Von “Zelda“ bis Aaliyah: Ace Tee im 90er-Nostalgie-Interview
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Musik

Von “Zelda“ bis Aaliyah: Ace Tee im 90er-Nostalgie-Interview

“Bist du down?“ erinnert musikalisch an die Zeiten, in denen "Sailor Moon" im TV lief und der Game Boy noch eine Technikrevolution war – und erobert mittlerweile sogar die USA. Zeit für ein Gespräch mit der Hamburgerin.

Cartoon-Serien, Spielzeug, Videospiele: Die 90er werden gerade auch im Internet gerne zu einer Zeit erhoben, in der alles ein bisschen besser (oder zumindest noch neu) war. Unsere Flucht in die nostalgisch verklärte Vergangenheit könnte auch erklären, warum "Bist du down?" von Ace Tee plötzlich in aller Munde ist. Über eine Millionen Views sammelte der Clip innerhalb eines Monats auf YouTube und zog sogar die Aufmerksamkeit von US-Medien wie Vogue, NPR und Fader auf sich. Und das, obwohl die Hamburgerin auf Deutsch singt und rappt.

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"Ich ziehe mir als gesamter Typ viel Inspiration aus dem Jahrzehnt und höre ständig Musik aus der Zeit", erzählt die 23-jährige Musikerin mir bei ihrem Besuch in Berlin. Wir reden über das Jahrzehnt, das uns und Millionen anderer Menschen maßgeblich dahingehend beeinflusst hat, wer und wie wir heute sind.

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Ace Tee heißt eigentlich Tarin, ihre Eltern stammen aus Ghana. Die Leidenschaft für Musik erbte sie von ihrem Vater, der ihr VHS-Kassetten von Live-Konzerten schenkte, die sie rauf und runter ansah und von denen sie die Choreographien einstudierte. Zudem erlaubte er ihr, seine Turntables zu benutzen. So wurde der Sound des Jahrzehnts für sie prägend.

Auch die Tatsache, dass sie eine der wenigen Frauen im Deutsch-Rap und im jungen Genre des deutschen R'n'B ist, schafft einen Bezugspunkt zu den 90ern, die mit Künstlerinnen wie Salt'n'Pepa und Lauryn Hill wichtige weibliche Idole aus der Musik lieferten. "Wenn ich an so Frauen wie Queen Latifah oder Left Eye und T-Boz von TLC denke, oder auch Monie Love, das sind richtig coole Frauenvorbilder." Die jung verstorbene Aaliyah gehört ebenfalls zu ihren Idolen – allerdings nicht nur musikalisch. Die Hamburgerin liebt tiefsitzende Hosen und High-Heels, „alles oversized und in mehreren Farben", klassischer Aaliyah-Style eben. Letzteres ist auch ihre Trendvorhersage für 2017: „Der Sommer wird richtig bunt. Man wird auch mehr Crop Tops und Low Pants sehen."

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Ace Tee mit Feature-Partner Kwam.e | Alle Fotos: Lisa Ziegler

Mit Mode kennt sie sich aus. Im echten Leben, in dem man einen Erfolg wie ihren nicht vorhersehen kann, ist Ace Tee nämlich Haar-Stylistin und arbeitet auch dort viel mit Input aus den 90ern. „Das was ich selbst grad trage ist ein bisschen 90s, diese dicken Braids" sagt sie, während sie ihre blonden Zöpfe zum Vorzeigen in die Hand nimmt. Und auch ihre Kund_innen wollen mit den eigenen Frisuren nostalgisch sein und wünschen sich Braids oder Cornrows.

Dass die 90er mittlerweile auch zurück auf die Laufstege der Welt gefunden haben, löst nicht überall wohlige Schauer der Nostalgie aus. So wird in den USA der Vorwurf der Fremdaneignung Schwarzer Kultur im Haarstyling schon seit Jahren diskutiert und Kendall Jenner im letzten Jahr von vielfacher Seite kritisiert, weil sie auf dem Laufsteg für Marc Jacobs Dreadlocks trug. In Deutschland ist die Debatte aber noch nicht richtig angekommen und auch Ace Tee sieht das alles nicht so streng: „Mich stört es nicht, wenn europäische Frauen Braids tragen. Jede darf mit der eigenen Frisur machen, was sie möchte. Solange man sich wohlfühlt, ist doch alles okay." Vielleicht möchte sie ihre Kundinnen nicht vergraulen, vielleicht aber kann sie das Thema für sich tatsächlich relativieren: „Schwarze Frauen tragen auch Weave, ist doch in Ordnung. Wir flechten unsere Haare, damit die im Winter nicht brechen, aber ich finde das Quatsch, es deshalb anderen zu verbieten."

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Weißt du noch, diese essbaren Ketten, die alle getragen haben? Oder diese Fuß-Lollies, die man in Pop-Rocks tauchte und die so im Mund knisterten?

Die hanseatische Entspanntheit findet, wo wir schon beim Thema Mode und weiße Topmodels sind, beim Thema Privileg allerdings ihr Ende: „Die Leute schieben ein wenig Hass auf Kendall, weil sie für nichts gearbeitet hat. Das finde ich ein bisschen nachvollziehbar."

Ace Tee weiß, was es heißt, die nötige Arbeit reinzulegen. Für ihr Debüt-Video, das von TLCs "What About Your Friends" inspiriert wurde, schrieb sie selbst das Skript und Mood-Board und führte Regie. Dabei behielt sie die Kontrolle, vom großen Ganzen bis ins kleinste Detail, inklusive Outfit und Hairstyling. "Urban Cool", "Ruff and Sexy" und "Cool and Crazy" waren die Leitthemen des Shootings. Sie bat die Mädels, die in "Bist Du Down" tanzen, sich daran zu orientieren, wenn sie ihre eigene Kleidung mitbringen. "Wir haben an diesen zwei Drehtagen enorm viel Spaß gehabt", erzählt sie, "das wollte ich in dem Video transportieren, damit die Leute Bock verspüren, mitzumachen."

Die gute Laune während der Aufnahmen sieht man dem Video an, das im Hamburger Stadtteil Altona-Nord gedreht wurde. Das erklärt wohl, warum es – trotz Sprachbarriere, – auch in den USA so gut funktioniert. Aber auch sprachlich geht es in dem Song vor allen Dingen um ein Stück wohltuende Positivität: "Einfach machen, worauf man Bock hat und dabei Liebe verbreiten", fasst Ace Tee selbst ihre Message zusammen. Dabei kann es nur helfen, auf eine Zeit zurückzublicken, in der die Dinge einfacher schienen. So funktioniert das mit der Nostalgie nämlich, sie fühlt sich gut an, vor allem beim gemeinsamen Schwelgen und dem ständigen Nachfragen von "Weißt du noch?"

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"Weißt du noch", fragt Ace Tee, "diese essbaren Ketten, die alle getragen haben? Oder diese Fuß-Lollies, die man in Pop-Rocks tauchte und die so im Mund knisterten?" Sie spricht nicht nur von ihren damaligen Lieblingssüßigkeiten, sie erinnert sich auch an die Fernsehshows, die sie einst immer schaute: "Alles von Martin Lawrence habe ich geliebt. Und Moesha oder Full House hab ich viel geguckt. Aber auch Cartoons wie Sailor Moon, Looney Tunes und Tom & Jerry. Die Proud Family noch, aber das war glaube ich später." Dann hatte sie noch einen Game Boy in der Color-Edition, auf dem sie Zelda spielte. Street Fighter und Mario Kart zockte sie, wie Millionen andere, auf der Konsole.

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Ihre Lieblingsfilme aus der Zeit? "Poetic Justice gehört auf jeden Fall dazu und Love & Basketball oder Juice. Ich hab Kid'n'Play geliebt und auch House Party gerne geguckt."

Das Debüt-Album des sympathischen Nordlichts kommt voraussichtlich im Sommer raus. Ob auch das die 90er in den Fokus setzt, verrät sie noch nicht. Doch das die 90s auch 2017 ihr modisches und kulturelles Revival erleben werden, davon ist Ace Tee überzeugt. Sie weiß auch, dass sie die internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und von nun an abliefern muss. "Dass Amerika hinschaut, damit hätte ich nie gerechnet. Davon kann man eigentlich nur träumen." Statt sich selbst Druck zu machen, nimmt die Hanseatin aber auch das gelassen und freut sich lieber. Entspannt und positiv – so wie man das eben macht in Hamburg, auch 2017 noch.

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