Frauen teilen ihre schönsten (und schlimmsten) Oktoberfest-Erlebnisse
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Kultur

Frauen teilen ihre schönsten (und schlimmsten) Oktoberfest-Erlebnisse

Abseits der promigefüllten Festzelte schreibt das Wiesn-Leben die besten Geschichten—zumindest manchmal. Wir haben sie aufgeschrieben.

Bier, Tracht und jede Menge Touristen—auch in diesem Jahr wieder heißt es in München „O'zapft is". Bis Anfang Oktober ist die bayerische Landeshauptstadt das Epizentrum von all dem, was sich Menschen aus anderen Regionen der Erde unter „typisch deutsch" vorstellen. Inwiefern das berechtigt ist, sei mal dahingestellt. Tatsächlich gibt es aber im In- und Ausland genug Oktoberfest-Adaptionen, um sagen zu können: Vollrausch im völkischen Gewand scheint dem Mensch an sich ein Naturbedürfnis zu sein.

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Aber lohnt es sich, inmitten von tausenden schwitzenden, aufdringlichen und im Zweifelsfall extrem betrunkenen Menschen zu Volksmusik zu schunkeln und dabei an der Jahr für Jahr stetig teurer werdenden Maß zu nippen? Wir haben Frauen nach ihren wildesten, absurdesten und unangenehmsten Wiesn-Geschichten gefragt und sind zu dem Schluss gekommen: Vielleicht.

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Annette*: Blackout in der Achterbahn
Vorab möchte ich sagen, dass ich wirklich kein guter Trinker bin. Typ: Drei Bier in einer Clubnacht, vielleicht zwei Maß über einen gesamtem Wiesntag. Und dann kam der Tag, an dem es besser lief. Eine Maß im Biergarten, schnell ein Hendl, dann noch zwei (!) im Zelt. Aufm Weg nach Hause sah ich den Schnapsstand und das nächste, was ich weiß: dass ich im hohen Kettenkarussell saß—ohne zu wissen, wie ich da hingekommen war. Immerhin musste ich nicht aus 50 Meter Höhe auf die betrunkene Menge kotzen. Als ich morgens mit leichtem Schädel aufwachte und Kassensturz machte, wunderte ich mich ziemlich. Wurde ich bestohlen oder hatte ich wirklich 100 Euro versoffen?

Als ich meinen Kumpel fragte, ob er sich vorstellen könnte, was mit meinem Geld passiert sei, lachte er nur—und erzählte mir von dem Teil des Abends, den ich anscheinend komplett vergessen hatte: Wie ich zielstrebig zum Schnapsstand rannte, uns direkt vier bestellt habe, ihn danach in die Achterbahn zwang, danach in die Geisterbahn, dann noch ein Schnaps und dann erst zum Kettenkarussell ging. Es waren wohl auch drei Maß im Zelt. Ich habe ihm natürlich kein Wort geglaubt. Sich an eine langweilige Heimfahrt nicht erinnern können ist das eine, die Olympiabahn zu vergessen eigentlich schier unmöglich. Wollte ich ihm natürlich so alles nicht glauben. Leider waren die Fotos auf meinem Handy ein klarer Beweis, dass er Recht hatte und ich einen amtlichen Filmriss. Mann, Achterbahn fahren vergessen. Dumm und teuer!

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Als ich mich zurück auf die Bierbank hieven konnte, bemerkte ich, dass alles voller Blut war.

Clara: Ein Dirndl voll Blut
Da ich in München aufgewachsen bin, habe ich schon in jungen Jahren viele Tage im Bierzelt verbracht. Wir waren alle minderjährig und haben eine Maß nach der anderen getrunken, was man eben so macht, um die Teenagerlangeweile zu vertreiben. Einmal—ich war circa 15—bin ich betrunken von der Bierbank gefallen und mit meinem kurzen Dirndl in einem Scherbenhaufen gelandet. Dabei habe ich mir nicht nur den Kopf am Tisch angehauen, sondern auch meine Hände und Beine an den zerbrochenen Bierkrügen aufgeschlitzt. Als ich mich zurück auf die Bierbank hieven konnte, bemerkte ich, dass alles voller Blut war. Es waren keine schlimmen Verletzungen, aber da ich kein Blut sehen kann, bin ich kurzerhand auf der Bierbank ohnmächtig geworden.

Als ich nach einer Weile wieder zu mir gekommen bin (selbstverständlich mit hochgerutschtem Dirndl), habe ich von unten meine Freundinnen direkt neben mir beim Tanzen entdeckt. Ich habe eine von ihnen zu mir runtergezogen, um sie zu fragen, wie lange ich ohnmächtig war. Sie blickte mich nur verwirrt an: „Ich dachte, du machst ein Nickerchen?" Es ist nun mal das Normalste der Welt, auf der Theresienwiese einzuschlafen—ganz egal wo. Ich habe es meinen Freundinnen nicht mal übel genommen. Ich bin einfach aufgestanden, zur U-Bahn gelaufen und nach Hause gefahren.

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Alle Fotos: imago | Ralph Peters

Jenny: Rasend vor Eifersucht
Typen, die ihren Freundinnen zeitgleich die Haare aus dem Gesicht und die Brüste im Zaun halten müssen, während sie sich in irgendeiner Ecke übergeben. Mädels, die ihren Typen anschreien, weil er zu tief in ein falsches Dekolleté geschaut hat oder irgendwem eine gelangt hat—was habe ich immer gelacht, wenn Pärchen sich auf der Wiesn gestritten haben. Das Besondere an diesen Streitereien ist, dass sie meist total belanglos sind, diese sich aber innerhalb Sekunden in ein solches Drama verwandeln, dass man um fliegende Maßkrüge fürchten muss. Kurz: Beziehungsdramen auf der Wiesn sind an Peinlichkeit nicht zu übertreffen. Bis es mir dann auch mal passierte.

Ein Ex-Freund von mir flirtete bei einem gemeinsamen Oktoberfestbesuch mit einem anderen Mädchen—zumindest kam mir das damals so vor. Er hat neben ihr gesessen und mit ihr geredet. Sicher auch mal gelacht. Am Ende sogar geschunkelt! Grund genug für mich, ihm auf dem Weg nach Hause eine Riesenszene zu machen. Ich brüllte ihn an, dass er „die dumme Fot** auch direkt vor meinen Augen hätte ficken können", was mir im Nachhinein selbst etwas übertrieben vorkommt. Die vielleicht fünf Minuten, die die beiden miteinander gesprochen hatten, arteten im Wiesn-Wahn vor meinen Augen zu einer spruchreifen Affäre aus. Ihm wohl auch, denn er machte eiskalt Schluss. Nach zwei Jahren Beziehung. Als wir vollständig ausgenüchtert waren, kamen wir aber wieder zusammen—ungefähr zwei Tage später.

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Annabell: Kulturschock mal anders
Mein erster Oktoberfestbesuch endete direkt in einer Situation, für die ich mich heute noch ein bisschen schäme. Mit 14 Jahren ging ich zum ersten Mal ohne meine Eltern aufs Oktoberfest. Direkt nach der Schule, zusammen mit ein paar Freunden. Wir tranken viel Bier, ich überschätzte mich natürlich maßlos und saß schließlich vorzeitig und alleine in der Bahn, um nach Hause zu fahren und in mein Bett zu fallen.

Ich war offensichtlich minderjährig, offensichtlich betrunken und trug einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel.

Ich teilte mir das Abteil mit einer arabischen Familie, die mich—vielleicht auch aus Angst davor, ihre Kinder negativ zu beeinflussen—argwöhnisch beäugten. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Ich war offensichtlich minderjährig, offensichtlich betrunken und trug einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel. Als wäre das noch nicht unangenehm genug gewesen, meldete sich schließlich auch noch mein überlasteter Magen zu Wort und ich übergab mich im hohen Bogen auf meine Mitfahrer. An ihre Reaktion kann ich mich leider nicht mehr erinnern, es war aber bestimmt ein ziemlicher Kulturschock.

Laura: Feiern mit dem SEK
Bevor ich das erste Mal auf die Wiesn ging, stellte ich mir die gleichen Fragen, die sich sicher jede Frau stellt: Wie oft werde ich angerauscht? Werde ich angekotzt? Wie viele ekelhaften Anmachen muss ich mir gefallen lassen? Sollte ich meinen Selbstverteidigungskurs auffrischen, um lebendig wieder nach Hause zu kommen.? All diese Fragen wurden mit der puren Anwesenheit eines Kumpels beantwortet. Er ist beim SEK und zusätzlich ziemlich eifersüchtig—weshalb er seine Freundin auf dem Oktoberfest immer bis zur Toilette begleitete. Ich hielt das für ein wenig übertrieben, habe diesen Begleitschutz aber trotzdem dankend in Kauf genommen.

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Tatsächlich hat er auf den paar Metern zur Toilette nicht nur einem, der uns krumm kam, die Schulter ausgekugelt. Ich hatte gar keine Zeit, die Typen zu beleidigen, da lagen sie schon auf dem Boden. Da er den Überraschungseffekt immer auf seiner Seite hatte und ein echter Profi war, haben die nicht mal geschrien—und wenn waren wir schon langst 20 Meter (ein halber Marathon im Gedränge) weiter weg. Klar, so richtig korrekt war das nicht von ihm. Frauen auf dem Weg zur Toilette angrabschen ist es aber eben auch nicht.

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Kerstin: Wohoooo, Freibier!
Einmal haben mich meine Freundinnen aus Schweden und Norwegen besucht. Jeder Nicht-Bayer behauptet ja, dass das Oktoberfest unendlich teuer sei. Jeder Bayer behauptet, dass die Wiesn unfassbar teuer geworden ist. Schweden und Norweger hingegen freuen sich wahnsinnig über die „niedrigen" Bierpreise. So sehr, dass sich Schwedinnen drei Maß reinstellen, ein kurzes Nickerchen machen, sich eventuell kurz übergeben und dann noch mal zwei Maß bestellen. Was für Außenstehende umso absurder gewirkt haben darf, als dass meine Freundinnen dem typischen Skandinavier-Klischee entsprachen: groß, blond und mit echter Modelfigur.

Weil sie so begeistert davon waren, sich im Gegensatz zu ihrer Heimat „kostengünstig" betrinken zu können, haben sie mir ebenfalls eine Maß nach der anderen ausgegeben. Ich habe eine Maß ausgelassen, eine Radlermaß gehabt und mir war trotzdem schlecht. Richtig dramatisch wurde es aber erst, als sie auf dem Heimweg den Schnapsstand entdeckten. Wer sich über zehn Euro für ein Bier freut, freut sich erst richtig über Schnaps für drei Euro. Guter Gastgeber der ich bin, habe ich einfach mitgetrunken, weswegen ich leider nicht mehr weiß, ob und wie sie zurück nach Schweden gekommen sind.


* Namen von der Redaktion geändert