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Drogen

Berlin hat jetzt sein erstes Cannabis-Netzwerk für Frauen

"CannaFem" soll Frauen im Hanf-Business dabei helfen, sich besser zu vernetzen – und dafür sorgen, dass auch weibliche Stimmen in der Legalisierungsdebatte Gehör finden.
Foto: imago | Pacific Press Agency

Der Standard-Kiffer ist in vielen Köpfen männlich. Tatsächlich gibt es aber eine Menge Frauen, die Cannabis nicht nur rauchen, sondern sich intensiv mit der medizinischen Verwendung der Pflanze beschäftigen und sogar politisch zum Thema engagieren. Janika Takats ist eine von ihnen.

Takats ist Chefredakteurin des in.fused Magazins, Teil der Geschäftsleitung der Hanf-Plattform sens media und hat zusammen mit Katrin Scholz Berlins erstes Cannabis-Netzwerk für Frauen gegründet. CannaFem soll Aktivistinnen und Branchenkennerinnen aus ganz Europa zusammenbringen, um die Legalierungsdebatte und mögliche Anwendungsgebiete nicht nur Männern zu überlassen. Ein erstes öffentliches Netzwerktreffen soll am 15.6. im Rahmen der Berliner Hanfmesse MaryJane stattfinden.

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Im Interview mit Broadly erzählt Takats, wie es ist, als Frau in der Branche tätig zu sein, welche Kiffer-Klischees sie am meisten nerven und ob die grundsätzliche Legalisierung auch bald in Deutschland kommt.

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Broadly: Wie wurdest du zur Cannabis-Aktivistin?
Janika Takats: Ich würde mich eigentlich immer noch nicht wirklich als Aktivistin bezeichnen. In erster Linie bin ich Journalistin. Ich habe das Magazin in.fused rausgebracht und davon auch die Geschäftsführung übernommen. Über meinen vorherigen Job bin ich dazu gekommen, überhaupt über Cannabis zu schreiben. Ich war Chefredakteurin bei einem anderen Cannabis-Magazin. Dort habe ich angefangen, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen und vor allem Fragen zu stellen, weil meiner Meinung nach vieles nicht so ist, wie es sein sollte. Vor allem, was damals das Medizinische betraf. Ich bin aber eigentlich immer dabei geblieben zu berichten, Fragen zu stellen, Dinge aufzudecken und Leute informieren zu wollen – ohne konkret etwas zu fordern. CannaFem ist eigentlich das erste Projekt, wo ich wirklich als Aktivistin auftrete. Da habe ich ein Anliegen.

Was ist dein Anliegen mit dem CannaFem Network?
CannaFem ist ein Frauennetzwerk in der Cannabis-Branche. Wir wollen Unternehmerinnen und Frauen, die beruflich mit Cannabis zu tun haben, ansprechen – aber auch Ärztinnen, Juristinnen und ganz konkret Aktivistinnen, die sich dafür engagieren, dass medizinisches Cannabis zugänglich gemacht wird, oder die Cannabis-Politik und "Verbote" sich verändern. CannaFem soll eine Plattform sein, auf der man Ansprechpartnerinnen findet, wenn man sich in der Branche gerade selbstständig machen möchte und Kontakte sucht. Wenn ich zum Beispiel auf der Suche nach jemandem bin, die mir Informationen zu medizinischem Cannabis geben kann, speziell für Frauen. Unser Ziel ist es, Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlichen Wissensschätzen zusammenzubringen und ihren Austausch zu fördern.

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Warum ist es ein Netzwerk explizit für Frauen?
Wenn man sich umguckt auf Messen oder nach allem, was es momentan schon im Business gibt, ist das doch sehr männlich dominiert. Dementsprechend werden die Pflanze und die Produkte auch sehr männlich präsentiert. Dazu kommt, dass Frauen in der Aktivist_innen-Szene wesentlich weniger sichtbar sind als Männer. Ähnlich sieht es bei den Patient_innen und Konsument_innen aus.

Frauen haben natürlich den Vorteil, dass sie weniger von der Polizei kontrolliert werden, obwohl die Zahl an Konsumentinnen nicht wesentlich geringer ist. Aber gerade auch was medizinisches Cannabis betrifft, wurde mir von einer Ärztin berichtet, gibt es in ihrer Praxis wesentlich mehr Männer als Frauen. Obwohl Cannabis Frauen genauso helfen könnte. Ich glaube, dass Frauen sich vielleicht noch weniger trauen, mit dem Konsum, aber auch dem medizinischen Bedarf, nach außen zu gehen. Wenn es zum Beispiel darum geht, nach Informationen zu suchen. Deswegen wollten wir für Frauen eine Plattform schaffen.

Merkt man einen Unterschied im Geschlechterverhältnis in der deutschen Cannabis-Szene?
Als Frau ist man auf jeden Fall in der Minderheit, würde ich sagen. In meinem Unternehmen ist es 50:50. Wir haben vor allem in den kreativen Bereichen einen relativ hohen Frauenanteil. Auch bei in.fused sind wir hauptsächlich Frauen. Aber allgemein, wenn du dir andere Cannabis-Zeitschriften ansiehst, arbeiten in den Redaktionen oft ausschließlich Männer. Das zeigt sich natürlich auch in der Außendarstellung, also in der Botschaft eines Magazins.

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Wie ist es für dich persönlich, als Frau in der Cannabis-Branche tätig zu sein?
Wenn ich erzähle, welchen Beruf ich habe, bekomme ich schon immer noch diesen erstaunten Blick. "Echt, Cannabis?" Nach dem Motto: "Sieht man dir gar nicht an." Das Klischee von Konsument_innen und Aktivist_innen ist immer noch sehr stark in den Köpfen. Und dieses Bild ist hauptsächlich männlich. Wenn wir männlichen Kollegen von CannaFem erzählen, bekommen wir aber immer viel positives Feedback. Viele sind der Ansicht, dass es genau das braucht. Wenn es um Anzeigen im in.fused Magazin geht, haben uns Werbeagenturen oft gesagt, dass sie gerne Frauen ansprechen würden, aber nicht so wirklich wissen wie.

Janika Takats | Foto: Joely Ketterer

Welche Kiffer-Klischees nerven dich noch?
Mich nerven Klischees an sich, weil man Leute damit vor den Kopf stößt, ausschließt und ihnen ein Bild aufdrückt, das sie gar nicht repräsentieren. Das typische Kiffer-Klischee ist ja dieses faule, unorganisierte, verpeilte und äußerlich vielleicht auch nicht unbedingt ansprechende. Das finde ich absolut unfair gegenüber den Konsumenten, denen man es eventuell gar nicht ansieht.

Gibt es innerhalb der internationalen Cannabis-Bewegung Aktivistinnen, zu denen du aufschaust?
Es gibt einige Organisationen: Zum einen die Mujeres Cannábicas aus Spanien, eine Aktivistinnen-Gruppe, die es sich zum Ziel gemacht hat, das Stigma um weibliche Konsumentinnen aufzubrechen. Sie widmen sich auch dem Doppel-Stigma Cannabiskonsumentin und Mutter. Das ist zusätzlich ein kritisches Thema. In den USA gibt es außerdem noch Women Grow, ein reines Unternehmerinnen-Netzwerk, das auch Schulungen für Frauen anbietet, die sich in der Branche selbstständig machen wollen. Das ist sehr amerikanisch, mit Motivationstraining und großen Panels, die darauf abzielen, Leuten Mut zu machen. So ein Konzept funktioniert in Deutschland weniger, glaube ich.

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Trotzdem liegt die Prozentzahl von Frauen in der Unternehmensbranche Cannabis in den USA bei 40 Prozent. In anderen Berufszweigen sind es meines Wissens um die 22 Prozent. In dieser Branche haben Frauen also einen wesentlich größeren Anteil als woanders. Das wünschen wir uns auch für Deutschland, wenn die Industrie wächst.

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Anfang des Jahres hat der Bundestag Cannabis auf Rezept freigegeben. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen seither für Therapien. War die medizinische Freigabe ein Schritt in Richtung grundsätzlicher Legalisierung?
Meiner Meinung nach war es auf jeden Fall ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, Patienten und schwerkranken Menschen Cannabis zugänglich zu machen, wenn es ihnen hilft. Dazu gehörte auch, dafür zu sorgen, dass sie sich das leisten können. Was man bisher so von Patienten hört, sträuben sich aber viele Krankenkassen noch, die Kosten zu übernehmen. Der Kampf wird also weitergehen.

Glaubst du, die allgemeine Legalisierung kommt auch bald?
Ich glaube es ist wichtig, den Schritt der medizinischen Freigabe losgelöst von der Gesamtlegalisierung von Cannabis zu betrachten. Wenn man Cannabis sofort komplett legalisiert hätte, wäre ihm der Status eines Medikaments oder Heilmittels, das das Befinden von Menschen extrem verbessern kann, verwehrt worden. Um dieses Bewusstsein bei Menschen zu stärken, war es meiner Meinung nach wichtig, diesen Schritt zuerst zu machen.

Ich denke, es wird sich zeigen, inwieweit Cannabis zukünftig auch in Deutschland frei zugänglich ist – auch für Freizeitkonsumenten. Einige Länder haben ja schon Maßnahmen in diese Richtung getroffen. Wenn die Entwicklungen dort positiv verlaufen, kann ich mir vorstellen, wird das in Deutschland ähnlich laufen.

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