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frag eine hure

Eine Sexarbeiterin erklärt, wie du das Meiste aus deinen Dating-Apps rausholst

Dieses Mal erklärt unsere hauseigene Sexarbeiterin Lydia, wie du deine Dating-Apps optimal nutzt, wie es ist, seiner Familie zu gestehen, dass man ein Sexarbeiterin ist und was du tun solltest, wenn du mit deinem Mitbewohner geschlafen hast.
Image by Guille Faingold via Stocksy

Lydia Faithfull arbeitet als Sexarbeiterin im Love-Ranch-Bordell in Nevada. Sie ist auf gute Gespräche und die Dominierung und Erniedrigung von Männern spezialisiert, küsst aber niemanden für Geld. In der Kolumne „Frag eine Hure" beantwortet sie regelmäßig intime Leserbriefe.

Liebe Lydia,

ich verstehe Tinder einfach nicht. Ich bin eine bisexuelle Frau und habe meine Präferenzen auf Tinder vor Kurzem von Männer auf Frauen geändert, weil ich mit Männern einfach kein Glück hatte. Ich bin auch mit ein paar von ihnen ausgegangen, aber das hat sich nicht gelohnt und die anderen waren einfach nur totale Blindgänger. Also bin ich kürzlich auf Frauen umgestiegen und habe mein Profil so aktualisiert, dass es „frauenfreundlicher" ist—was auch immer das heißen soll. Bisher hat mich noch niemand gematcht. Hast du irgendwelche Tipps für mich, wie ich das Beste aus diesen verdammten Apps rausholen kann? So langsam verliere ich nämlich echt den Verstand.

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Ach ja, das kenne ich. Mit Frauen auszugehen, die ich online getroffen habe, hat mich sehr viel mehr gefordert als mit Männern auszugehen—vielleicht auch, weil ich von den Männern weniger erwartet habe. Einmal habe ich Stunden mit einer Frau bei unserem ersten Date verbracht, bevor sie ihre Hand auf meinen Schenkel gelegt und irgendeine Form von körperlichem Interesse angedeutet hat. Auf ihre Bitte hin, haben wir uns erst mehrere Male getroffen, bevor wir schließlich Sex hatten. Dieses langsame Tempo war ungewohnt für mich und hat mich wirklich wahnsinnig gemacht. Sex beim ersten Date war für mich immer selbstverständlich und ein Konzept, an dem ich nach wie vor mit voller Überzeugung festhalte. Es ist wahrscheinlich unnötig zu erwähnen, dass es bei einer kurzen Bekanntschaft blieb. Ich habe aber auch schon Frauen getroffen, die ähnlich direkt waren wie ich.

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Ich war immer lieber auf OkCupid als auf Tinder unterwegs. OkCupid-Nutzer schreiben eine richtige Biografie und listen wichtige Details zur sexuellen Orientierung und zum Beziehungsstatus auf, ob sie Kinder haben oder nicht, welcher Religion sie angehören usw. Ich habe auch ziemlich interessante Leute getroffen, selbst wenn ich nur auf der Suche nach Gelegenheitssex war. Queere Frauen habe ich da allerdings nicht so viele gefunden.

In jedem Fall solltest du gerade heraus sagen, was du willst. Wenn du dir selbst nicht sicher bist, sag es ganz ehrlich. Sei nicht überrascht, wenn dich Lesben auf Dating-Apps nicht ernst nehmen. Sie erleben so viele Bi-Neugierige oder werden von Pärchen angeschrieben, die auf der Suche nach ungebundenen bisexuelle Frauen sind. Ich fand es nicht schlimm, wenn Pärchen ganz offen und ehrlich auf mich zugekommen sind, aber einige „bisexuelle" Frauen haben mir erst am Abend vor unserem geplanten Treffen verraten, worum es eigentlich gehen soll. Wenn du also grundsätzlich keine Pärchen treffen willst, würde ich dir raten, das auch so auf deinem Profil anzugeben.

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Du hast vielleicht mehr Glück, wenn du regelmäßig in Schwulenclubs oder -bars gehst. Erzähl deinen queeren Freunden, dass du auf der Suche bist. Wenn du eine Frau triffst, die du attraktiv findest, sei einfach mutig und sag es ihr. Warte auf eine Gelegenheit, um ihr zu sagen, dass du gerne mit Frauen ausgehen würdest und sie wird verstehen, was du ihr sagen willst.

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Liebe Lydia,

als ich jünger war, habe ich ein paar Jahre lang als Sexarbeiterin gearbeitet. Ich habe diesen Abschnitt meines Lebens hinter mir gelassen und niemand aus meiner Familie weiß davon, bis auf meinen Mann. Wir haben zusammen eine kleine Tochter, die jetzt fünf ist. Ich habe in letzter Zeit öfter darüber nachgedacht, ihr von meiner Vergangenheit zu erzählen, wenn sie älter ist. Ich habe ziemlich große Angst davor, dass sie oder ihre Freunde oder die Eltern ihrer Freunde davon erfahren könnten und sie am Ende dafür bezahlen muss. Würdest du mir raten, es ihr eines Tages zu erzählen? Wie schütze ich meine Tochter davor, gebrandmarkt zu werden?

Ein Geheimnis zu bewahren, für das man sich nicht schämt, ist eine schwere Bürde. Ich habe mich an Weihnachten vor meiner Mutter als Sexarbeiterin geoutet, weil ich die Heimlichtuerei einfach keinen Tag länger ausgehalten hätte. Ich hatte ihr monatelang irgendwelche Halbwahrheiten aufgetischt. Wir standen uns nie besonders nahe und die Kluft zwischen uns wurde immer tiefer, weil ich ihre Anrufe ignorierte, um nicht aufzufliegen. Ich habe mich nicht für meine Berufswahl geschämt, aber ich machte mir Sorgen, dass sie das Fernsehinterview sehen würde, das ich gegeben hatte und sie sich berechtigterweise hintergangen und ausgeschlossen fühlen könnte.

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Das Schuldgefühl war ätzend und ich wusste, dass ich sie anrufen und reinen Tisch machen musste, bevor ich den Mut verlieren würde. Ich lief in meinem Zimmer im Bordell auf und ab und rauchte eine Zigarette nach der anderen, während ich am Fenster stand und sah, wie draußen der Schnee fiel. In dem Moment, als die Worte meinen Mund verlassen hatten, fühlte ich mich erlöst und merkte plötzlich, dass ich meiner Mutter nicht genug zugetraut hatte. Sie war dieselbe erzkonservative Frau, die mich unterstützt hat, als ich gegen meine Schule protestierte, nachdem beschlossen worden war, dass die Schule am Martin Luther King Day geöffnet bleiben sollte. Sie war dieselbe streng christliche Frau, die meinen Atheismus respektiert und mir versprochen hatte, dass sie mich nicht kirchlich beerdigen würde, wenn ich vor ihr sterben sollte. Als wir an diesem Tag telefonierten und ich ihr von der Sicherheit im Bordell und den gesetzlichen Vorschriften erzählte, war die erste Frage, die sie mir stellte: „Bist du glücklich?" Das war ich beziehungsweise bin ich.

Ich habe verstanden, dass es mir nicht zustand zu entscheiden, wie stark andere sind.

Scham ist ein schleichender Tod. Fremden Männern gegen Geld einen zu blasen, war nichts, was ich bereute. Das Einzige, was ich wirklich bereute, war die Heimlichtuerei. Bei meinem Alkoholproblem war es ähnlich: Ich war nicht wütend auf mich, weil ich krank war; Ich hatte Angst, es würde meine Familie restlos zerstören, wenn ich zugeben würde, dass ich Hilfe brauche. Meine Familie war schon durch meine Abhängigkeit zutiefst zerrüttet. Als ich schließlich ehrlich zu mir selbst war, habe ich auch verstanden, dass es mir nicht zustand zu entscheiden, wie stark andere sind. Wir schulden unseren Liebsten die Chance, uns und unsere Dämonen wirklich kennenzulernen.

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Ich bin froh, dass dein Mann von deiner Vergangenheit als Sexarbeiterin weiß. Es kann schwierig sein, über solche Dinge offen mit seinem Partner zu sprechen, der einen liebt. Ich würde dir raten, dir andere Vertrauenspersonen oder vielleicht sogar einen Therapeutin zu suchen, mit denen du offen darüber sprechen kannst. Sexarbeit fordert große Opfer und fordert einen unvermeidbaren, emotionalen Tribut. Du bist es dir selbst schuldig, nicht stillschweigend zu leiden. Irgendwann wirst du merken, dass es an der Zeit ist, um mit deiner Tochter darüber zu sprechen. Du kannst sie schon jetzt darauf vorbereiten, indem du ihr beibringst, Randgruppen nicht zu verurteilen und irgendwann wird sie die Gelegenheit haben, um über die Werte, die du ihr eingeimpft hast, nachzudenken.

Liebe Lydia,

ich hatte Sex mit meinem Mitbewohner. Wir haben einen Mietvertrag, der noch acht Monate gilt und unser anderer Mitbewohner weiß nicht davon. Was soll ich jetzt nur tun?

Ich kann die Versuchung, mit jemandem zu schlafen, den man jeden Tag sieht, nur zu gut nachvollziehen. Obwohl ich wette, dass du der Versuchung sicher nicht nachgegeben hättest, wenn du noch ein bisschen gewartet und die Lebensgewohnheiten dieser Person beobachtet hättest. Zu viel Vertraulichkeit schadet nur—vor allem beim Zusammenleben. Ich erinnere mich noch immer an eine ehemalige Mitbewohnerin, die sich bei einer Wohnungseinweihungsparty betrunken in die Hose gemacht hat. Vertrau mir, nach so einem Erlebnis läuft man nie wieder Gefahr, die Grenzen zu überschreiten.

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Ihr habt euch in eine unglückliche Situation gebracht. Es wird sich ab sofort immer komisch anfühlen, ein Date mit nach Hause zu bringen. Nicht nur für euch, sondern sicher auch für eure zukünftigen Dates, die sich auch fragen werden, wie du und besagter Mitbewohner zueinander steht. Wenn das ganze eher eine Art Fehltritt war, von dem du dir sicher bist, dass, würde ich euch dringend raten, darüber zu sprechen. Bitte ihn um einen Neustart und setzt euch, wenn nötig, höflich Grenzen. Euer anderer Mitbewohner kriegt das vielleicht auch mit und wird seine eigene Meinung dazu haben, aber du bist nicht dazu verpflichtet, ihm irgendetwas zu erklären oder dich in irgendeiner Form zu rechtfertigen.

Hat einer von euch Gefühle entwickelt? Das mag sich vielleicht puritanisch anhören, aber wenn du deine Beziehung zu dieser Person weiterführen willst, würde ich dir raten, den Mietvertrag zu kündigen und auszuziehen. Ansonsten überspringt ihr die frühe, romantische Phase einer Beziehung und geht gleich über zu einer häuslichen Partnerschaft. Denk an meine Worte: Es kommt nichts gutes dabei raus, schon kurz nach Beginn einer Beziehung zusammen zu leben. Ich sage dir das als romantischer Idiot, der seine Möbel in den vergangenen zehn Jahren mehr als sechsmal ersetzen musste. Denk daran, nichts ist für immer. Nicht einmal wir selbst.


Foto: Mateus Lunardi Dutra | Flickr | CC BY 2.0