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Film

'Fikkefuchs' zeigt Männer als bemitleidenswerte Triebtäter

Der vielleicht kontroverseste Film des Jahres ist lustig, bis es weh tut. Aber: Warum genau lachen wir?
Foto: Alamode Film

Lasst uns eine Sache direkt zu Beginn klarstellen: Fikkefuchs ist ein lustiger Film. Ein sehr von sich eingenommenes Gespann aus ehemaligem Frauenhelden (Rocky, Vater) und frustriertem Pornosüchtigen (Thorben, Sohn) stolpert durchs Berliner Nachtleben und bekommt eine Abfuhr nach der anderen. Die Low-Budget-Produktion zeigt die beiden Männer in all ihrer Peinlichkeit und das ist zum Teil gerade deswegen so wahnsinnig witzig, weil ich keine Frau kenne, die nicht mindestens eine der gezeigten Situationen erlebt hat.

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Männer, die nach einer Abfuhr so tun, als wäre frau ihnen sowieso zu hässlich gewesen? Check. Männer, die einem auch dann noch mit kreisenden Hüften hinterhertanzen, wenn man schon einmal durch den kompletten Club vor ihnen geflohen ist? Check. Männer, die sich so viel Mut angetrunken haben, dass sie nicht mehr laufen können, aber sich trotzdem noch für den geilsten Typen unter der Sonne halten? Check, check, check. Jan Henrik Stahlbergs Film suhlt sich in fehlgeleitetem männlichen Selbstverständnis und erhält durch aktuelle Kampagnen wie #MeToo zusätzliche Aktualität.

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Die sexuelle Ohnmacht des modernen Mannes könnte man hier illustriert sehen: Die Typen im Film fühlen sich den weiblichen Reizen hilflos ausgesetzt und verstehen nicht, warum denn keine mit ihnen nach Hause will. Das zwischenmenschliche Scheitern von zwei Vollidioten, vor denen wahrscheinlich jede zweite Frau schon mal auf die Toilette geflüchtet ist, weil sie sie einfach nicht losgeworden ist. Rocky, gespielt von Regisseur Stahlberg, will einfach nicht einsehen, dass er nicht mehr der krasseste Stecher aus Wuppertal, sondern der alternde Wahlberliner mit Geheimratsecken ist. Sein Sohn Thorben (Franz Rogowski) erhofft sich trotzdem, das ein oder andere von seinem Vater lernen zu können – zumindest wenn es um Frauen geht. Ein Fehlschluss und der rote Faden des Films.

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Während Rocky vor allem ziemlich peinlich und unangenehm ist, verkörpert sein Sohn ein Männerbild, das leider nicht ganz so unfreiwillig komisch ist. Thorben ist pornosüchtig und wahnsinnig frustriert, weil sein Sexleben nicht den Hardcore-Filmen entspricht. Er hat diese Art von Sex verdient, glaubt er, und versucht deswegen eine Kassierin zu vergewaltigen. Eine Szene, in der Fikkefuchs direkt zu Beginn ein bisschen zu deutlich fragt: Was, wenn sexualisierte Gewalt eigentlich nur ein großes Missverständnis ist?

Einerseits zeigen die Relativierungsversuche von Vater und Sohn exemplarisch, wie solche Übergriffe im Nachhinein oft genug kleingeredet werden: Er hat es ja nur "versucht", sie wollte es ja auch. Andererseits wird diese Szene überhaupt nicht eingeordnet. Sie bleibt eine von vielen Situationen des Films, in denen die Protagonisten komplett falsch interpretiert haben, was die Frau ihnen gegenüber möchte. Nur: Es macht natürlich einen Unterschied, ob dich jemand versucht zu vergewaltigen, oder irgendein besoffener Typ sich in einer Bar wie ein misogynes, realitätsfremdes Arschloch verhält.

Dieses Offenlassen, diese Ambivalenz, ist deshalb schwierig, weil Fikkefuchs so schmerzhaft nah an der Realität ist. Die Eingeweihten, die verstehen, warum man Frauen nicht beleidigt, nur weil sie nicht mit einem schlafen wollen, die lachen und denken sich: "Endlich macht ein Film diese Lächerlichkeit deutlich. Wie kann irgendjemand nicht sehen, was das für Vollidioten sind?!" Es gibt aber Männer, die glauben, dass es OK ist, sich so zu verhalten. Leute, die es ohne jede Ironie unfair finden, dass Frauen häufiger sexuell belästigt werden, weil das immer noch besser sei, als gar nicht angesprochen zu werden. Und ich muss nur einen kurzen Blick in die Kommentarspalten von Artikeln werfen, die sich mit vermeintlichen "PC-Themen" auseinandersetzen, um zu sehen, dass das nicht wenige sind. Warum lachen die, wenn Rocky einer Barbesucherin erklärt, dass das Leben für sie und andere Frauen eine "Schrottpresse" sei, in die sie im Alter entsorgt werden? Weil sie sich denken: "Endlich sagt’s mal jemand!"?

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Hat ein Film wie Fikkefuchs den Auftrag, unmissverständlich klar zu machen, welche Position er einnimmt? Zerstört man mit einem zu deutlichen Zeigefinger jegliche filmische Doppelbödigkeit und macht aus Geschichten enervierende Vorträge? Das alles sind Fragen, die durchaus ihre Berechtigung haben und tatsächlich hätte wahrscheinlich niemand Spaß an einem Film, bei dem eine Off-Stimme immer wieder erklärt, wie genau das jetzt gemeint war. Andererseits: Man hätte erzählerisch schon deutlicher machen können, dass Männer, die sexuell übergriffig sind oder auf Ablehnung mit blanker Aggression reagieren, eben keine liebenswerten Chaoten sind. Ich weiß das, ihr wisst das wahrscheinlich, und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch das Feuilleton das weiß, das den Film wahlweise abzufeiern oder vehement abzulehnen scheint. Aber wissen das auch die Leute, die sonst direkt in Abwehrhaltung gehen, wenn sie Worte wie "Feminismus" oder "Sexismus" hören?

Das Beinahe-Happy-End, das beide Protagonisten am Schluss eben doch noch in den Armen junger Frauen landen lässt, fühlt sich nicht verdient an. Vielleicht ist genau das aber auch das Realistischste an Fikkefuchs: Männer, für die Frauen nur dann etwas wert sind, wenn sie jung, schön und willig sind, müssen nur selten Konsequenzen fürchten.

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Trotz oder gerade wegen all der Unklarheiten und Grauzonen, könnte Fikkefuchs einer der wichtigsten Filme des Jahres sein. Wie sich beim VICE Film Club gezeigt hat, einem Vorab-Screening des Films mit anschließender Diskussion, besteht sehr viel Redebedarf zu fragwürdigen Männerbildern. Männer, die sich verloren fühlen, weil es heutzutage nicht mehr ganz so akzeptiert ist, Frauen als nicht vollwertige Menschen zu betrachten, gibt es auch in der Realität.

Wenn ein Werk selbst keine Einordnung liefern möchte, muss es der Diskurs drumherum tun. Sonst fragen wir uns noch die nächsten fünf Jahre, wie das sein kann, dass jeder von Belästigungsfällen weiß, aber kaum jemand sie öffentlich machen will. Und warum Frauen lieber unangenehm berührt und verzweifelt lächelnd das Weite suchen, als sich körperlich zu wehren und damit eine noch aggressivere Gegenreaktion zu provozieren.

Wenn ihr also im Kino neben jemandem sitzt und der Abspann läuft; wenn ihr bei Freunden in der Küche raucht und die erzählen euch, dass sie den Film gesehen und als gut befunden haben – fragt doch einfach mal: Warum hast du gelacht?

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