Illustration: Eine Person sagt "Daddy", dargestellt als Sprechblase in der Form eines Vaters
Illustration by Brandon Bird

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Sex

Warum manche Frauen den Mann beim Sex „Daddy” nennen

Abgesehen von Freuds Theorie, dass wir alle nur mit unseren Eltern schlafen wollen, gibt es mehrere Gründe für den kontroversen Kosenamen. Für manche Frauen ist es sogar ein regelrechter Fetisch, wie ein Kind behandelt zu werden.

Kosenamen sind nichts außergewöhnliches unter Leuten, die miteinander schlafen. Ein Kosename wird jedoch immer wieder besonders kontrovers diskutiert: Daddy. Aber woher kommt das überhaupt? Und sollte man sich deswegen Sorgen machen?

„Ich habe schon von vielen Männern gehört, dass sie das ziemlich abtörnend finden und sich sogar Sorgen machen, dass das auf ein gestörtes Verhältnis zum Vater hindeuten könnte", sagt die Sexualtherapeutin Vanessa Marin. „Und ja, ‚Daddy' bezieht sich zwar zunächst auf den Vater, aber das Wort wird auch benutzt, um zu zeigen, dass jemand der Boss ist, der Beschützer—jemand, der das Sagen hat und einen guten Job macht. In dieser Bedeutung wird das Wort auch von Frauen im Schlafzimmer benutzt. Das ist so ein altes Pornoklischee aus den 70ern. Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die ihren Partner ‚Daddy' genannt hat, während sie eigentlich insgeheim an ihren Vater gedacht hat."

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Freud hat uns gesagt, dass wir eigentlich alle mit unseren Eltern schlafen wollen. Er hat sich auch die Theorie vom Penisneid ausgedacht—also die Annahme, dass alle Frauen von dem Wunsch nach einem gewaltigen Glied geplagt sind. Diese Theorie war war nur einer der Gründe, warum Freud von der modernen Psychologie auf die Ersatzbank verbannt wurde, trotzdem werden seine Vermutungen immer wieder gerne hervorgeholt, wenn es um Diskussionen zur menschlichen Psyche geht. So abseitig es auch sein mag. „Hmm, ich weiß nicht. Ich habe meinen Ex gern ‚Daddy' genannt, weil ich fand, dass es heiß klingt", schreibt eine Frau auf Reddit. „Ich habe keinen Vater und kann folglich auch kein gestörtes Verhältnis zu ihm haben."

Aber in einer Sache sind sich die meisten Leute auf Reddit einig: Es muss etwas damit zu tun haben, dass man sich einer männlichen Autoritätsfigur unterwirft. „Herr/Meister klingt einfach nicht so liebevoll, oder was meint ihr?", schreibt ein Nutzer. „Dass manche Frauen ihren Mann ‚Daddy' nennen wollen, hat nichts mit ihrem Vater zu tun hat. Das liegt daran, dass sie deutlich machen wollen, dass sie sich seiner Männlichkeit unterwerfen", meint ein anderer. Es gibt jedoch noch eine extremere Ausformung dieser Vorliebe. Daddy Dom/little girl oder kurz DDlg ist ein Fetisch bei dem sich Männer, um ihre „Kleinen" kümmern, sie mit Spielzeugen versorgen und ihnen Disziplin beibringen. Im Gegenzug sind die Kleinen in der Beziehung immer fröhlich und unschuldig. Auf Tumblr floriert die DDlg-Community. Es gibt verschiedene Blogs für DDlg-Geheimnisse und -Persönlichkeiten sowie Blogs für Frauen, die sich selbst unter anderem so beschreiben: „Im Kopf 3 bis 6 Jahre alt, aber körperlich voll erwachsen."

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Mich persönlich widert das noch mehr an als die Vorstellung, dass jemand seinen Vater ficken möchte. Aber das liegt wahrscheinlich auch nur an meinem eigenen Fetisch, wie eine erwachsene Frau behandelt werden zu wollen. Gleichzeitig spielen aber auch grundsätzliche gesellschaftliche Probleme wie die Sexualisierung von Kindern und die kindliche Darstellung von erwachsenen Frauen mit in dieses Bild hinein. Was kann man also über unsere Gesellschaft sagen, wenn es zum Fetisch wird, sich dem Willen eines anderen hilflos zu unterwerfen?

Während meiner Recherchen für diesen Artikel, habe ich gemerkt, dass ich einfach zu voreingenommen gegenüber diesem Thema bin. Also habe ich das getan, was jeder Erwachsene tun würde, wenn er ernst genommen werden möchte: Ich habe mit meiner Mutter gesprochen.

Dr. Margaret Squires ist seit über 35 Jahren als Paartherapeutin tätig und arbeitet seit mehr als 30 Jahren mit Menschen, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden sind. Sie glaubt nicht, dass der Daddy-Talk irgendwas mit pädophilen Anwandlungen zu tun hat. „Ich denke, auch in einer gesunden Beziehung kann es sein, dass so etwas zur Sprache kommt. Es erinnert uns an eine der frühesten Formen der Verbundenheit." Sie sieht auch nicht zwangsläufig ein Problem in der Dynamik der DDlg-Community. „Manche Menschen suchen nach einer festen Ordnung in ihrer Beziehung—aus diesem Grund führen wir Beziehungen, um uns aufeinander verlassen zu können. Und nicht jeder fühlt sich in einer Beziehung wohl, in der beide Partner in jeder Hinsicht vollkommen gleichberechtigt sind."

Es besteht jedoch die Gefahr, dass solche Verhaltensmuster irgendwann starr und festgefahren werden: Meine Mutter nennt das „Verlust des Ichs". „[Menschen in solchen Beziehungen] stoßen jeden Persönlichkeitsanteil ab, der dem anderen nicht gefällt. Sie vergessen, dass sie selbst auch Rechte haben." Ihrer Meinung nach können sich aber auch die „Daddys" in derartigen Beziehungen verlieren, da sie versuchen, sich von ihrer kindlichen Seite loszulösen, die jedoch auch gepflegt werden muss. Dennoch „sieht man eher Frauen, die sich selbst in Beziehungen verlieren, da das von Frauen in unserer Gesellschaft so erwartet wird. Frauen werden von klein auf darauf trainiert, die Bedürfnisse anderer vor ihre eigenen zu stellen und sich selbst hintenanzustellen."

„Dein Großvater hat seine Frau immer Schnecke genannt", sagt meine Mutter weiter. „Man muss sich keine Sorgen darüber machen, wie sich Leute nennen. Viel wichtiger ist, dass wir unsere eigene Individualität akzeptieren und einen Partner finden, der uns unterstützt."