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Hochzeit

Virale Heiratsanträge zu planen ist ein echter Job

Wenn es nicht mehr reicht, einfach vor dem anderen auf die Knie zu gehen, können dir Antragsplaner dabei helfen, einen Ferrari-Schnellboot-Helikopter-Antrag zu organisieren.
Photo courtesy of Buy the Cow

Bevor das Internet unser Leben verkompliziert hat, war es ganz einfach, um die Hand von jemandem anzuhalten: Man geht in ein schickes Restaurant, bestellt eine Flasche Champagner, damit der andere schon mal weiß, was los ist und das passende Gesicht aufsetzen kann, lässt die Bombe dann irgendwann nach dem Hauptgang platzen (aber noch bevor der Kellner mit einem Schokoladenfondue angefahren kommt), geht nach Hause und hat langweiligen romantischen Sex.

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Heutzutage hat ein Antrag keinerlei Bedeutung mehr, wenn er nicht eine Art performativen Charakter besitzt. „HEY BABY", hört man Bruno Mars immer und immer wieder im Hintergrund von zahllosen Flashmob-Videos auf Youtube säuseln. „I THINK I WANT TO MARRY YOU." Ab und an werden die Anträge aber auch hochinteressant: Katzen in Kellnerkostümen, Katzen als Ringträger, ein Herz aus 99 niegelnagelneuen iPhones oder ein Kran, der durch das Dach des Nachbarhauses kracht, obwohl man der Liebsten damit doch eigentlich nur ein Ständchen bringen wollte.

Schämt ihr euch jetzt wegen eurem Standardantrag? Ja? Müsst ihr nicht. Tatsächlich stecken hinter vielen dieser viral gehenden Superanträge nämlich Menschen, die sich hauptberuflich mit möglichst spektakulären Liebesbekundungen beschäftigen und die Organisation eines maßgeschneiderten Antrags bis ins Detail übernehmen—von den Tanzproben für den Flashmob bis hin zur Probe mit der Musical-Besetzung von West End, die deinen zukünftigen Lebenspartner auf der Bühne besingen sollen.

Um diesen Industriezweig besser verstehen zu lernen, habe ich mich mit drei Unternehmen in Verbindung gesetzt, die anbieten, deinen Antrag für dich zu planen: Yes Girls aus den USA, The Proposers aus Großbritannien und eine australische Firma mit dem interessanten Namen Buy the Cow (eine Anspielung auf die englische Redewendung: Warum die ganze Kuh kaufen, wenn es die Milch umsonst gibt?). Ich wollte herausfinden wie viele Kerzen und Rosenblätter man für das Romantikpaket für umgerechnet rund 1.700 Euro bekommt. Was aber noch viel wichtiger ist: Bekommt man sein Geld zurück, wenn der andere Nein sagt?

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Der Markt der Antragsplaner steckt noch in den Kinderschuhen. Jedes Unternehmen, mit dem ich gesprochen habe, wurde erst in den letzten sieben Jahren gegründet. Yes Girls (ein etablierter Player auf dem US-Markt) ist das Älteste von ihnen und wurde 2008 ins Leben gerufen.

Das heißt aber nicht, dass das Geschäft nicht lukrativ ist. Elie Pitts, 25, von Yes Girls hat mir erzählt, dass sie zwischen acht bis zehn Heiratsanträge im Monat organisieren, wobei die Durchschnittskosten für jeden Antrag um die 4.000 Euro betragen. Daisy Amodio, 33, von den Proposers verlangt im Schnitt rund 2.300 Euro pro Antrag und organisiert monatlich ungefähr 12 davon. In Australien ist die Industrie noch nicht so etabliert wie in den Staaten und Claire Whelpton, 40, von Buy the Cow hat zwei bis drei Anträge die Woche von denen jeder durchschnittlich rund 675 Euro kostet. Wer sich das nicht leisten kann, dem bieten die Unternehmen auch sogenannte „Briefkasten-Pakete" an. Das heißt, man bekommt eine Paket mit Ideen zugeschickt, die einem helfen sollen, den Antrag zu Hause zu planen. Normalerweise gibt es das schon für umgerechnet rund 250 Euro.

Mehr lesen: Heiratsanträge sind immer noch Männersache – warum eigentlich?

Alle Unternehmen waren ziemlich ambitioniert, was ihre zukünftigen Wachstumsaussichten angeht. Yes Girls hat vier Büros—zwei in Kalifornien, eines in Dallas und eines in New York—und musste bereits eine Obergrenze für die Zahl der Anträge, die sie pro Monat machen, festlegen (nicht mehr als zehn), um nach wie vor ihre Standards zu erfüllen. Die Proposers sowie Buy the Cow haben mir erzählt, dass sie vor Kurzem mehr Leute eingestellt haben, damit sie mit der Nachfrage Schritt halten können.

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Doch wer bezahlt diese Unternehmen dafür, dass sie ihre Anträge organisieren? Nun, grundsätzlich wohlhabende, heterosexuelle Männer. Pitts schätzt, dass gleichgeschlechtliche Paare nur rund fünf Prozent ihrer Kundschaft ausmachen, obwohl die Zahl laufend zunimmt. Meistens sind es aber „Männer, die viel reisen und keine Zeit haben, sich um all die Details zu kümmern und Ärzte in Führungspositionen, die mit dem Kopf ständig bei der Arbeit sind." 2016 ist aber ein Schaltjahr. Das heißt, dass der Tradition nach auch Frauen die Chance bekommen, ihren Männern einen Antrag zu machen. „Wir hatten ungefähr acht Anfragen von Frauen, die ihrem Freund einen Antrag machen wollten und zwei von ihnen haben wir auch organisiert", sagt Amodio.

Das liegt aber nicht daran, dass es den Männern egal ist—sie wissen nur einfach nicht, was sie tun sollen.

Eine Frage brennt mir natürlich auf den Lippen: Hat schon mal jemand Nein gesagt? Jede Firma, mit der ich gesprochen habe, hatte eine Erfolgsrate von 100 Prozent, obwohl Pitts auch sagt, dass „wir schon ein paar Mal das Gefühl hatten, dass sie es nicht bis zum Traualtar geschafft haben, obwohl sie Ja gesagt hat." Ein Nein ist der professionelle Albtraum für jeden Antragsplaner. „Wir haben bisher 600 Anträge organisiert und jeder von ihnen hat Ja gesagt", sagt Amodio. „Ich fürchte mich dennoch vor dem Tag, an dem mal einer Nein sagt."

Wie bei jedem Unternehmen muss man darauf vorbereitet sein, wenn mal etwas schiefläuft. Whelpton von Buy the Cow befragt ihre Kunden deshalb, bevor sie ihren Antrag plant. „Ich frage meine Kunden immer, ob sie das Thema Ehe schon mal mit ihrem Partner besprochen haben", sagt sie. „Ich muss sicher sein, dass sie zuversichtlich sind, dass der andere Ja sagen wird. Wenn sie sich zu 90 Prozent sicher sind, dann reicht mir das. Ich würde aber alles ein wenig anders organisieren, wenn sie sich nicht ganz sicher wären [dass der Partner Ja sagen wird]. Ich würde es zum Beispiel nicht öffentlich machen oder nichts planen, was die Situation im schlimmsten Fall noch unangenehmer für sie macht."

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Die Antragsplaner haben mir zwar von ganz unterschiedlichen Aufträgen erzählt—dass sie ein komplettes Baseball-Stadium gemietet haben oder dass sie eine Szene aus dem Disneyfilm Rapunzel auf einer Militärbasis nachgestellt haben, inklusive Boot und einer speziell angefertigten Lichtinszenierung—, doch es gibt bei vielen Anträgen auch bestimmte wiederkehrende Motive. Wenn ich dieses Motiv beschreiben müsste, würde ich es mit der Szene aus Pretty Woman vergleichen, wo Julia Roberts reicher Klient (sie ist eine Prostituierte) sie auf eine Shoppingtour auf den Rodeo Drive mitnimmt (aber ohne die arroganten Verkäufer). Whelpton hat mir erzählt, dass sie mal „bei einem Antrag die gute Fee gespielt [hat]."

„Ich habe diese Frau zu all ihren Terminen gefahren, habe ihre Haare und ihr Make-up machen lassen, habe ihr neue Klamotten und Schuhe gekauft, all solche Sachen", sagt Whelpton.

Was man von der Pretty Woman-Atmosphäre hält, ist wohl Typ-abhängig. Wenn man zum Beispiel das ganze „einen Tag lang Prinzessin"-Gehabe unangenehm und, wenn ich so sagen darf, rückschrittlich findet, dann werden einem sicherlich gewisse Aspekte an der Antragsplanung nicht gefallen.

Alle anderen dürften die folgende Geschichte lieben.

Amodio hat mir von einem echt filmreifen Antrag erzählt, den sie vor zwei Jahren organisiert hat und der umgerechnet rund 58.000 Euro gekostet hat. „Er hat diese großartige Penthouse-Wohnung gemietet und am Abend zuvor haben sie sich Tatsächlich Liebe angesehen. Es ist ihr Lieblingsfilm und da gab es diese eine Szene, die er nachstellen wollte. Er wollte sie wie eine Prinzessin behandeln—als wäre sie einen Tag lang berühmt. Also sind wir am nächsten Morgen mit all diesen Designerkleidern und einem Hair- und Make-up-Artist angerollt. Sie fand das super und als sie dann fertig war, kam sie raus, wo schon ein Ferrari auf sie gewartet hat, der sie zu einem Schnellboot gefahren hat. Das war aber nicht nur irgendein Schnellboot, sondern das von James Bond [also das, das sie auch im Film benutzt haben]. Das ganze Boot war gefüllt mit Macarons, ihrer Lieblingsnachspeise.

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„Das Schnellboot hat sie dann zu einem Helikopter gebracht, der mit ihr einen privaten Rundflug über London gemacht hat, bevor sie schließlich in einer verlassenen Kirche draußen auf dem Land gelandet sind. Dort hat er schon auf sie gewartet und die gesamte Szene aus Tatsächlich Liebe, wo sie in der Kirche sind, nachgestellt. Der Chor hat sich versteckt und stand dann plötzlich auf und hat ‚All you need ist love' gesungen. In dem Moment hat er um ihre Hand angehalten."

Der Antrag im Stil von „Tatsächlich Liebe", der von den Proposers organisiert wurde. Foto: Proposers

Wenn das auch deinen Vorstellungen entspricht, du aber nicht weißt, wie du deiner besseren Hälfte verklickern sollst, dass du dir einen Ferrari-Schnellboot-Helikopter-Antrag wünscht, ohne all diese Transportarten explizit zu benennen, dann gibt es auch dafür eine Lösung. Viele Verlobungsplanerwebseiten bieten eine Funktion an, über die man schon mal gewisse Andeutungen machen kann—das heißt, man füllt ein Formular aus und das Unternehmen schreibt deinem Liebsten dann eine E-Mail, in der sie ihn dazu ermutigt, dir einen Antrag zu machen und gleichzeitig auch noch ihre Dienste anbietet.

In einigen Fällen haben Frauen diese Funktion genutzt, wenn sie ihren Partner dazu ermutigen wollten, erneut um ihre Hand anzuhalten, erklärt Whelpton. „Ich hatte schon Kunden, die Nein gesagt haben. Frauen, die den Ring zurückgegeben haben und meinten: ‚Mach es richtig.' Deswegen haben sie sich an mich gewandt und ich habe einen neuen Antrag für sie arrangiert, weil sie mit dem Ersten nicht glücklich waren. Das liegt aber nicht daran, dass es den Männern egal ist—sie wissen nur einfach nicht, was sie tun sollen."

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Ich habe mich gefragt, ob es nicht unromantisch ist, den Antrag an ein gewinnorientiertes Unternehmen outzusourcen. Whelpton sieht das nicht so. „Viele Leute denken, Männer wären nicht romantisch, aber eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Viele Männer, die zu mir kommen, sind sehr romantisch und wollen ihre Liebsten verwöhnen, halten es aber geheim." Gleichzeitig erzählt mir Pitts, dass es „für viele Kunden die zweite Hochzeit ist und viele sagen, dass sie es dieses Mal richtig machen wollen."

Ein weiteres glückliches Paar. Foto: Buy the Cow

Es ist einfach, die Industrie mit einem gewissen Zynismus zu betrachten, aber die Frauen, die die Unternehmen leiten, sind zweifelsohne leidenschaftlich bei der Sache. Ich frage mich aber auch, ob man nicht irgendwie zynisch gegenüber Liebe und Romantik wird, wenn man tagtäglich Anträge plant. Gibt es nicht auch Tage, an denen der Anblick von Hotelzimmern voller Rosenblätter in einem den Wunsch hervorruft, sich mit Scheidungsstatistiken zu beschäftigen und nur noch Naomi Wolf zu lesen?

Ganz und gar nicht, meint Pitts.

„Romantik macht mich überhaupt nicht zynisch. Ich werde niemals genug von dem Aspekt meiner Arbeit bekommen, bei dem es um die Liebe geht. Ich sehe mir gern das Gesicht der Frauen an, wenn ich mich im Gebüsch verstecke und Zeuge dieses magischen Moments werde. Ich glaube nicht, dass ich davon jemals genug bekommen werde."

Dass das Wachstum des Antragsplanergeschäfts direkt mit dem Wachstum der sozialen Medien zusammenhängt, ist kein Zufall. Die sozialen Medien sind für Verlobungsplaner wie der Käse auf den Makkaroni—nimmt man eines davon weg, bleibt nicht mehr viel übrig.

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Antragsplaner verlassen sich darauf, dass die sozialen Medien neue potenzielle Kunden generieren. „Ich mache kurze Filme über die Paare. Der Mann schickt mir all ihre Fotos, ich schreibe den Text dazu und dann stelle ich sie auf YouTube. Das weckt das Interesse bei den Leuten", sagt Whelpton. „Auf Facebook poste ich jeden Antrag, den ich organisiert habe [mit dem Einverständnis des Paares natürlich]. Das zeigt anderen potenziellen Kunden, was ich auf die Beine stellen kann."

Gleichzeitig nähren die sozialen Medien auch das schnelle Wachstum der Industrie. Wenn man nach „Flashmob Antrag" auf YouTube sucht, bekommt man eine Millionen Treffer. Nachdem man sich ein paar dieser Videos angeschaut hat, muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob dein Verlobter dich wirklich liebt, weil er die Frage nur in einem schicken Restaurant gestellt hat.

Ich sehe mir gern das Gesicht der Frauen an, wenn ich mich im Gebüsch verstecke und Zeuge dieses magischen Moments werde.

Das führt dazu, dass auf den Männer wie auch auf den Frauen ein enormer sozialer Druck lastet, der von ihnen verlangt, dass der Antrag mindestens Instagram-Potenzial besitzen muss. Pitts betont, dass sich viele Männer durch Blogs wie How He Asked oder Engagement 101 extrem unter Druck gesetzt fühlen. „Ich glaube, dass soziale Medien zu einem irren Wettbewerb geführt haben, bei dem es darum geht, wer den besten Antrag bekommen hat", sagt Pitts.

„Das ist hundertprozentig sozialer Druck", sagt auch Amodio. „Wenn einer deiner Freunde erstmal auf Facebook verkündet hat, dass er sich verlobt hat, tritt das meistens eine ganze Lawine an Verlobungen los. Das hängt aber auch vom Alter ab, dass sich alle Leute zur selben Zeit verloben. Soziale Medien geben Männern das Gefühl, dass sie ihrer Partnerin einen Antrag machen müssen. Frauen sehen auf Instagram die Bilder von den Ringen und dann wollen sie das auch."

Muss der Druck, den perfekten Antrag zu planen, zwangsläufig etwas Schlechtes sein? Whelpton sieht das etwas anders. „Es gibt auch guten Druck", sagt sie. „Der Antrag ist eine Gelegenheit, um dem Partner zu zeigen, was er dir bedeutet und auch wenn du es bei einem gemeinsamen Abendessen machst, ihr den Ring überreichst und sagst, was du zu sagen hast, dann ist das genauso gut. Ich denke aber, dass es auch etwas Besonderes sein sollte. Das ist einmaliger Moment im Leben."

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Trotzdem muss man sagen, dass die Antragsplanerindustrie von einem eindeutig kapitalistischen, erfolgsorientierten Wettbewerb untermauert wird. Es reicht nicht mehr, nur dünner und wohlhabender zu sein als dein Nachbar oder seine Hochzeit in den Schatten zu stellen—jetzt muss auch noch der Antrag besser sein.. Für frühere Generationen wäre es undenkbar, seine Beziehung öffentlich zur Schau zu stellen. Heutzutage ist Liebe aber keine Liebe mehr, wenn sie nicht strahlender, glänzender oder Instagram-tauglicher ist als die der anderen.

„Man sieht all die bekannten Leute mit ihren epischen Anträgen und Hochzeiten", sagt Amodio, „und so etwas wollen wir dann natürlich auch. Die Tage, an denen man einfach auf die Knie gegangen ist, sind vorbei—was aber auch ein bisschen Schade ist. Es sind aber nicht nur die Anträge, es geht dabei auch um die Technologie. Es ist einfach alles. Es geht immer darum, mit anderen zu wetteifern. Das ganze Leben ist ein Wettbewerb und wir wollen immer das Beste vom Besten."