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Musik

Hanson verraten die Geschichte hinter „MMMBop”

Vor 20 Jahren wurden die drei Jungs von Hanson mit ihrem Megahit „MMMBop" über Nacht bekannt—ein geschichtsträchtiger Moment, der das Ende des Grunge und die Wiedergeburt der Popmusik markiert.
Foto: Wikimedia | Fair Use

All ihr gelangweilten Kids der Jahrtausendwende, folgt mir auf eine Reise zurück in das Jahr 1996—eine Zeit, als Leonardo DiCaprio unser Gott war, Jonathan Taylor Thomas unser Jesus und die Bravo unsere Bibel. Im selben Jahr nahm eine bis dato unbekannte Band namens Hanson eine Demoversion von „MMMBop" auf—ein Song, der schon bald die Radios und die Herzen der Teenies auf der ganzen Welt beherrschen und dem Grunge den Todesstoß verpassen sollte. „MMMBop" stellt die Brücke zwischen Alternative-Rock und purem Pop dar.

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Der Ohrwurm wurde zur Pophymne der späten 90er und der erfolgreichste Song des Albums Middle Of Nowhere. „MMMBop" war in 27 Ländern auf Platz 1 der Charts, wurde für drei Grammys nominiert und verhalf der Band mit weltweit über 16 Millionen verkauften Platten zu ungeahntem Erfolg. Hanson wird oft leichtfertig als plakativer Bullshit für präpubertäre Kids abgetan, doch eigentlich liegen die Wurzeln ihres Albums in der Alternative-Rock-Szene im Los Angeles der 90er-Jahre.

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Produziert wurde Middle Of Nowhere von den Dust Brothers, die auch Paul's Boutique von den Beastie Boys und Odelay von Beck produziert haben. Tamra Davis, die bei Videos der Beastie Boys (sie ist mit Mike D verheiratet), der Lemonsheads, Veruca Salt und Sonic Yoth Regie geführt hat, leitete auch den Dreh des Musikvideos zu „MMMBop". Der Komponist David Campbell, der bereits für Beck (sein Sohn), Green Day, Hole und Alanis Morissette gearbeitet hat, hat sich um das Arrangement des Albums gekümmert.

Die Geschichte von „MMMBop", den drei Hanson-Brüdern und all jenen, die ihnen zu ihrem unglaublichen Erfolg verholfen haben, beginnt allerdings viel früher.

Drei Kinder, eine Garage und ein Traum

Taylor Hanson: Wir sind in Tusla, Oklahoma, mit Musik groß geworden. Wir standen auf Rock'n'Roll und R'n'B und der Funke ist ziemlich schnell übergesprungen. Zac war noch ziemlich jung, als wir angefangen haben, Musik zu machen.

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Isaac Hanson: Du warst vier, Zac!

Zac Hanson: Als ich vier war, fand ich es eigentlich gar nicht so interessant, Musik zu machen. [lacht]

Taylor: Unseren ersten offiziellen Auftritt hatten wir 1992. Wir standen da in unseren Lederjacken und haben Songs aus den 50ern von Chuck Berry, Little Richard und Bobby Day gecovert—wir sahen aus wie 50er-Jahre-Rocker.

Christoper Sabec [der erste Manager von Hanson]: Ich war auf dem SxSW-Festival [als ich Hanson entdeckt habe]. Die Jungs wuchsen damit auf, vor vielen Leuten aufzutreten. Taylor hat gefragt, ob sie etwas für mich spielen konnten und ich meinte nur: „Klar." Sie haben mir „MMMBop" a capella vorgesungen. Als ich sie singen hörte, wurde mir sofort klar, dass sie ein Riesenpotenzial hatten. Ich hab sie davon überzeugt, einen Management-Vertrag zu unterschreiben.

Taylor: In den fünf Jahren [bevor wir berühmt wurden], haben wir selbst ein paar Platten aufgenommen. Unsere zweite, selbstständig aufgenommene Platte hieß „MMMBop"—benannt nach dem Song. [Die originale Indieversion von „MMMBop"] klang noch ganz anders als die Version, die wir 1996 rausgebracht haben.

Hanson - MMMBop from allen on Vimeo.

Sabec: [Wir nutzten] die Indieplatte und haben sie an mindestens 14 verschiedene Plattenlabels geschickt.

Taylor: Jeder in der Musikindustrie hat uns eine Absage erteilt. Aber wir blieben hartnäckig.

Ein kaum besuchter Auftritt mit einer überraschenden Wendung

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Steve Greenberg [zu dieser Zeit A&R von Mercury Records]: Als ich [das Demo von „MMMBop" bekommen habe], ist es bereits von zwölf anderen Labels abgelehnt worden. Ich fand den Song wirklich toll. Aber es ist oft so, dass man Demos von sehr jungen Leuten bekommt und irgendetwas daran faul ist. Ich dachte mir: „OK, das ist ziemlich gut, aber ist das auch wirklich echt?" Also beschloss ich, sie mir im April 1996 persönlich anzusehen. Ich fuhr nach Kansas, wo sie beim Coffeyville New Beginnings Festival auftraten. Es waren nur ziemlich wenig Leute dort.

Taylor: Steve Greenberg kam zu unserem Auftritt in Coffeyville. Wir versuchten schon seit Jahren, eine Plattenfirma dazu zu bringen, zu einem unserer Auftritte zu kommen, aber sie haben immer abgelehnt. Und dann kommen sie aufgerechnet zu diesem kleinen Auftritt, von dem du hoffst, dass ihn keiner sieht.

Greenberg: Das Festival war nicht besonders gut besucht, aber sie waren wirklich ziemlich gut. Ich ging Backstage und traf sie dort. Ich sagte ihnen, wie gut mir ihre Musik gefiel und dass ich hoffte, dass sie etwas zusammen [mit Mercury Records] machen könnten. Eigentlich bin ich schon auf der Suche nach Musikern wie Hanson gewesen, bevor ich überhaupt wusste, dass es Hanson gibt. 1996 endete die Ära des Grunge. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Welt von düsterem Alternative-Rock beherrscht. Aber ich hatte eigentlich den Eindruck, dass die Kids gar nicht so pessimistisch waren.

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Danny Goldberg [damals CEO bei Mercury Records]: Steve Greenberg hat mich auf die Jungs aufmerksam gemacht. Als ich Präsident von Mercury Records wurde, habe ich Steve zum Chef von A&R gemacht. Er spielte mir das Demo von „MMMBop" vor und ich habe keinen Moment gezögert. Eine gutaussehende junge Band, mit diesem Song—es machte einfach Sinn. Wir sind schnell ins Geschäft gekommen.

Taylor: Ganz überraschend wurde aus diesem planlosen Konzert ein Angebot von Mercury Records. Wir mussten schnell umschalten: Im einen Moment hatten wir noch versucht, unsere lokale Fangemeinde zu vergrößern, und plötzlich waren wir auf dem Weg nach Kalifornien, um ein professionelles Album aufzunehmen.

Indie-Street-Credibility von den alten Hasen des Alternative-Rocks

Steve Greenberg [Executive Producer von Middle of Nowhere]: Es hat ungefähr sechs Monate gedauert, bis das Album fertig war. Damals ging gerade eine Alternative-Rock-Phase zuende und alles drehte sich um Glaubwürdigkeit. Die Leute waren ziemlich skeptisch, ob wir mit einem Popalbum Erfolg haben würden. Irgendwann brachte einer aus der Plattenfirma eine Kassette mit der Vorabversion des Albums von Beck, Odelay, mit—ein paar Monate, bevor das Album rauskam. Ich habe mir das Album angehört und daraufhin versucht, die Dust Brothers [die Produzenten von Odelay] auch für Hanson zu gewinnen. Im Juni 1996 machten sich [die Jungs von Hanson] dann auf den Weg nach Kalifornien, um ihr Equipment im Haus der Dust Brothers in Silver Lake aufzubauen. Die Zusammenarbeit mit den Dust Brothers hat uns Glaubwürdigkeit in der alternativen Szene verschafft.

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Taylor: Ich denke, eine der größten Veränderungen für uns war es zu lernen, dass wir einige Dinge loslassen mussten. Wir waren zwar noch Kinder, aber [zuvor] hatten wir all unsere Musik selbst produziert. Wir müssen den anderen jedoch zugute halten, dass [die neue Version von] „MMMBop" erst aus einem Gespräch mit den Dust Brothers über die Jackson Five entstanden ist. Sie sind mit der Musik der Jackson Five groß geworden.

Isaac: Wir sind auch mit den Jackson Five groß geworden!

Taylor: Der größte Unterschied [zum Demo von „MMMBop"] ist, dass wir ursprünglich ein melancholisches mittleres Tempo gewählt haben. Später wurde es dann ein echter Upbeat-Song, weil wir einen ähnlichen Rhythmus genommen haben wie die Jackson Five.

Steve Greenberg: Der Gesang von „MMMBop" wurde in Zusammenarbeit mit einem Gesangslehrer namens Roger Love aufgenommen. Er war etwas wacklig, weil Taylor im Stimmbruch war. Auf der großartigen Demoversion von „MMMBop" haben sie in einer ziemlich spannenden Tonart gesungen. Diese Tonart wollte ich unbedingt beibehalten, doch nachdem sich Taylors Stimme veränderte, gestaltete sich das ziemlich schwierig. Wir haben Roger Love engagiert, um ihn beim Gesang zu unterstützen. Da gab es diesen wirklich hohen Ton und wir haben wieder und immer wieder versucht und kurz vor Ende des Projekts haben wir es dann endlich hinbekommen.

Danny Goldberg: Steve und ich wollten dem Popalbum einen hippen Anstrich verpassen. Ich war der Meinung, dass wir dafür genau die richtigen Leute ausgewählt hatten. Sie sollten nicht wie die Nine Inch Nails sein oder zu hip.

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Das Musikvideo zu MMMBop: Nur Idioten fahren Rollerblades

Danny Goldberg: MTV war damals noch ein ganz großes Ding, um einer Platte zum Durchbruch zu verhelfen. MTV war damals am Höhepunkt seiner einflussreichsten Zeiten. Als ich Sonic Youth gemanaged habe, habe ich bereits mit [der Musikvideoregisseurin] Tamra Davis zusammengearbeitet und sie hat ein großartiges Video [für Sonic Youth] gemacht. Also habe ich Tamra gefragt, ob sie auch das Video zu „MMMBop" machen möchte.

Tamra Davis [Regisseurin des „MMMBop"-Videos]: Danny [Goldberg] hat mir den Track von „MMMBop" geschickt und drei Passfotos von den Jungs. Ich habe Taylor gesehen und mir gedacht: „Oh mein Gott, wenn ich ein 13-jähriges Mädchen wäre, wäre ich total verknallt in diesen Jungen." Und der Song war ziemlich niedlich und catchy. Ich hatte bereits viele andere Musikvideos für Produktionen der Dust Brothers gemacht, also sagte ich: „Ja, lasst mich Hanson treffen."

Taylor: Tamra Davis hatte Verbindungen in die LA-Indieszene. Wir hatten eine ganz genaue Vorstellung davon, wie das Video sein sollte, aber wir haben uns mit Tamra zusammengesetzt und fanden, dass ihre Ideen sehr viel natürlicher wirkten. Und so wurde das Video eine Fusion aus unseren Ideen und ihren.

Tamra Davis: Wir haben zwei Tage lang gedreht. Wir haben immer versucht, spontan zu sein. Wir hatten zwar ein genaues Konzept, aber viele Szenen entstanden auch dadurch, dass einer der Jungs sagte: „Ich will aus der Mülltonne dort springen" oder „Lasst uns über die Felsen rennen und durch die Höhle laufen." All diese Dinge kommen aus der Fantasie von Kindern. [Die Szene mit den Rollerblades] war total spontan. Sie meinten: „Wir fahren gerne Rollerblades!" Damals war ich viel zu cool und meinte nur: „Rollerblades? Nur Idioten fahren Rollerblades." Dann sagte ich: „Na gut, na gut, lasst uns eine Szene mit den Rollerblades reinbringen." Schließlich geht es darum, die Leute dazu zu ermutigen, sie selbst zu sein. Es hat ihnen einfach Riesenspaß gemacht und gut funktioniert.

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Taylor: Das Studio [der Dust Brothers] befand sich damals in einem Haus in Silver Lake. Dort gab es dieses riesige Wohnzimmer mit Blick auf den Pool, wo wir [beim Videodreh] das Schlagzeug aufgebaut haben. Die Szene wurde genau an dem Ort gedreht, an dem wir zuvor [mit den Dust Brothers] saßen und mit ihnen gesprochen haben, um den Song zu schreiben.

Isaac: Und am selben Ort, an dem wir den Song aufgenommen haben!

Danny Goldberg: Als wir fertig waren, ging das Video in die Dauerrotation bei MTV.

Steve Greenberg: MTV hat eine wichtige Rolle für den Erfolg von Hanson gespielt. Tamra Davis hat ein großartiges Video gemacht und war eine angesehene Regisseurin. Bei all unseren Entscheidungen, haben wir immer darauf geachtet, glaubwürdig zu sein—im Gegensatz zu den klassischen Popsongs. Sonst hätte die Jungs von Hanson niemand ernst genommen—so dagegen hat man sie sehr wohl ernst genommen.

Tamra Davis: Was ich an den Hanson-Kindern geliebt habe, war, dass sich die ganze Familie sehr nahe stand. Nach dem Videodreh sagten [ihre Eltern], dass sie einen Bericht über ihre Erfahrungen beim Dreh des Musikvideos schreiben sollten. Als Teil ihres Hausunterrichts sollten sie eine Arbeit darüber schreiben.

Der Ruf einer optimistischen Jugend geht um die Welt

Taylor: Wir hatten unseren ersten Auftritt, um unser Album zu promoten [und] wir rechneten damit, dass nur wir und ein paar hundert Fans da sein würden …

Isaac: … in einem Plattenladen.

Steve Greenberg: Z100 hat ein Event in der Paramus Park Mall in New Jersey veranstaltet und Hanson sollte ihre Single [„MMMBop"] in einem Plattenladen in der Mall verkaufen. Wir kamen an, doch die Mall ist bereits geschlossen worden, weil 10.000 Mädchen aufgetaucht waren. Es war verrückt. Da waren tausende schreiende Mädchen in dieser Mall. Ich habe Danny Goldberg mit meinem Handy angerufen und er meinte nur: „Woher kommt dieses hohe Kreischen im Hintergrund?" Und ich sagte: „Das sind die Fans." Er konnte es nicht glauben. Danny hatte Nirvana am Höhepunkt ihrer Karriere gemanagt und sagte: „Ich habe bereits viele große Stars gemanagt, aber so etwas habe ich noch nie gehört." Ab diesem Zeitpunkt wussten wir es einfach.

Taylor: Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir an diesem Tag in unserem Van saßen, umgeben von dem Blaulicht der Polizeieskorte und den Massen von Fans, die um unseren Wagen herum standen. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war nicht: „Oh mein Gott, wir werden berühmt sein", sondern: „Das ist unfassbar …" Wir haben es immer sehr zu schätzen gewusst, dass wir die Chance bekommen haben, Musik zu machen.

Isaac: Wir waren so aufgeregt, dass wir uns in der gleichen Situation wiederfanden wie Michael Jackson, als er ein Kind bei den Jackson Five war. Wir dachten uns, dass wir vielleicht—aber auch nur vielleicht—wie die Jackson Five sein konnten.


Titelbild: Wikimedia | Fair use