Was tun, wenn der eigene Fetisch unmöglich zu befriedigen ist?

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Sex

Was tun, wenn der eigene Fetisch unmöglich zu befriedigen ist?

Sexuelle Erfüllung ist nicht einfach zu erreichen, wenn man nur auf Riesen, Aliens oder den Eiffelturm steht. Wir haben mit Betroffenen gesprochen.

Fetische kommen in allen möglichen Formen daher—egal ob man nun darauf steht, an Zehen zu lutschen oder von einem Außerirdischen penetriert zu werden. Einige sexuelle Wünsche sind dabei natürlich nicht so einfach zu erfüllen wie andere. Manche Menschen sehnen sich zum Beispiel danach, von einer riesigen Frau zertrampelt oder von einem Drachen anal verschluckt zu werden. Solche Fetische sind doch eher etwas unpraktisch und stellen die betroffenen Menschen vor größere Hürden als etwa die Beichte, es im Bett etwas härter zu mögen.

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"Ich sage immer, dass man Fetische gut mit Schneeflocken vergleichen kann: Sie sind nämlich alle sehr komplex und einzigartig", erzählt Jackie Castro, eine Sexualtherapeutin und die Autorin des Buchs Fetish and You. "Bei manchen Fetischen wie etwa Makrophilie, einer Vorliebe für besonders große Menschen, ist das Ausleben allerdings doch sehr eingeschränkt. Wie geht man mit dieser Situation dann um?"

Laut Castro, die sich jetzt schon seit über 30 Jahren mit Fetischen beschäftigt, ist ein unmöglich zu befriedigender Fetisch definitiv nicht einfach, aber man hat trotzdem immer ein paar Optionen.

"Solche Fetische wirken sich sowohl mental als auch emotional auf die betroffenen Personen aus. Deshalb wollen sie auch, dass ich ihnen helfe", meint die Therapeutin. "Die meisten unserer sexuellen Vorlieben spielen sich im Gehirn ab. Deshalb muss man zum Beispiel akzeptieren, dass man zwar keinen wirklichen Sex mit einem Alien haben, sich das Ganze allerdings vorstellen kann." Aber kann eine blühende Fantasie tiefgreifende Bedürfnisse tatsächlich befriedigen? Wir haben uns mit einigen Menschen, die "unmögliche" Fetische haben, unterhalten und sie gefragt, wie sie mit ihrer Situation klarkommen.

Die groß gewachsene Tina hat einen Riesenfetisch (Makrophilie) und wird dementsprechend von der Vorstellung erregt, eine Riesin zu sein—egal ob nun 15 Meter groß oder so riesig wie das ganze Universum.

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VICE: Wie sieht dein ideales sexuelles Szenario aus?
Tina: Da ist immer eine Art Machtdynamik im Spiel. Die Interaktionen liegen dann irgendwo im Bereich zwischen sanfter Dominanz und dem vollständigen Zerstören meiner Partner. Andere Mitglieder aus der Riesen-Community könnten mich wohl als "erbarmungslose Gigantin" bezeichnen. Ich würde gerne ein Dutzend kleine Menschen in meiner Hand halten und dabei zusehen, wie sie sich winden und nur mit Mühe die Balance halten können. Dann würde ich mit meiner Zungenspitze ganz sanft die Mitte meiner Handfläche berühren und die kleinen Menschen zusammenbringen. Anschließend würde ich mit ihnen noch ein wenig weiter herumspielen und hier und da vielleicht einen Menschen herunterfallen lassen oder kichernd zwischen meinen Brüsten zerquetschen …


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Wie gehst du mit der Tatsache um, dass du deine tiefsten sexuellen Wünsche niemals ausleben kannst?
Ich habe meine sexuelle Fantasie schon immer nur als Fantasie angesehen. Meine Vorstellungskraft hat bei diesem Prozess seit jeher eine wichtige Rolle gespielt: Je öfter ich mir gewisse Dinge vorstelle, desto "realer" werden sie. Jeder weiß, dass meine Fantasie niemals wahr werden wird—und deswegen ist sie auch irgendwie süß und so lebhaft. Außerdem schätze ich jedes Leben und könnte keiner Fliege etwas zuleide tun.

Wie befriedigst du dich dann?
Hier wird es interessant, denn ich setze meine Fantasie zu diesem Zweck auf verschiedene Arten und Weisen um: Ich schreibe Geschichten, ich kreiere Spiele, ich male, ich erstelle Computeranimationen und ich bearbeite Fotos. Manchmal nehme ich auch an Rollenspielen teil. Die meisten Mitglieder dieser Community besitzen irgendein künstlerisches Talent. Das ist fast schon Pflicht.

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Ist dein Fetisch manchmal auch Teil deines wirklichen Sexlebens?
Mein Partner hat zwar nicht die gleichen Vorlieben, aber wie kommunizieren viel und deshalb ist unser Sexleben auch so erfüllend.

Rose ist 29 Jahre alt und exophil. In anderen Worten: Sie fühlt sich zu Aliens hingezogen. Dieser Fetisch entwickelte sich bei Rose, nachdem sie als junges Mädchen Star Trek gesehen hatte.

VICE: Erzähl uns doch bitte ein wenig von deinem Fetisch.
Rose: Exophilie ist das sexuelle und emotionale Verlangen nach etwas, das nicht auf der Erde existiert. Charakteristisch dafür ist auch die Erregung, die Aliens oder Abbildungen davon auslösen. Was mich anmacht, ist der Gedanke an die mögliche Existenz von anderen intelligenten Wesen in einer weit entfernten Galaxie und wie sie sich fragen, ob es uns gibt. Dazu kommen dann noch Schwerelosigkeit, die Kälte des Weltalls, die Gefahren, die endlosen Möglichkeiten des Universums, die multidimensionalen Wesen, die einen gedanklich kontrollieren können, sowie die planetarischen Nebel.

Neben einer tatsächlichen Begegnung oder Entführung gibt es ja kaum etwas, das deinen Fetisch befriedigen kann. Wie gehst du diesbezüglich also vor?
Mit indirektem Ersatz. Exophile Menschen geben sich Science-Fiction-Filmen und den darin zu sehenden Alien-Charakteren hin. Außerdem fühlen wir uns zu NASA-Astronauten und selbst zu Alien-Experten bzw. Ufologen hingezogen. Rollenspiele und Cosplay haben da selbstverständlich auch noch eine wichtige Rolle.

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Dazu gibt es die Theorie, dass alle Wesen des Universums im Geiste verbunden sind. Es wurde zum Beispiel durch Dr. Steven M. Greer schon mehrfach gezeigt, dass wir in der Lage sind, mit außerirdischen Wesen telepathisch in Verbindung zu treten. Ich glaube, dass wir mithilfe von unserem Bewusstsein und von Meditation so auch sexuellen Kontakt mit diesen Wesen haben können.

Welche Rolle nimmt Kunst bei deinem Fetisch ein?
Die Kunst ermöglicht es mir, mein eigenes Alien-Universum zu erschaffen. Durch meine Vorstellungskraft kann ich jede Umgebung und jedes Wesen kreieren, das ich mir wünsche. Ich schreibe meine eigenen Science-Fiction-Erotikgeschichten, in denen ich die Protagonistin bin. Außerdem stehe ich auf andere Menschen mit den gleichen Interessen und Leidenschaften. Im besten Falle sehen diese Menschen sogar etwas abnormal oder außerirdisch aus. Natürlich ist das alles nichts im Vergleich zu einer echten Begegnung. Im Weltraum ist alles möglich.

Schaffst du es durch das alles, deine sexuellen Wünsche zu erfüllen?
Ich halte es für möglich, dass wir unsere Exophilie unwissend schon richtig ausleben. Ich meine, vielleicht existieren Aliens ja wirklich und sie kommen bloß nicht auf die Erde? Oder sie besuchen uns, meiden dann aber die Exophilen? Vielleicht treten sie aber auch mit uns in Kontakt und wir können uns bloß nicht daran erinnern? Oder sie leben bereits unter uns und wir erzeugen schon die ganze Zeit "Mischwesen"? Ich glaube, dass es bei vielen Fetischen nur darauf ankommt, mithilfe der Vorstellungskraft alle Möglichkeiten durchzuspielen und auszureizen. Meine exophile Fantasie kennt keine Grenzen und deshalb schaffe ich es tatsächlich, meine sexuellen Wünsche zu erfüllen.

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Eka kommt aus Kanada und ist schon seit gut 14 Jahren Teil der sogenannten "Vore"-Community, die es sexualisiert, von einem anderen Wesen verschlungen zu werden. Außerdem hat sie die Fetisch-Website Eka's Portal ins Leben gerufen.

VICE: Was genau hat man sich unter Vorarephilie vorzustellen?
Eka: Es gibt unzählige verschiedene sexuelle Szenarien. Eines der verbreitetsten Beispiele ist dabei ganz einfach: in einer anderen Kreatur gefangen zu sein. Das sieht man doch immer wieder in diversen Cartoons, Videospielen oder Science-Fiction-Filmen. Da fehlt natürlich nicht mehr viel und das Ganze bekommt von irgendwem einen sexuellen Anstrich verpasst.

Gibt es eine Möglichkeit, den Vore-Fetisch im echten Leben umzusetzen?
Mit den aktuellen Entwicklungen im Bereich Virtual Reality ist da schon Potenzial vorhanden. Für manche Menschen reicht es aber auch schon aus, einfach nur die Augen zu schließen und sich Geräusche anzuhören. Andere wickeln sich in Decken ein und stellen sich dabei vor, wie diese Decken lebendig werden und sie verschlingen. Natürlich sind wir aber alle anders und die meisten Vore-Fetische können in der Realität kaum umgesetzt werden. Denn selbst wenn einen die Vorstellung, verspeist zu werden, richtig anmacht, würde man dafür niemals sein Leben aufs Spiel setzen.

Und wie verschaffst du dir dann deine Befriedigung?
Die Medien sind tatsächlich voll mit Vorlagen. Es gibt jedoch auch viele Mitglieder unserer Community, die Künstlern viel Geld dafür bezahlen, ihr persönliches Lieblingsszenario zu zeichnen oder am Computer umzusetzen. Viele von uns geben sich textbasierten Rollenspielen hin. Es gibt zwar auch tatsächliche Rollenspiele, aber aufgrund der doch sehr ungewöhnlichen Art des Fetisches kommt das nur sehr selten vor.

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Erika Eiffel ist eine Objektsexuelle, die ihren Namen geändert hat, um ihre Bindung an den Eiffelturm zu signalisieren. Sie hat 2008 die Website OS Internationale gegründet, um Aufmerksamkeit auf das Thema Objektsexualität zu lenken.

VICE: Was ist Objektsexualität?
Erika: Objektsexualität ist eine natürliche Neigung, tiefgründige und bedeutungsvolle Beziehungen zu Objekten zu entwickeln, die im Auge des Betrachters eine gewisse Einzigartigkeit besitzen. Leute, die Witze machen, wir würden uns in Toaster oder Bleistifte verlieben, haben nicht verstanden, dass OS-Leute etwas Einzigartiges an dem attraktiven Objekt finden. Wenn dein Liebhaber 10.000 Zwillinge hätte, wäre er vielleicht nicht so anziehend für dich.

Kannst du erklären, warum du die Objektsexualität nicht als Fetisch siehst?
OS ist kein Fetisch, weil hier das Element fehlt, dass es sich um eine gewohnheitsmäßige psychosexuelle Reaktion auf einen Gegenstand handelt. Ein Fetisch bedeutet, dass das Objekt nur da ist, um als Mittel zum Zweck der sexuellen Befriedigung zu dienen. OS-Leute fühlen sich nicht aufgrund von sexuellen Gefühlen zu einem Objekt hingezogen. Stattdessen entwickeln sie intime Gefühle aus einer emotionalen Anziehung heraus.

Können sexuelle Wünsche in einer OS-Beziehung erfüllt werden?
Da Gegenstände und Menschen keine von Natur aus ineinanderpassenden Puzzleteile sind, geht es bei der intimen Zuneigungsbekundung nicht um Geschlechtsverkehr. Daraus ergibt sich eine gewisse Freiheit, weil wir uns nicht an bestimmte Standards gebunden fühlen, wie man intim zu sein hat. Viele OS-Leute sind auch Synästheten, und da hier die Sinne stärker miteinander verknüpft sind, sind an einem Höhepunkt oft nicht nur die üblichen erogenen Zonen beteiligt.

Wie sieht das dann also aus?
Auch wenn es erst einmal schwierig aussieht, völlig verschiedene Puzzleteile zusammenzufügen, können OS-Leute ihr Verlangen auf unkonventionelle Art stillen. Natürlich haben wir auch gewöhnlichere Formen der Intimität, wie Umarmungen, Küsse und Streicheln. Aber wir müssen hier nicht die Semantik romantischer Beziehungen besprechen. Es gibt gewisse Fragen, die besser unbeantwortet bleiben. Wenn nicht, um etwas Persönliches und Heiliges zu bewahren, dann doch, um das Geheimnisvolle an unserer schönen und einzigartigen Form der Liebe zu erhalten.

Alle Illustrationen: Heather Benjamin

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