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Auf der Suche nach der Liebe: Warum wir immer noch Dating-Shows schauen

Es ist beruhigend zu sehen, dass die Menschen bei Dating-Sendungen auch keinen Erfolg bei der Partnersuche haben. Erfreuen wir uns am Leid der anderen oder wieso funktionieren Dating-Formate immer noch?
Foto: stock.tookapic.com | Pexels | CC0; Screenshot via YouTube

Es ist ein Moment, gemacht zum Mitfiebern. Offensichtlich fällt Felix nämlich die Wahl, die er nun verkünden muss, alles andere als leicht. Vor ihm stehen zwei als solche benannte „Traumfrauen", die es aus einer Masse von 14 Frauen in die finale Runde der neuen Dating-Show Match Factor geschafft haben. Als er sich schließlich für die sympathische und bodenständige Alina entscheidet, ist nicht nur diese sichtlich erleichtert, sondern ein ganzes Publikum bejubelt die Wahl. Mit den weisen Worten des Moderators werden die Zuschauer verabschiedet: „Wenn Sie sich nicht entscheiden können, ob Sie auf ihren Kopf oder ihren Bauch hören sollten, dann habe ich jetzt den ultimativen Tipp: Hören Sie einfach auf ihr Herz." Damit ist die große Frage der Dating-Show offenbar beantwortet.

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Match Factor ist laut ProSieben der revolutionäre Versuch, Big Data mit Big Dating zu paaren. Es erinnert allerdings alles ein bisschen zu sehr an bereits gesehene Formate wie beispielsweise Hochzeit auf den ersten Blick, wo man den perfekten Partner ebenfalls mit Hilfe der Wissenschaft finden wollte—und sogar gleich heiraten durfte. Zudem weist die Sendung erschreckend viele Ähnlichkeiten mit Tinder auf. Vom „Swipen" der Kandidatinnen in der ersten Runde über ausgewählte Bilder, die die „Top Matches" und „No Matches" in der zweiten Runde besser beschreiben sollen. Alles schon einmal gesehen, denken wir uns also. Trotzdem schalten wir ein—und das seit mittlerweile knapp drei Jahrzehnten. Warum vergeht uns die Lust an den Dating-Shows nicht?

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Das erste Mal wurde die Partnersuche im Fernsehen durch Herzblatt thematisiert. Mann und Frau suchten sich durch die passenden Antworten auf Fragen, die sich der sogenannte „Picker" selbst ausgedacht hatte. Am Ende der Sendung durfte jedes neugefundene Paar einen Helikopterflug machen. Die Flirt-Show gilt auch nach der Absetzung vor über zehn Jahren immer noch als eine der erfolgreichsten Dating-Sendungen im deutschsprachigen Fernsehen. Im Gegensatz zu Traumhochzeit und Nur die Liebe zählt, wurde hier nicht die Gestaltung einer Paarbeziehung in den Vordergrund gestellt, sondern die Partnersuche an sich.

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Knapp 30 Jahre nach Herzblatt gibt es zahlreiche Ableger, die uns die Tücken und Schwierigkeiten der Partnersuche auf dem Bildschirm zeigen. Dabei baut das Konzept der Dating-Shows auf unterschiedlichen Faktoren auf, die gerne auch als „Sozialexperiment" bezeichnet werden. Während sich Formate wie Hochzeit auf den ersten Blick oder Match Factor mit den angeblichen Erkenntnissen aus der Wissenschaft schmücken, wird bei Adam sucht Eva oder Kiss Bang Love mit der körperlichen Anziehung experimentiert.

„Es ist immer nur eine Variation. Ob man jetzt nackt den neuen Partner sucht oder auf einem Stuhl vor einer Wand sitzt", erklärt Claudia Töpper, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin, gegenüber Broadly. „Es geht immer nur darum, ob Liebe kontrollierbar ist. Kann man das steuern oder ist das etwas Irrationales? Im Grunde genommen ändern sich nur die Settings. Es geht einfach immer um die Frage des richtigen Verhaltens."

Es geht immer nur darum, ob Liebe kontrollierbar ist. Kann man das steuern oder ist das etwas Irrationales?

In unserer Zeit hat die Frage, wie man richtig flirtet, wahrscheinlich an Bedeutung zugenommen. Jeder fünfte Deutsche und fast ein Drittel aller Österreicher lebt ohne Partner—da fällt gerne mal der Begriff „beziehungsunfähig". Im Fernsehen kann man da ganz ohne eigene Verluste andere Menschen bei den Tücken des Datings beobachten.

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Darf in fast keiner Show fehlen: Alkohol vor romantischer Kulisse | Foto: pixabay.com | Pexels | CC0

Helfen uns also Dating-Sendungen, eine Antwort auf unsere verzweifelte Partnersuche zu finden? Es ist schließlich der am häufigsten ausgesprochene Satz in den Kandidierenden-Vorstellungsrunden: „Ich habe noch nicht den Richtigen oder die Richtige gefunden." Ein Satz, mit dem sich viele identifizieren können, die sich bei der Partnersuche ebenfalls schwer tun—auch oder gerade weil Online-Dating und Casual-Sex-Apps einem vermeintlich unbegrenzte Möglichkeiten zeigen.

Claudia Töpper weiß um die „Qual der Wahl" beim Dating: „Man selbst hat tausend Möglichkeiten, aus denen man auswählen kann. Ich glaube, dass Menschen in dieser Unsäglichkeit von Auswahlmöglichkeiten eine Handlungsanleitung suchen. Etwas wie einen Berechnungsfaktor, mit dem sie ihr Glück steuern können."

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Die ewige Suche nach dem Glück scheint oft in den Dating-Sendungen ihr Ende zu finden. Am Ende nämlich fallen sich die frisch Verliebten in die Arme und gewinnen neben der Gewissheit, endlich einen passenden Partner gefunden zu haben, auch noch eine Traumreise. Doch meistens dauert die angeblich so intensive Beziehung nur bis zum Ende der Ausstrahlung. Im Fall von Herzblatt beispielsweise haben nur zwei der 926 verkuppelten Paare den Weg zum Traualtar bestritten. Auch die letzte Rose der TV-Bachelors und Bachelorettes ist kein Garant für ewiges Glück: viele der Beziehungen hielten nicht einmal vom Ende der Auszeichnung bis zur letzten ausgestrahlten Folge.

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Trotzdem gelten Dating-Shows für viele als Hoffnungsträger der Romantik, wie eine Studie der Universität Michigan zeigt. Befragte, die Beziehungs-Realityshows wie Der Bachelor oder das amerikanische Millionaire Matchmaker schauten, glaubten auch stärker an Phänomene wie die wahre Liebe oder Liebe auf den ersten Blick.

Eine Erklärung dafür könnte sein, wie die Liebe im Fernsehen gezeigt wird. Liebe ist eigentlich etwas Ungreifbares, das zwei Menschen füreinander empfinden können. Deswegen bedient sich das Fernsehen verschiedener Parameter, um die Zuneigung sichtbar zu machen. Symbole wie Rosen, lange Aufnahmen der verliebten Blicke oder auch ein romantisches, außergewöhnliches Setting vermitteln uns ein Bild der Liebe, das im Alltag schwer umzusetzen ist. Es sind Parameter, die sich im Laufe der Zeit verändert haben und heutzutage auch immer oberflächlicher werden. „Bei Herzblatt war es eher statisch und es ging darum, richtige und lustige Antworten zu finden. Heute geht es eher darum, wie man sich richtig anzieht und auf den anderen wirkt. Es ist wie ein Benimmknigge: Wie flirte ich überhaupt richtig? Es wird versucht, Regeln für ein Feld festzulegen, das im allgemeinen Leben gar keine Regeln kennt", meint auch Claudia Töpper.

Ich glaube, dass Menschen in dieser Unsäglichkeit von Auswahlmöglichkeiten eine Handlungsanleitung suchen.

Die Regeln beziehen sich allerdings nicht mehr nur auf das Flirten an sich. Es wird zudem versucht, Antworten auf die Ängste der zwischenmenschlichen Beziehungen zu finden. Beispielsweise wie man sich gegen die starke Konkurrenz durchsetzt (Bachelor/Bachelorette) oder welche Rolle materielle Ansprüche bei der Partnerwahl spielen (Catch The Millionaire). Auch, wie man mit Ex-Partnern und der gemeinsamen Vergangenheit umgeht, wird in Dating-Sendungen wie dem MTV-Format Ex on the Beach thematisiert. Es sind nur wenige Beispiele aus dem Spektrum des Dating-Show-Wahnsinns. Wie in vielen Reality-TV-Sendungen ist auch hier die Umsetzung der Konzepte fraglich. Sexismus-Vorwürfe wie bei dem aktuellen Beispiel Match Factor, wo die Kandidatinnen nur in einer der vier Runden überhaupt reden dürfen oder auch die teilweise fragwürdige Darstellung von einzelnen Kandidierenden im Fall von Bauer sucht Frau oder dem Bachelor überschatten meist die Grundidee der Partnersuche.

Trotzdem verhindern selbst Skandale wie #Verafake nicht, dass jährlich neue Konzepte zur Partnersuche im Fernsehen vorgestellt werden. Auch Claudia Töpper zweifelt an einem baldigen Ende der TV-Partnersuche: „Solange immer noch so viele Beziehungen scheitern oder man permanent auf der Suche ist, werden Dating-Sendungen als Anbieter für Ratschläge und Tipps weiter existieren." Das Konzept der Liebe wird damit seit mittlerweile über 30 Jahren immer neu verhandelt.

Inwieweit wir dadurch erfolgreicher bei der Suche nach der oder des Einen sind, sei dahingestellt. Schließlich wird Match Factor nicht der letzte Versuch bleiben, die große Liebe und damit das Dating-Geheimrezept im Fernsehen zu finden.


Titelfoto: Collage von VICE Media (Foto: stock.tookapic.com | Pexels | CC0; Screenshot aus dem Bachelor-Trailer via YouTube)