Wie es ist, als schwarzes Kind mit dem Glauben aufzuwachsen, weiß zu sein
Die Autorin mit ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder. Alle Fotos: Georgina Lawton

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Wie es ist, als schwarzes Kind mit dem Glauben aufzuwachsen, weiß zu sein

Jahrelang erzählten mir meine Eltern, dass meine Haut einfach nur ein bisschen dunkler sei als die, der anderen Kinder. Dann veränderte ein DNA-Test mein Leben für immer.

Es gibt eine besondere Form der Einsamkeit und der Entfremdung, die nur Menschen kennen, die innerhalb ihrer eigenen Gemeinde wie ethnische Außenseiter behandelt wurden.

Ich spreche von dem bitteren Nachgeschmack, den der einwanderungskritische Kommentar eines Freundes hinterlässt; dem Kloß, den ich in meinem Hals spüre, wenn ich mich mit meinem Mitbewohner über eine rassistischen Bemerkung streite; und die dunkle Wolke der Verunsicherung und der Wut, die mich zu verschlingen droht, wenn meine eigene Mutter sagt, dass sie meine "Hautfarbe nicht sehen kann". Es ist schwer, die Frustration, Einsamkeit und Wut in Worte zu fassen. Und nachdem ich erst vor Kurzem herausgefunden habe, dass ich die einzige Schwarze in meiner weißen Familie bin, fange ich gerade erst an, über all das mit den Menschen zu sprechen, die mir eigentlich am nächsten stehen.

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Ich wuchs in einem Londoner Vorort auf – ein schwarzes Mädchen in einem durch und durch weißen Kosmos. Meine englisch-irischen Eltern haben mir nie erzählt, warum ich nicht aussehe wie sie. Stattdessen sagten sie immer nur, dass ich ein dunkelhäutiges Wunderkind sei, das das Melanin und die ethnischen Merkmale unserer frühen Vorfahren geerbt hätte. Auch mein Bruder und ich haben uns nie über unsere Unterschiede unterhalten: Er ist blass, hat blaue Augen und bekommt Sommersprossen, sobald er in die Sonne geht. Ich hingegen habe dunkle Haut, krause Locken und bin körperlich nicht in der Lage, rot zu werden.

"Deine Mutter und der Postbote verheimlichen dir wohl was!"

Als Kind habe ich mein nicht-weißes Spiegelbild oft angestarrt, konnte die Vorstellung, schwarz zu sein, aber nicht verinnerlichen. Mir fehlte das kulturelle Wissen über bestimmte Speisen, Frisuren und geschichtliche Ereignisse. Ich konnte nicht stolz auf meine wahre Identität sein, also glaubte ich meinen Eltern, wenn sie mir erklärten, dass ich genauso anglo-irisch sei wie sie. Immerhin war ich ja auch ihr Kind.

Je älter und weniger naiv ich wurde, umso öfter zeigten sich jedoch Risse in der Geschichte, die mir meine Eltern erzählten. Von Fremden hörte ich immer wieder, dass es ganz offensichtlich sei, dass ich adoptiert wäre. Kinder, die ich im Urlaub kennenlernte, fragten mich immer wieder, ob man mich bei der Geburt vertauscht hätte. Oder glaubten, dass ich sie anlügen würde. Die Jungs in meiner Schule johlten immer wieder: "Deine Mutter und der Postbote verheimlichen dir wohl was!"

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Mit 14 Jahren begann ich, an den Worten meiner Eltern zu zweifeln. Allerdings konnte ich erst nach dem Tod meines Vaters vor zwei Jahren anfangen, nach Antworten zu suchen. Noch während ich um ihn trauerte, machte ich einen DNA-Test und stellte fest, was ich eigentlich schon länger vermutet hatte, aber nie wirklich wahrhaben wollte: Mein Vater war nicht mein Vater, zumindest nicht im biologischen Sinne.

Meine Mutter stritt anfangs alles ab und beharrte darauf, dass es eine Verwechslung gegeben haben muss. Wir haben uns immer wieder gestritten. Ich habe sie regelmäßig angeschrien, nur um endlich Antworten zu bekommen. Schließlich gestand sie mir, dass ich das Ergebnis eines One-Night-Stands sei.

Mein Vater hat nicht einmal erwähnt, dass wir uns nicht ähnlich sehen.

Meine Mutter versuchte, alle Vorwürfe von sich zu weisen und beharrte darauf, dass sie all ihre Entscheidungen nach besten Wissen und Gewissen getroffen hätte. "Dein Vater und ich haben dir alles gegeben, was du brauchst", sagt sie immer wieder und sie hatte Recht. Wir waren nicht reich, fuhren aber trotzdem zweimal im Jahr in den Urlaub. Meine Eltern haben keine einzige Schulaufführung und keinen einzigen Elternabend verpasst. Sie waren natürlich nicht perfekt, aber sie haben mich und meinen Bruder bedingungslos geliebt. Außerdem hat mein Vater nicht einmal erwähnt, dass wir uns nicht ähnlich sahen.

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Daran erinnert, dass ich in meiner eigenen Familie wie eine Fremde aussah, haben mich andere. Immer wieder fiel das N-Wort und sie forderten von mir, "zurück nach Hause" zu gehen. Ich fühlte mich allein, aber keiner wusste, womit man mich trösten könnte. Mit 18 Jahren explodierte ich. Ich war mit Freunden in Spanien im Urlaub. Wir waren in einer Bar, als ein Betrunkener anfing, rassistische Witze – auch auf meine Kosten – zu machen. Als niemand etwas dagegen sagte, begriff ich: Ich bin allein. Ich rieb meine Kopfhaut mit Glättungscreme ein, kämpfte mit meinem Gewicht und begann, sofort in Verteidigungshaltung zu gehen, wenn jemand meine ethnische Herkunft infrage zu stellen drohte.

Die Autorin mit ihrem Vater. Alle Fotos: Georgina Lawton

Meine Mutter habe ich immer wieder gefragt: "Wie konntest du nicht sehen, dass es mir nicht gut ging? Warum hast du mir nicht zugehört, als mich ein Kind in der Schule 'Paki' nannte?" Ich kann mich noch daran erinnern, wie sie in solchen Momenten einfach aus dem Zimmer verschwand, das Thema wechselte oder sich einfach von mir wegdrehte. Das ist eine Sache, die ich ihr nicht so leicht vergeben konnte. Inzwischen bereut sie ihr Verhalten. Sie sagt, dass sie nicht wusste, wie sehr ich gelitten habe. Für diese Entschuldigung hat sie allerdings Monate gebracht. Ich musste ihr erst ein Ultimatum stellen. Dass sie mir meine wahre Herkunft verschwieg, machte mich fertig. Außerdem hatte ich all meine Ängste schon viel zu lange in mich hineingefressen.

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"Findest du Black Lives Matter nicht auch ein bisschen übertrieben?"

Dass ich in eine weiße Welt geboren wurde, auf eine katholische Schule in Surrey ging und nur von anderen wohlhabenden, weißen Familien umgeben war, hatte auch zur Folge, dass ich von vielen ethnischen Fragen ferngehalten wurde. Als Kind mochte ich meine weiße Schutzhülle – auch, wenn sie immer wieder von Witzen und Angriffen durchbrochen wurde. Ich bin immer nur mit weißen Jungs ausgegangen und kannte keine schwarzen Rollenvorbilder. Das hat sich mit der Zeit allerdings verändert: Inzwischen entdecke ich immer mehr, was es heißt, als Frau mit einer weißen Mutter und einem schwarzen Vater durch die Welt zu gehen. Allerdings stehe ich damit auch vor ganz neuen Schwierigkeiten mit den Menschen, die mir eigentlich am nächsten stehen.

"Findest du Black Lives Matter nicht auch ein bisschen übertrieben?", fragte mich mal eine Freundin.

"Niemand benutzt noch das N-Wort!", sagte eine andere vergangene Woche.

"Bist du sicher, dass du mit deinen Geschichten nicht ein wenig übertreibst?", fragte mich meine Mutter, als ich ihr vor Kurzem von all der seltsamen Scheiße erzählt habe, die ich lange Zeit über vor ihr geheim gehalten habe.

"Du bist trotzdem ziemlich weiß!", sagte mir ein Freund meiner Eltern.

Die Autorin heute.

Der DNA-Test hat mir den notwendigen Anstoß gegeben, um meine ethnische Herkunft zu erforschen und offener über Identitätsfragen und schwarze politische Bewegungen zu sprechen. Dass ich schwarz bin, wurde lange Zeit über ignoriert, weil es offenbar das Einfachste war. Inzwischen scheinen viele Menschen nicht mehr zu wissen, wie sie damit umgehen sollen, dass ich das Bedürfnis habe, meine ethnische Herkunft endlich bedingungslos anzuerkennen.

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Die Menschen in meinem Umfeld haben mich immer behandelt, als wäre ich weiß. Schon als Kind habe ich aufgehört zu zählen, wie oft ich versucht habe, grenzwertig rassistische Kommentare von Bekannten oder Freunden bewusst zu überhören. (Sie sahen mich entweder gar nicht an oder rundeten ihren Kommentar damit ab zu sagen: "Damit meine ich nicht dich. Du bist nicht schwarz!") Ich weiß nicht, ob sie jemals verstehen werden, warum mich kulturelle Aneigung so sehr ärgert oder warum ich Angst habe, beim Online-Dating wie ein lebendes Klischee behandelt zu werden.

Wir stehen auf unterschiedlichen Seiten des Flusses und ich weiß nicht, ob wir jemals eine Brücke finden werden.

Ich werde mit meiner Familie und meinen Freunden vermutlich niemals über Mikroaggression und Kolorismus sprechen können – sie wissen ja noch nicht einmal, was damit gemeint ist. Die meisten Menschen sind liebevolle, aber unbeteiligte Mitstreiter. Es raubt mir den letzten Nerv, mich immer wieder erklären oder die Menschen um mich herum belehren zu müssen. Wir stehen auf unterschiedlichen Seiten des Flusses und ich weiß nicht, ob wir jemals eine Brücke finden werden.

Ich bin trotz allem froh, dass wir inzwischen darüber sprechen. Die Eltern und Cousins meines Vaters haben mir versichert, dass ich immer zur Familie gehören werde. Ehemalige Schulfreunde kamen nach langer Zeit wieder auf mich zu und boten mir ihre Unterstützung an. Ich habe Entschuldigungen von Ex-Partnern und ehemaligen Bekannten erhalten, die online von meiner Geschichte erfahren haben. (Einer meiner Ex-Freunde aus meiner Jugend nannte mich im Bett "Caramel Queen". Damals wusste ich noch nicht, warum ich das Ganze so unangenehm fand.)

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Ich habe sogar einige sehr aufrichtige Nachrichten von Menschen bekommen, die sich für die unsensiblen Kommentare ihrer Kindheit entschuldigt haben.

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Als ich von meiner wahren ethnischen Herkunft erfahren habe, ist in mir ein emotionaler Damm gebrochen. Ich hatte kurze Zeit über Angst, zwischen zwei Identitäten gefangen zu sein. Mittlerweile habe ich aber festgestellt, dass es mir hilft, mit meinen Freunden und meiner Familie darüber zu sprechen, wer ich wirklich bin.

Es wird vielleicht nur ein wenig länger dauern als erwartet.

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