So ist es, als große Frau fortzugehen

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So ist es, als große Frau fortzugehen

Wo Licht, da auch Schatten. In meinem Fall werfe ich einen besonders langen Schatten.

Wenn man nicht in die Norm fällt, hat man viele Nachteile, aber auch viele Vorteile im Leben. Es geht ganz kleinen Menschen genauso wie einem wunderschönen Model-Typen oder auch Menschen mit besonders lockigem Haar. Warum es nicht immer cool ist, so groß zu sein, kann man hier nachlesen. Aber abgesehen von meinen Problemen in der Jugend, hatte ich natürlich auch ein paar Vorteile mit meinem 184 cm – denn wo Schatten, da auch Licht. Wusstet ihr, dass wenn ein großes Mädchen schlank ist, sie grundsätzlich gefragt wird, ob sie zufällig modelt? Und wenn sie zunimmt, dann fragen die Leute eher: "Spielst du Basketball?" Diese Erkenntnis und viele mehr können schmerzhaft sein, sind aber durchaus immer speziell.

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Der Eintritt & der Alkohol-Kauf

Das erste Mal war ich mit 14 in einer Disco und ich hatte trotz einer nervösen und kindlichen Stimme überhaupt kein Problem damit, reinzukommen. Das hat sich mit 15 und auch eigentlich bis 18 nicht geändert. Da ich mit 14 bereits 180 cm groß war, hatte niemals ein Türsteher das Gefühl, mich nach einem Ausweis zu fragen oder sich an Jugendschutzgesetze halten zu müssen. Da ich auch so etwas wie ein typisch slawisches Aussehen habe (Quelle: Mein Papa), sucht man seit ich zirka vier Jahre alt war vergebens nach weichen und kindlichen Zügen in meinem Gesicht. Im Endeffekt habe ich niemals im Leben wie eine 14 bis 18-Jährige ausgesehen und wurde stets auf ein viel höheres Alter geschätzt.

Mit 17 war ich starke Cash Game Poker-Spielerin und musste in gewissen Card Casinos auch beim Auszahlen meinen Ausweis nicht herzeigen. Ich hätte viel Geld nicht gewonnen (und nicht verloren), wenn der Jugendschutz hier tatsächlich funktionieren würde. Wer weiß, vielleicht wäre aus mir ein Mensch, der mit Rauschmitteln und Glücksspielen umgehen kann, geworden.

Ich weiß, kaum vorstellbar, aber mich hat es tatsächlich eher gestört: Es ist nicht leiwand, die einzige im Freundeskreis zu sein, die immer Zigaretten und Alkohol kaufen muss. Dasselbe gilt für Sexshops. Es ist auch nicht so cool, in einen Club reinzukommen, wenn es all deine Freunde nicht tun. Wie oft war ich schon mit unter 18 im Club, habe Eintritt bezahlt und musste dann raus, weil meine minderjährige Begleitung abgewiesen oder ihre Passkopie-Fälschungen entlarvt worden sind.

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Wenn man mich heute nach einem Ausweis fragt, dann freue ich mich wie ein Schnitzel und fühle mich extrem jungaussehend. Ich bin wohl der einzige Mensch, der Polizisten bei Ausweiskontrollen angrinst – diese positive Attitüde hat mir bestimmt schon viel Ärger erspart. Ich werde auch seit ich circa 21 bin auf mein wahres Alter geschätzt, was natürlich auch viel Ego-Schmerz nimmt. Mit 15 zu hören, dass man wie 21 aussieht ist – spätestens beim vierten fremden Menschen – gar nicht so cool, wie man glauben mag. Mit 25 zu hören, dass man auch wirklich wie 25 aussieht, ist zwar auch nicht das Gelbe vom Ei, aber immerhin.

Die potenziellen Sexualpartner

Wenn ein Mann eine durchschnittlich große Frau in einem Club anspricht, dann können magische Dinge passieren: Vor allem, weil die Frau nicht genau sagen kann, warum sie angesprochen worden ist. Immerhin sind einige fesche, blonde und ähnlich große Frauen zugegen. Wenn ein Mann eine Frau, die über 180cm ist, im Club anspricht, dann weiß diese Frau ganz genau, warum sie angesprochen worden ist: Weil sie seinem langgewachsenen Typ entspricht.

Das klingt alles nicht so schlimm, immerhin werden alle Menschen wegen Oberflächlichkeiten angeflirtet. Aber mit circa 20 habe ich mich endgültig von der Vorstellung verabschiedet, dass mich jemand jemals wegen romantischen Oberflächlichkeiten, wie meinen wunderschönen Augen, meiner süßen Tollpatschigkeit oder dem "blauen, coolen Kleid" ansprechen wird. Man entwickelt eher schwer einen Sinn für Romantik, wenn man seit der sexuellen Reife das Gefühl hat, dass man in eine YouPorn-Kategorie fällt. Shout Out an meine rothaarigen, großbusigen und "orientalischen" Schwestern.

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Das geht sogar so weit, dass ich eine Kollegin habe, die wirklich gar nicht wie ich aussieht – außer dass sie blonde Haare hat und zirka 178 cm groß ist. Alle Männer, über die wir reden, kennt die jeweils andere. Ab dem fünften Typen glaube ich einfach nicht mehr an Zufall. Und so geht es mir mit einigen Freundinnen, die um die 180 cm groß sind – entweder sind Wien und Tinder wirklich winzig, oder wir haben mysteriöserweise den selben Männer-Geschmack (haben wir nicht).

Ein guter Weg, um die Typen auszusieben, die einfach nur auf lange Beine stehen: Selbst aktiv werden und Typen anreden. Oder auch ruhig ermutigende Blicke in Richtung der scharfen Männer, die kleiner sind. Die kommen nämlich leider oft aus Angst vor einer Absage gar nicht erst zu einer größeren Frau – erst, wenn man sie ermutigt oder selbst die Initiative ergreift. Was auch ganz gut klappt: Mit ihnen schlafen, ihre Gedankenwelt mit dem eigenen wundervollen Charakter okkupieren und zurücklehnen. Das war ein Spaß, es klappt nie. Macht es nicht, Mädels.

Die Outfits

Auf dem Foto bin ich locker 190 cm groß.

Wenn man 184 cm groß ist, dann macht Shoppen in Läden für die 170 cm-Durchschnittsfrau (also allen leistbaren Läden) keinen Spaß. Die Größe "S" für Beinbekleidung hat mir nicht mal mit zehn Jahren gepasst. Aber wenn ich mir schon etwas kaufe, dann für's Fortgehen. Problem: Kleider, die an Mädels normal aussehen, sehen bei mir wie Shirts aus. Nun ja, für viele meiner ähnlich großen Frauen ist es ein Problem. Ich ziehe im Notfall lieber zu wenig als zu viel an – somit spielt mir dieser Umstand in die Karten. Bis ich halt 40 bin undhoffentlich so etwas wie Schamgefühl entwickle.

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Die Schuhe sind schon ein anderes Thema: High Heels habe ich ganz lange gemieden. In meiner Schuhgröße findet man sowieso keine schönen Schuhe – ganz egal, ob sie einen Absatz haben oder nicht. Kurze Zeit habe ich auch High Heels zum Fortgehen getragen, aber mit über 190 cm in einem Club zu stehen, war mir dann auch zu viel. Nicht, weil ich es hässlich gefunden hätte, sondern weil der Punkt der potentiellen Sexualpartner einfach in verstärkter und unangenehmer Form zu spüren war.

Also im Sinne von "Oh Gott, langsam wird es pervers"-Form. So, als würde man mit einem Latex-Outfit fortgehen. Da darf man sich dann auch nicht wundern, wenn Fetisch-Leute unter Alkoholeinfluss sehr schnell sehr eindeutig werden, weil sie sich durch das Outfit eingeladen fühlen. Nur ist halt die Körpergröße kein selbstgewähltes Latexkleid. Breaking: Wo man nicht gerne meine Beine überall sehen würde und wie sehr man drauf steht, wenn "solche" Frauen auch hohe Schuhe tragen, hat noch keine große Frau in der Disco oder sonst wo interessiert. Heute trage ich High Heels nur im Bett und nur dann, wenn ich mich danach fühle. Schont sowieso die Gelenke.

Die Homepartys & andere Menschen

Foto von Knopf Kino.

Wenn man als überdurchschnittlich großer Mensch in einen Raum kommt, hat man automatisch die Aufmerksamkeit auf sich. Mir geht es gut damit, ich genieße es auch und forciere es ja auch durch meine Stimmlautstärke. Ich habe aber auch große Freundinnen, die genau diesen Umstand hassen. Sie hassen es, wenn sie alle anschauen und alle gleich mit ihnen reden wollen. Als introvertierter, großer Mensch hat man es nicht leicht.

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Unter anderem auch deshalb, weil man auf egal welcher Party durchaus von verschiedensten Menschen angesprochen wird. Ich habe eine Freundin mit sehr lockigen Haaren. Sie wird von Fremden angegriffen, gestreichelt und oft mit nervigen Fragen à la "Sind die echt?!" bombardiert. Wie oft ich in einer Bar aufstehen muss, damit ein Unbekannter erfahren kann, ob er größer ist, zähle ich nicht mehr mit. Wie oft ich die Frage, ob ich Basketball spiele, beantworten muss, auch nicht. Apropos Bar: Lange Wartezeiten für ein Getränk oder eine Bestellung kenne ich dafür nicht in dem Ausmaß, in dem es meine kleineren Freunde tun.

Irgendwie ist es auch extrem nachvollziehbar. Die fragenden Menschen, wissen ja nicht, dass man diese Frage an diesem Abend schon das ein oder andere Mal beantworten musste. Aber es nervt, wenn man wirklich fast immer in der ersten Small Talk-Phase auf die Größe reduziert wird und mehr oder weniger lustig gemeinte Fragen beantworten muss. Es fühlt sich dann so an, als wäre einfach nichts anderes an uns toll, lustig oder interessant genug, außer unsere Gene, für die wir nichts können. Solidarität mit Menschen, die besondere Oberflächlichkeiten haben – jetzt!

Konzerte

Haha, egal wo ich stehe: Ich sehe alles.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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