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Popkultur

Wir haben uns ,Charmed‘ 10 Jahre nach dem Ende noch einmal angesehen

Ein Reboot ohne Originalbesetzung ist in Planung. Warum das nicht passieren darf und Alyssa Milano unsere große Liebe ist.
Collage via VICE Media

So gut wie alles aus den 90ern, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, bekommt gerade einen Reboot. Das trifft anfangs zwar unsere nostalgische „Früher war alles besser"-Ader, ist aber nur ein böser Trick, der uns daran erinnert, dass Full House eigentlich gar keine so gute Serie war—in Wahrheit war Full House sogar richtig, richtig mies. Es sind eben nur die Erinnerungen an endlose Fernsehnachmittage und „Everywhere you look", die uns dazu bringen, Full House ausschließlich mit positiven Gefühlen zu assoziieren. Bis man das merkt, ist es aber meistens schon zu spät und ehe man sich versieht, wird auch schon eine Gulasch-Version von Charmed vorbereitet.

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Letztendlich zwingen uns Reboots meistens dazu, einer hässlichen Wahrheit ins Auge zu blicken: Erinnerungen lügen, ein neuer Teil von High School Musical ist am Ende doch keine so gute Idee, und auch wenn es sich so, so schön anhört—vielleicht sollten wir doch wieder damit aufhören, uns Neuauflagen von Die Nanny oder Der Prinz von Bel-Air zu wünschen. Am Ende machen die das wirklich.

Aber gut, ob Charmed jetzt noch von einem Reboot verschont bleibt oder nicht, ist eigentlich auch schon wurscht. CBS jedenfalls hat Pläne dazu, aber eben ohne die Original-Besetzung, die zwar prinzipiell Bock hätte—beziehungsweise 2013 Bock hatte—, aber eher auf eine Film-Version, was sich ehrlich gesagt nach der besten Idee aller Zeiten anhört. Sogar Shannen Doherty wäre dabei. Beim Gedanken an ein Charmed-Quartett mit Prue, Piper, Phoebe und Paige bleibt wohl kein 90er-Höschen mehr trocken, schließlich war es auch die erste große Bildbearbeitungs-Challenge im Leben eines jeden Digital Natives, Prue in ein Gruppenfoto mit Paige reinzuschneiden, sei es nur der Fan-Fiction halber. Und die Macht von Vieren könnte dann auch wirklich niemand entzweien, noch nicht mal Penny aus The Big Bang Theory, auch wenn sie es während der letzten Staffel als Lehrlings-Hexe Billie echt hart versucht hat.

Die Zeit für einen Charmed-Film wäre jedenfalls überreif, jährt sich die Erstausstrahlung des Serien-Finales dieses Jahr immerhin bereits zum zehnten Mal, und meine absolute Bereitschaft dazu, mir das Charmed-Symbol als Tattoo zu gönnen, wird auch nicht gerade größer. Außerdem könnte man dann auch getrost ein paar 00er-Acts von damals ins P3 zurückkehren lassen (LeAnn Rimes braucht eh ein Comeback) und wahrscheinlich würde man auch irgendeine edgy Band damit beauftragen, „How Soon Is Now?" neu einzusingen, weil den Machern ohnehin gar nichts mehr heilig ist und wenn schon, denn schon. Hauptsache, die „I am human and I need to be loved"-Zeile hat wieder richtig schönes Mitgröhl-Potential.

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Musik

Allgemein hat Musik immer schon eine zwar nebensächliche, aber dennoch nicht unwichtige Rolle in Charmed gespielt. War der glorreiche Vorspann erst einmal vorbei—und der war schon nach ungefähr zwei Sekunden und diesem heulenden Geräusch kultiger als alle Staffeln Vampire Diaries zusammen—, ist man immer erst mal eine Runde über San Francisco bis hin zum Halliwell-Haus geflogen, während es Massive Attack, Vanessa Carlton oder—wichtig—„Torn" von Natalie Imbruglia gespielt hat.

Die Mächtigen Drei haben uns mindestens genau so viel über Musik beigebracht wie später O.C., California. Was dort der Bait Shop war—also eine Ausrede dafür, um hin und wieder Musikern eine Promo-Möglichkeit zu bieten—war in Charmed eben das P3, wo dann einfach mal The Cranberries auf der Bühne standen. Darüber hinaus unterlegte ProSieben die damaligen Trailer mit „Nemo" von Nightwish, und das in einer Zeit, in der Gothic sowieso schon so was wie ein Trend wurde und die drei Hauptdarstellerinnen der Serie auch noch regelmäßig in voller Girlgroup-Montur als Bravo-Poster abgedruckt wurden. Charmed war die Popstars-Band, die wir nie hatten.

Damönen

Screenshot via YouTube

Wenn man sich Charmed heute, zehn Jahre nach dem Finale, nochmals in all seiner viel zu dick aufgetragenen, mit billigen Computereffekten ausgeschmückten Gloria ansieht, wirken die ganzen Dämonen, bei denen man sich einst noch die Augen zuhalten musste, eher wie lieblos zusammengeschusterte Faschingskostüme. Die Folgen, die den meisten von uns nachhaltig im Gedächtnis geblieben sind, waren aber jene, in denen der Dämon nicht aussah wie frisch vom Kinderschminken, sondern einfach nur wie ein böser, alter Mann, dessen Kraft es noch dazu war, seinen Opfern ordentlich Schiss einzujagen: Barbas, der Angst-Dämon, der einen so verdammt viel Angst macht, dass man dadurch stirbt—kein Herzinfarkt, sondern Tod durch Angst. Und für diejenigen, die es nicht wussten: Bei einem Angst-Tod färben sich automatisch alle Haare weiß. Hölle.

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Der Gedanke daran, dass man Barbas automatisch ausgeliefert war, weil er immer sofort die schlimmsten Ängste seiner Opfer erkannte und sie genau damit konfrontieren konnte, war schon vor über 10 Jahren erdrückend. Allen anderen Dämonen konnte man noch immer irgendein Elixier an den Kopf werfen, das sie dann verätzte oder so, aber Barbas konnten die Hexen nur besiegen, indem sie auch ihre Ängste überwanden. Prue zum Beispiel war kein Fan von Wasser und ertrank dadurch fast unter der Dusche—ein Szenario, das sich bis heute tief in meinem Gehirn eingebrannt hat und mich immer wieder daran erinnert, das Wasser vielleicht nicht ganz so stark aufzudrehen. Phoebes größte Angst war es, ihre Schwestern zu verlieren und schon damals fand ich verdächtig, wie verdammt sympathisch und liebenswert ihre Rolle geschrieben war. Meine größte Angst war es immer, Phoebe niemals richtig buchstabieren zu können.

Mode

Es gab aber auch eine Phase, in der hatte ich echt nichts Gutes mehr übrig für Phoebe. Zum Beispiel, als sie einfach nicht erkennen wollte, dass Cole pures Gift für sie ist und sie für ihn sogar ihre Schwestern hinterging, da wollte man sie einfach nur kräftig durchschütteln. Aus heutiger Sicht war diese Beziehung offensichtlich symbolisch für ein Verhältnis mit einem Drogenabhängigen, nur dass die Droge in dem Fall so was wie Boshaftigkeit war, und da gibt es durchaus schlechtere Metaphern für Drogen.

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Einen zweiten Stich ins Herz versetzte mir Phoebe dann mit der Kurzhaarfrisur. Millionen von frühpubertären Burschen waren bis zu diesem Zeitpunkt unsterblich in Alyssa Milano verliebt, sind das vielleicht bis heute noch, aber das war damals einfach zu radikal für so ein junges, sensibles Herz wie das meinige. Dabei hätte Alyssa Milano um ein Schamhaar gar nicht in der Serie mitgespielt—in der ursprünglichen Pilotfolge, die noch auf YouTube zu finden ist, wird Phoebe nämlich noch von Lori Rom verkörpert, die heute hauptsächlich dafür bekannt ist, einmal von Alyssa Milano ersetzt worden zu sein.

Mit Phoebes Haaren wuchs dann aber auch die Liebe zu ihr wieder. Nicht weniger geschockt als bei Phoebes Veränderung dürften die meisten gewesen sein, als Paige plötzlich ohne Vorwarnung rothaarig war—in meinem Kopf mussten Halliwells brünett sein, um Halliwells zu sein. Und nachdem Prue sowieso schon tot war, gab es mit Piper das letzte große Stück Beständigkeit im Trio. Die frühe Pony-Piper erinnert mich heute ein bisschen an Abbi aus Broad City, später wirkte sie dann irgendwie dauerschwanger oder im weitesten Sinn mütterlich, was ich als recht angenehme Eigenschaft empfinde. Ich mochte Piper.

Kräfte

Nicht zuletzt auch deshalb, weil Piper einfach von Vornherein die besten Fähigkeiten von allen Dreien hatte. Wer würde nicht gerne wild mit den Händen fuchteln und damit die Zeit anhalten können? Ungefähr so, als würde ihr jemand einen Handball zuwerfen, sie schafft es aber einfach nicht, ihn zu fangen, weil sie viel zu tapsig dafür ist—und dabei sieht sie dann immer so aus, als würde sie gerade ein Stückchen Luft greifen wollen. So süß. Mit einer nicht unähnlichen Handbewegung konnte sie später auch noch alles Mögliche in die Luft sprengen, womit Piper endgültig alles gewonnen hatte.

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Prue hatte da schon etwas weniger Glück. Ihre Macht war Telekinese, was sich zuerst noch ziemlich vorteilhaft anhört, allerdings konnte sie die nur anwenden, indem sie ihre Augen auf eine Weise zusammenkniff, die mich als junger, besorgter Zuseher des Öfteren im Glauben ließ, die Frau im Fernsehen hätte da gerade einen Schlaganfall. Alternativ ging später auch ein Zeigefinger-Move. Paiges magische Fähigkeit war prinzipiell die gleiche, nur mit mehr fancy Effekten aus dem Windows Movie Maker („Beamen").

Phoebe hingegen war, wenn man so drüber nachdenkt, immer so ein bisschen die benachteiligte Schwester, weil sie nicht nur von Anfang an als Problemkind behandelt wurde, sondern auch immer die einzige war, deren Kräfte im Kampf gegen Dämonen einfach zu nichts zu gebrauchen waren. Eine Vision hilft eben nicht wirklich, wenn dich gerade irgendein Viech zerfetzen will. „Da steht ein grausliges Monstrum in der Küche und will alle töten! Piper, halt die Zeit an, jag irgendeinen Scheiß in die Luft! Prue, hau ihm alle Möbel gegen den Schädel mit deiner coolen Telekinese! Und Phoebe … Phoebe, schau einfach in die Zukunft."

So gesehen war sie also irgendwie, naja, magisch gehandicapt und sogar sie selbst war anfangs eher enttäuscht über ihre Passivität, doch auch ihr sollten irgendwann zusätzliche Fähigkeiten verliehen werden: Die Kraft des Schwebens, die ihr im Kampf gegen das Böse dabei half, einfach auszuweichen. Und als wäre dem nicht genug, erlangte Phoebe schlussendlich auch noch die größte existierende Macht in der Welt Magie: Mitgefühl. Nein, Phoebe hatte es echt nicht leicht, aber deshalb war sie ja auch immer die Beliebte.

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Was bleibt

Wenn mich Charmed auch nur eine Sache gelehrt hat, dann die Tatsache, dass Geri Halliwell keine Hexe, aber auf jeden Fall ein Spice Girl ist. Außerdem werden die OCD-Freaks unter uns, die beim Zebrastreifen-Überqueren auch immer das Weiße nehmen, auf ewig ein Problem damit haben, dass Piper ihre Söhne Wyatt und Chris genannt hat und nicht Paul, Peter, Philipp, Porter oder Pablo, noch nicht mal Pascal. Das ist einfach nicht richtig.

Das wahre Erbe von Charmed ist höchstwahrscheinlich diese Obsession mit Fantasy, die später in Dingen wie Twilight ihren traurigen Höhepunkt gefunden hat und bis heute still in uns weiterlebt. Vielleicht gibt es ja im Buch der Schatten irgendwo ein Rezept für ein Kräutergemisch, das CBS davon abhält, einen Reboot ohne Originalbesetzung zu machen—gebt uns diesen Film, wir verdienen ihn. Und wenn nicht für uns, dann wenigstens für Alyssa Milano.

Schwelgt mit Franz auf Twitter: @FranzLicht