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Tiere

Angstschweiß und Spinnenbisse: Ein Besuch im Insekten-Streichelzoo

Meine Begegnung mit einem afrikanischen Tausendfüßler, einer Kakerlake und einer Vogelspinne hat nur zu einer Erkenntnis geführt: Insekten sind schrecklich.
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Insekten sehen aus, als wären sie das Ergebnis erster Experimente aus einer Zeit, als die Natur herauszufinden versuchte, welche Form der Körper eines Tieres haben muss. Abgesehen davon sind sie einfach nur schrecklich: Tagsüber müssen wir Angst haben, dass sie uns stechen oder beißen oder uneingeladen in unserer Wohnung herumlaufen oder -fliegen. Nachts wird es noch schlimmer, weil wir, wenn wir schlafen, nicht sehen können, was sie vorhaben und sie uns unbemerkt in den Mund krabbeln oder Eier in unsere Ohren legen können. Bienen sind, wie ich finde, in Ordnung (aus umwelttechnischen Gründen), aber Bettwanzen und andere weitaus verstörendere Insekten stellen eine ganz andere Form des Psychoterrors dar. Und von Spinnen wollen wir gar nicht erst anfangen (auch wenn sie strenggenommen keine Insekten sind).

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Im New Yorker Morbid Anatomy Museum, dem wohl ungewöhnlichsten Ausstellungsort in ganz Brooklyn, wurde genau diese Form von Landplagen in einem absonderlichen Streichelzoo ausgestellt—gemeinsam mit Reptilien, Amphibien und einer Krabbe. Wer genau lieber eine Vogelspinne als eine Ziege streicheln würde, fragt ihr euch? Ich bin losgezogen, um es herauszufinden.

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Ein Mann, der wie ein Zauberer angezogen war, enthüllte im abgedunkelten Keller des Museums seinen Tisch des Schreckens: große Kunststoffbehälter voller unterschiedlicher Käfer und Madagaskar-Fauchschaben, daneben eine haarige Vogelspinne, die schon fast aussah wie ein Säugetier und Ratten, die im Vergleich dazu ziemlich niedlich aussahen. Wirklich hübsch war der Leopardgecko und die Krötenechse. Außerdem gab es noch einen Aal, seltsame Insekten mit Flügeln statt Beinen und eine Krabbe, die so schnell war, dass man sie nicht aus ihrem Behältnis nehmen durfte. (Ich habe es später trotzdem getan, woraufhin sie über den Tisch gerast ist und dabei bedrohlich mit ihren übergroßen Scheren gewackelt hat. Alle sind wahnsinnig erschrocken, aber ich habe keinen Ärger bekommen.)

Der mysteriöse Insektenzauberer stellte sich selbst als Aaron Rodriguez vor. „Ich sammle verschiedene Tiere wie Reptilien, Insekten und Spinnen und führe sie dann anderen Leuten vor", erklärte er. Rodriguez sagte, dass er ein Jahr lang mit seiner Wanderausstellung aus winzigen Monstern unterwegs sein wird. „Eine Botschaft, die ich für die Leute habe, ist, dass wir unsere Angst und unser Unbehagen vor Dingen, die wir nicht verstehen oder vor denen wir uns fürchten, überwinden sollten", erklärt er. „Je mehr wir über Dinge wissen, desto weniger Angst haben wir vor ihnen. Langfristig lässt sich das natürlich auch auf andere Dinge anwenden. Ich denke, dass die Angst vor dem Fremden viele Bereiche unseres Lebens beeinflusst und uns davon abhält, neue und unbekannte Dinge kennenzulernen." Mit diesem moralischen Fingerzeig lud er dann alle Leute dazu ein, sich über die Insekten herzumachen. „Ihr könnt alles anfassen", meinte er. „Sie sind komplett harmlos."

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Die Angst vor dem Fremden beeinflusst viele Bereiche unseres Lebens und hält uns davon ab, neue und unbekannte Dinge kennenzulernen.

Ich ließ meinen Blick über das Horrorkabinett schweifen und wusste sofort, dass ich kein Insekt anfassen würde—ganz egal, welche empathischen Kräfte es mir verleihen würde. Theoretisch kann ich natürlich nachvollziehen, dass buddhistische Mönche beim Laufen den Boden vor ihren Füßen kehren, um jede noch so kleine Kreatur, die dort unbekümmert auf dem Weg sitzen könnte, beiseite zu fegen. Alles und jeden auf dieser Welt als gleichwertig zu betrachten, ist eine wunderbare Idee. Natürlich spielt jedes Lebewesen in unserem Ökosystem eine wichtige Rolle (ja, sogar Kakerlaken), aber Insekten sind doch insbesondere eins: effiziente Brutmaschinen mit einer kurzen Lebensspanne. Die Käfer in der Ausstellung schienen sich jedenfalls durchweg zu bespringen—man konnte sie noch nicht einmal für einen kurzen Moment aus dem Behälter holen. Am Besten gefielen mir die Eidechsen.

Unter den Besuchern waren einige Personen, die die Veranstaltung als eine Art Chance sahen, ihre offensichtliche Angst vor Insekten zu überwinden. Es gab auch Leute, die ganz klar total auf Insekten standen und dann gab es da noch Leute wie mich: Die, deren Abscheu je nach Tierart variierte. „Mir schlägt das Herz bis zum Hals", gestand mir eine Frau, die wohl die mit Abstand größte Angst von allen im Raum zu haben schien.

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„Ich habe ein Chameleon, dem ich ziemlich viele Insekten füttere", sagte ich und zeigte auf die Raupen und Larven. „Aber ich schaufle sie mit einem Löffel in ein Glas. Ich vermeide den direkten Kontakt zu ihnen." Meine Anekdote schien sie nicht sonderlich zu interessieren.

„Ich habe eine krankhafte Phobie und versuche … ", begann sie zu erklären, bevor sie von einem 43 Zentimeter langen afrikanischen Tausendfüßler unterbrochen wurde. „Oh mein Gott! Ich kann kaum atmen."

Eine andere Frau, die entweder mutig genug war oder einfach nur Pech hatte und zu nah an Rodriguez stand, als er das riesige Vieh aus seiner Box holte, erklärte sich bereit, „sie" (den Tausendfüßler) zu halten. Rodriguez sprach über alle seine Tiere mit dem weiblichen Pronomen, ich fand das aber ziemlich unangebracht. Während sich der Tausendfüßler den Arm der Besucherin entlang nach oben schlängelte, begann sie zu lächeln, bis sie irgendwann nur noch unkontrolliert lachte. In ihren Augen konnte man sehen, dass ihr schlimmster Albtraum gerade Realität wurde. Als der Tausendfüßler später einer anderen Person übergeben wurde, streckte ich meine Hand aus, um seine Beine zu berühren. Sie fühlten sich an wie Federn, was nicht allzu schlimm war. Gerade hatte ich all meinen Mut zusammengenommen, um das kleine Monster selbst auf die Hand zu nehmen, da hörte ich jemanden sagen, dass er davon Ausschlag bekommen hatte. Deswegen habe ich es mir dann doch nochmal anders überlegt.

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Ein afrikanischer Tausendfüßler (links) und die Larve eines Tabakkäfers (rechts).

Ich wandte mich den Behältern mit den Käfern und Kakerlaken zu. Die Käfer waren immer noch am Vögeln, deswegen wollte ich sie nicht weiter stören, aber die Kakerlaken sahen eigentlich ziemlich zahm aus. Ich strich ihnen leicht über den Rücken. Dabei konnte ich die Rillen ihres Panzers unter meinen Fingern spüren, was ziemlich cool war. Ich beschloss, sie rauszunehmen.

Keine gute Idee.

Ich hatte zwar keinen Ausschlag, aber mein Finger fühlte sich extrem komisch an.

Während die Kakerlake einfach nur schwerfällig auf meiner Hand rumsaß, bekam ich ein komisches Gefühl im kleinen Finger, das auch dann noch anhielt, als ich sie längst abgesetzt hatte. Ich hatte zwar keinen Ausschlag, aber mein Finger fühlte sich extrem komisch an.

Ich beschloss, mich abzulenken und wendete meiner Aufmerksamkeit der gewaltigen Vogelspinne zu. Ihr kräftiger Körpers, aus dem viele unglaublich haarige Beine wuchsen, war ziemlich einschüchternd. Doch während ich zusah, wie andere Leute sie rausnahmen, fing ich an, sie irgendwie süß zu finden—sie sah fast aus wie ein kleiner Hund. „Ist gar nicht so schlimm!" war auch die vorherrschende Meinung der Leute, die sie auf die Hand nahmen.

Die fiese Vogelspinne.

Selbst die panische Frau vom Anfang ließ sich überzeugen und streckte ihre Hände erwartungsvoll aus, während die Vogelspinne vom Arm ihres Gegenübers auf ihre Hände krabbelte. Plötzlich fing sie an … zu kacken? Zu pinkeln? Ein Netz zu spinnen? Was es auch war, plötzlich zog sie eine lange, dünne schleimartige Spur hinter sich her. „Oh", sagte die Frau beunruhigt, aber nicht abgeschreckt. Gerade hatte sie noch verkündet, das Tier „wirklich süß" zu finden, als das passierte, was jeder Spinnenphobiker womöglich schon längst befürchtet hatte.

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„Oh mein Gott! Sie beißt mich. Ich glaube, sie beißt mich!", rief die Frau und schüttelte die Vogelspinne ab. Auf ihrer Hand konnte man eine kleine blutige Bissspur erkennen. Sie rannte zu Rodriguez.

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„Ich glaube die Vogelspinne hat mich gerade gebissen", sagte sie. „Das ist nicht schlimm, aber ich wollte nur Bescheid geben." Sie klang sehr zaghaft, fast so, als hätte sie die Vogelspinne gebissen und nicht anders herum.

„Wirklich?", meinte er und stürmte los, um den haarigen Flegel wieder einzufangen. „Das hat sie noch nie getan. Ich schwöre, das hat sie wirklich noch nie zuvor getan."

Während ich mir die ganze Szene so ansah, beschloss ich, dass ich genug von meiner Streichelzooerfahrung hatte. Außerdem fühlte sich mein kleiner Finger noch immer komisch an und ich wollte nicht das Risiko eingehen, noch weiter traumatisiert zu werden. Ich ging auf die Toilette und wusch mir die Hände. Zumindest mit einer Erkenntnis konnte ich den Nachhauseweg antreten: Egal, wie sehr man sich vor etwas ekelt—manchmal ist das Schlimmste, was passiert, eine leichte Hautirritation.