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okkultismus

Die First Ladies der USA und ihre seltsame Beziehung zu Geistern und Astrologie

Mary Todd Lincoln hat sich sieben Jahre nach seiner Ermordung mit ihrem verstorbenen Mann fotografieren lassen. Und das ist nicht einmal die absurdeste Geschichte.
Illustration: Lia Kantrowitz

Vor E-Mail-Affären, Militäranschlägen und der Versteigerung von Monica Lewinsky Kleidern reichten weitaus nichtigere Anlässe, um Hillary Clinton zum Zentrum eines Skandals zu machen. In dem Buch The Choice: How Bill Clinton Won von 1996 schrieb der Autor Bob Woodward, der noch nie um einen guten Aufreger verlegen war, dass die ehemalige First Lady während der Amtszeit ihres Mannes von Zeit zu Zeit mit Eleanor Roosevelt und Mahatma Gandhi tratschte – allerdings nicht mit Jesus, das wäre "zu persönlich" gewesen.

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"Gelegentlich führe ich imaginäre Gespräche mit Misses Roosevelt und versuche herauszufinden, was sie an meiner Stelle tun würde", schrieb Clinton in einer Kolumne für die New York Times. "Normalerweise antwortet sie und sagt mir, dass ich mich an die Arbeit machen und mir eine dickere Haut zulegen soll, mindestens so dick wie die eines Nashorns."

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Natürlich ließen die reißerischen Interpretationen nicht lange auf sich warten und schon bald hieß es, dass Clinton Séancen im Weißen Haus abhalte. Bedauerlicherweise war der ganze Spaß schnell beendet, nachdem sich die amerikanische Psychologin Jean Houston klarstellte, dass Clintons Gespräche nichts weiter als "imaginative Übungen" wären, die ihr beim Schreiben ihres Buchs halfen. Während Clintons Kontakte ins Jenseits also eine Fiktion blieben, waren einige andere First Ladys dem Okkulten weniger abgeneigt. Ob sie mit den Toten sprachen oder sich ihre Zukunft aus der Hand ablesen ließen – der Spiritualismus hatte auf viele First Ladys eine große Anziehungskraft. Irgendwie muss sich der Stress, den das Leben im Weißen Haus mit sich bringt, ja bewältigen lassen.


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Natürlich ist es möglich, dass manche First Ladys ihre spirituellen Praktiken besser unter Verschluss hielten als andere. Bekannt ist allerdings, dass fünf von ihnen – Jane Pierce, Mary Todd Lincoln, Edith Wilson, Florence Harding und Nancy Reagan – ein moderates bis intensives Interesse am Okkulten hatten, sagt Pat Kruder. Er ist Geschäftsführer der National First Ladies' Library in Canton im US-Bundesstaat Ohio. Auf dieser Liste könnten aber genauso gut auch Grace Coolidge, Eleanor Roosevelt, Lady Bird Johnson und Jackie Kennedy stehen, die alle behaupteten, dass sie während ihrer Zeit im Weißen Haus den Geist von Lincoln gesehen oder seine Präsenz gespürt hätten. Im Gegensatz zu den anderen holten sie sich aber keine Astrologen oder andere Medien ins Haus. Auf die Frage, warum die First Ladys der Faszination für das Okkulte erlagen, sagt Krider: "Menschen suchen verzweifelt nach Hilfe, nach Antworten und greifen manchmal auch zu extremen Maßnahmen."

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Die Annahme, dass viele der ehemaligen First Ladys "verzweifelt nach Hilfe" suchten, klingt nicht abwegig. Pierce, die erste First Lady mit einem bekannten Hang zum Okkultismus, musste den Beinamen "der Schatten des Weißen Hauses" aushalten. Seit ihr Sohn Benny mit elf Jahren bei einem Zugunglück ums Leben kam, lebte sie mit ständigen Depressionen. Geplagt von schweren Schuldgefühlen und Ängsten, versuchte sie seinen Geist zu beschwören, indem sie ihm einen emotionalen Brief schrieb und ihn bat, zu ihr zurückzukehren.

Angeblich ließen sie die Séancen eine Zeit lang zur Ruhe kommen. Doch das Ganze hielt nie lange an.

"Gott, hilf mir nun, in meiner Verbitterung meine Fehler zu korrigieren, wenn oh! es doch zu spät für dich ist, davon zu profitieren – und nun an diesem Sabbatabend wirst du vor mir in meiner Fantasie erscheinen und ich werde nah bei dir sitzen, vielleicht mit deiner Hand in meiner oder du wirst dich auf dem Sofa an mich lehnen oder ein Weilchen auf meinem Schoß sitzen, wie du es am Sonntagabend immer getan hast", schrieb Pierce.

Entschlossen ihren Sohn zu erreichen, lud Pierce die Fox-Schwestern, die New Yorker Schlüsselfiguren in der Bewegung des modernen Spiritualismus, zu Séancen ins Weiße Haus ein. Angeblich ließen sie die Séancen eine Zeit lang zur Ruhe kommen. Doch das Ganze hielt nie lange an. Auf der Webseite des Weißen Hauses heißt es, dass das Paar zum Ende der Amtszeit ihres Mannes, "für ihre Gesundheit längere Auslandsreisen machte. Sie trug Bennys Bibel auf den Reisen immer bei sich. Ihre Anstrengungen blieben allerdings erfolglos. Also gingen sie zurück in ihre Heimat in New Hampshire, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1863 im Kreis ihrer engsten Familie und Freunde lebte. Sie wurde nahe Benny begraben."

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Nach Pierce zog James Buchanan ins Weißen Haus. Allerdings blieb er ein Leben lang Junggeselle, daher auch keine verzauberte First Lady. Die die nächste Spiritistin folgte mit Mary Lincoln aber vier Jahre später. Genau wie Pierce erlebte auch Lincoln den Tod ihrer Söhne (einer vor der Amtszeit ihres Mannes, einer während und einer danach). Sie bevorzugte vor allem Séancen. Angeblich nahm ihr Ehemann sogar an einer der Séancen teil, die seine Gattin im Roten Salon des Weißen Hauses abhielt, wie der Historiker Carl Anthony schreibt. Offenbar sprach sie mit ihren beiden verstorbenen Söhne Willie und Eddie, deren Geister sie angeblich regelmäßig in ihrem Schlafzimmer im Weißen Haus besuchten.

Mary Todd Lincoln. Foto: Library of Congress | Wikimedia Commons | Public Domain

"[Willie] erscheint mir jede Nacht und steht am Fuß des Bettes, mit demselben süßen und bezaubernden Lächeln, das er immer hatte", erzählte Lincoln ihrer Schwester. "Er kommt nicht immer allein. Klein Eddie ist auch manchmal bei ihm." Nach dem Mord an ihrem Mann besuchte sie Berichten zufolge sogar eine "spiritistische Kirche" und sieben Jahre nach seinem Tod ließ sie sich und den Geist ihres Mannes von dem berühmten spirituellen Fotografen William M. Mumler fotografieren.

Krider zufolge gibt es nichts, das First Ladys anfälliger für den Glauben an Geister macht. Viel mehr könnte es damit zusammenhängen, dass der Spiritualismus gegen Mitte des 19 Jahrhunderts durch die öffentlichen Séancen der Fox-Schwestern bekannt wurde – also genau in der Zeit, als Pierce und Lincoln versuchten, ihre toten Söhne zu beschwören. Edith Wilson und Florence Harding konsultierten in den 1910er- und 1920er-Jahren beide die Astrologin Madame Marcia Champney. Zu dieser Zeit florierte das Geschäft mit der Wahrsagerei und astrologischen Radiosendungen, bevor die Federal Communications Commission gegründet wurde und 1934 begann, gegen die Sendungen vorzugehen.

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In einem Artikel, der 1988 in der Washington Post erschien, soll Harding – die von Champney "Kind des Schicksals" genannt wurde – "keinen einzigen Schritt gemacht haben, ohne ihr Horoskop zu konsultieren". Schon bevor ihr Mann Warren die Wahl gewonnen hatte, zog Harding Champney zu Rate und versprach ihr, sie nach dem Wahlsieg, "durch den Vordereingang und nicht durch den Hintereingang" ins Weiße Haus zu lassen. Die vorherige First Lady hatte die Astrologin nämlich nur durch den südlichen Eingang hineingelassen.

"Sie war sehr besorgt um das Wohlergehen ihres Mannes und die Astrologie hat dabei eine Rolle gespielt."

Dieser Glaube an das Übernatürliche setzte die Frauen natürlich auch öffentlicher Kritik aus. In einem weiteren Artikel über Harding und ihre beste Freundin, der 1986 in der Washington Post erschien, spricht derselbe Autor von der "verdächtigen Obsession" der First Lady für das Okkulte.

Gegen Ende der Amtszeit von Ronald Reagan sprach der Pressesprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, mit der New York Times über Reagans Vorliebe für die Astrologie. Kurz zuvor hatte der ehemalige Stabschefs des Weißen Hauses, Donald T. Regan, in seinen Memoiren über die spirituellen Gewohnheiten des Paars gesprochen. "Es stimmt, dass sich Misses Reagan für Astrologie interessiert", sagte Fitzwater. "Das war vor allem in der Zeit nach dem Mordanschlag im März 1981 der Fall. Sie war sehr besorgt um das Wohlergehen ihres Mannes und die Astrologie hat dabei eine Rolle gespielt."

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Die Verantwortlichen im Weißen Haus betonten, dass Astrologie keinerlei Einfluss auf politische Entscheidungen hatte. Dasselbe konnte allerdings nicht über zeitliche Abläufe gesagt werden, wie Fitzwater zugeben musste: So bestimmte der Glaube an das Okkulte beispielsweise, wann der beste Zeitpunkt sei um zu verkünden, dass sich Reagan zur Wiederwahl stellen würde. Auch nach Jahrzehnten war Nancys Beziehung (und in gewissem Maße auch die ihres Mannes) zu einem Astrologen Thema von Artikeln in USA Today und der New York Times. Die Los Angeles Times konzentrierte sich in ihrem Nachruf auf die First Lady im vergangenen Jahr auf ihre Leidenschaft für Horoskope und merkte dazu auch an, dass sie deswegen oft verspottet wurde.

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Obwohl Clintons "imaginative Übungen" wohl kaum als spirituelle oder okkulte Praktik bezeichnet werden können, wurden auch ihre imaginären Gespräche mit Roosevelt zum Gespött. "[Die Öffentlichkeit] glaubt, dass der Präsident und die First Lady primär traditionelle Glaubensvorstellungen haben sollten", sagt Krider. "Viele nehmen an, dass der Glaube [an das Okkulte] als unchristlich betrachtet würde."

Wenn man aber einen Moment innehält und versucht, in Nancy Reagan eine ganz normale Ehefrau zu sehen, die entsetzt auf die Möglichkeit reagierte, dass ihr Mann sterben könnte – und man in ihr nicht die Frau sieht, die sich in den 1980er-Jahren zurückgelehnt und zugesehen hat, wie die USA durch die AIDS-Epidemie getroffen wurden –, dann kann man mit Kriders abschließendem Worten vielleicht sogar ein wenig sympathisieren: "First Ladys sind genau wie du und ich. Sie haben Probleme im Leben und sind verzweifelt auf der Suche nach Antworten."

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