringen. Die Bewerbung wurde abgelehnt, doch 2015 schrieb sich Fields zur regulären Grundausbildung ein. Nach etwa vier Monaten wurde er aufgrund "mangelnder Tauglichkeit im Training" wieder entlassen, wie die U.S. Army gegenüber VICE bestätigt. Danach arbeitete Fields laut CNN eine Weile für die Sicherheitsfirma Securitas.

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"Rechtsextreme sehen sich oft als 'Helden', die für Unterdrückte einstehen. Mit dieser Denkweise können extremistische Gruppen Menschen zu brutalen Gewalttaten aufhetzen."

"James Fields gehörte eindeutig zu einer größeren Gruppe Gleichgesinnter, und er sah sich selbst als Kämpfer für diese Gruppe, diese Bewegung", sagt Daniel Köhler, der Gründer und Direktor des German Institute on Radicalization and De-radicalization Studies. Köhler erklärt, Rechtsextreme sähen sich oft als "Helden", die für Unterdrückte einstehen – in diesem Fall die rassistische-nationalistische Bewegung. "Mit dieser Denkweise können extremistische Gruppen Menschen zu brutalen Gewalttaten aufhetzen."

Ariel Kruglanski, ein preisgekrönter Experte für Radikalisierung und Terrorismus, macht drei Komponenten der Radikalisierung aus, ob bei Neonazis oder Islamisten: den Wunsch, eine wichtige Rolle zu spielen; das Weltbild, das den Weg zu dieser Rolle ebnet; und ein Netzwerk, das den Radikalisierenden unterstützt. "Sie teilen alle die Motivation, Respekt und Macht zu erlangen", sagt Kruglanski. "Und sie alle haben gemeinsam, dass sie irgendwann einer Ideologie ausgesetzt sind, die ihnen sagt, wie sie diesen bedeutenden Status angeblich erlangen können."

Die Ideologie fand Fields bei Gruppen wie Vanguard America. Die weiße rassistische Organisation beklagt auf ihrer Website eine "endlose Flut an nicht integrierbaren Ausländern" und prophezeit, dass weiße US-Amerikaner "in dem Land, das sie aufgebaut haben, zu einer Minderheit werden". Die Gruppe behauptet, Fields sei kein Mitglied gewesen, doch am Tag der Demo in Charlottesville wurde er inmitten Gleichgesinnter mit einem Schild fotografiert, auf dem das Logo der Extremisten prangte.

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Seit Trumps Wahl zum Präsidenten mischen derartige Extremistengruppen verstärkt in der Politik mit. Offene Rassisten wie Andrew Anglin, der Gründer der Neonazi-Website The Daily Stormer, und der ehemalige Ku-Klux-Klan-Anführer David Duke priesen Trump während seines Wahlkampfs. Zwar wies Trump derlei Unterstützung irgendwann von sich, doch einige seiner Wahlkampfbotschaften verliehen Alt-Right-Gruppen mehr Legitimität, wie Ryan Lenz vom Hatewatch-Blog der NGO Southern Poverty Law Center erklärt. Vor allem junge weiße Männer in Fields' Generation seien so indoktriniert worden.

Seine Mutter ahnte nichts

Bei der "Unite the Right"-Demo in Charlottesville, Virginia, protestierten Rechtsextreme am 12. August gegen die Entfernung einer Statue des Südstaatengenerals Robert E. Lee. Am Tag vor der Veranstaltung bat Fields seine Mutter Samantha Bloom, auf seine Katze aufzupassen. Er war etwa ein halbes Jahr zuvor bei ihr ausgezogen. Fields sagte Bloom, er gehe zu einer Kundgebung, doch sie glaubte, die Demo sei lediglich für Trump-Unterstützer. In einem Video von Associated Press ist zu sehen, wie Bloom von der Tat ihres Sohnes erfährt. Dabei wird deutlich, dass sie nicht einmal den Begriff "Alt-Right" kannte, und stattdessen glaubte, ihr Sohn wolle zu einer Kundgebung, die etwas mit einem "Al Bright" zu tun habe. "Ich sagte ihm, er soll vorsichtig sein", erzählte Bloom der Zeitung Toledo Blade. "Dass er auf jeden Fall friedlich bleiben soll, wenn er auf eine Demo geht."

Doch leider hatte Fields' Mutter mit ihrem Ratschlag keinen Einfluss auf ihren Sohn. Am 12. August wurde er verhaftet, weil er mutmaßlich die 32-jährige Heather Heyer getötet und mindestens 19 weitere Menschen verletzt hatte. Der Sportwagen des Modells Dodge Challenger, der in dem Anschlag als Waffe diente, liefert weitere Einblicke in Fields' Hintergrund: Laut einem Nachbarn stand das Auto fast immer an seinem Platz, was nahelegt, dass Fields arbeitslos war. Ein weiterer Nachbar sagte gegenüber dem Toledo Blade, der junge Mann habe oft im Auto gesessen und laut Polka-Musik gehört.

Fields ist angeklagt wegen Mordes, vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und Fahrerflucht bei einem Unfall mit Todesfolge. Am 14. August schloss das zuständige Gericht eine Freilassung gegen Kaution aus, der nächste Gerichtstermin findet am 25. August statt.

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