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Wissenschaft

Können Haie deine Periode riechen?

Wenn du in haireichen Gegenden schwimmen gehst und deine Tage hast, heißt das dann, dass du automatisch auf dem Speiseplan der gefürchteten Raubfische stehst? Wir haben eine Expertin gefragt.
Illustration by Brandon Bird

Was passiert, wenn der Sommerurlaub in haireichen Gewässern genau mit der Zeit des Monats zusammenfällt, in der uns unser Uterus mit Krämpfen beglückt? Wenn Haie Blut kilometerweit riechen können, werden sie dann auch von unserem Menstruationsblut angelockt, während wir im Ozean schwimmen gehen? Steigt die Gefahr, von einem Hai verschlungen zu werden in der Zeit, in der es einem sowieso ausgesprochen schlecht geht?

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„Es kommt auf das Verhalten an", sagt Dr. Steve Kajiura vom Hailabor der Florida Atlantic University.

Greifen Haie menstruierende Menschen häufiger an als andere? „Dafür haben wir keine Beweise", erklärt Dr. Kajiura.

Zuerst einmal muss angemerkt werden, dass die Annahme, Haie könnten Blut kilometerweit riechen, nicht wahr ist. Haie können Blut über ungefähr 400 Meter weit wittern, aber Menstruationsblut ist nicht gleich Blut. Jedenfalls nicht nur Blut.

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Laut der Ausgabe von Our Bodies, Ourselves aus den 90ern (keine Sorge, die Menstruation hat sich seit den 90ern nicht groß geändert), enthält Menstruationsblut „Zervixschleim, Vaginalsekret, Schleim und Zellen und Endometriumpartikel sowie Blut (zum Teil geronnen)." Wenn es also stimmt und Haie von Menstruationsblut angelockt werden, dann würde das bedeuten, dass sie in der Lage wären, Blut zu riechen, dass mit nicht-aquatischem Schleim vermischt ist (beziehungsweise davon maskiert wird) und dass sie Endomtriumteilchen wittern können.

Vielleicht liegt das sogar noch im Bereich des Möglichen. Haie sind bekannt dafür, dass sie die besten Spürnasen in ihrer Branche sind—aus anatomischer Sicht: Die Zahl der Geruchsrezeptoren in ihren Schnauzen ist im Verhältnis zur vorhandenen Fläche enorm hoch. Aber kommt es wirklich auf die Größe an?

Wir haben Dr. Tricia Meredith gefragt, die ein Buch über den Geruchssinn von Haien geschrieben hat. Für ihre Dissertation hat sie Haien ein Gerät an der Schnauze angebracht, das kontrollierte Mengen von Beutegerüchen (also Gerüche, bei denen Haie an ihre nächste Mahlzeit denken) abgeben konnte und hat die elektrischen Impulse in der Nasenhöhle gemessen. Anschließend wurde die Konzentration der Geruchsstoffe reduziert, um festzustellen, wie diffus ein Geruch sein kann, damit ihn der Hai noch immer wahrnimmt. Dr. Meredith fand heraus, dass Haie Beutegerüche bis hin zu einer Verdünnung von eins zu einer Millionen wahrnehmen können—was zwar immer noch übermenschlich ist, aber nicht besser als bei anderen Fischen mit ähnlichen Schnauzen. Eins zu einer Millionen entspricht so ungefähr dem Hintergrundgeruch des Ozeans. Wäre der Geruchssinn eines Hais also noch etwas besser, wäre er komplett reizüberflutet.

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Die größte Gefahr, die von unserer Periode ausgeht, stellt also unsere „undichte Schleimmembran" dar.

Doch mit einem ihrer Sinne stechen Haie alle anderen aus—auch wenn es nicht ihr Geruchssinn ist: Haie haben unheimlich empfindliche Elektrorezeptoren. Das heißt, sie können sogar klitzekleinste elektromagnetische Felder im Wasser aufspüren. Hierfür besitzen sie ein Science-Fiction-artiges Organ mit dem großartigen Namen „Lorenzinische Ampullen". Dabei handelt es sich um Poren, die sich auf der Schnauze befinden und in gallertgefüllten Kanälchen enden. Diese Röhren enthalten Nerven, die elektrische Felder im Wasser wahrnehmen können, die nicht größer sind als ein fünf Millionstel Volt pro Zentimeter. Haie nutzen die Lorenzinischen Ampullen, um sich im Ozean zu orientieren und Beute aufzuspüren. Jedes Tier, das im Ozean lebt, sendet ein elektrisches Feld aus, da durch Muskelkontraktionen Bioelektrizität erzeugt wird und, wie Dr. Kajiura sagt, „jedes Tier im Ozean eine dünne, undichte Schleimmembran besitzt, die sich im Meerwasser wie eine Batterie verhält." Das wiederum liegt an den unterschiedlichen pH-Werten innerhalb und außerhalb des Tieres . Dr. Kajiura hat in diesem Zusammenhang zwar von Kiemen gesprochen, aber mit „dünner, undichter Schleimmembran" hätte auch die Vagina gemeint sein können—auch wenn das die wohl schlimmste Beschreibung aller Zeiten wäre.

Daher stellt sich folglich die Frage, welche elektrische Leitfähigkeit Blut besitzt (und Schleim und Endometriumpartikel). Wenn Blut elektrisch leitend ist, dann wäre es möglich, dass das Signal unseres natürlichen elektrischen Feldes über unsere Menstruation weitergeleitet wird und unser zartes Fleisch bei den Haien anpreist. Rote Blutkörperchen sind nicht besonders gut leitfähig, das Blutplasma hingegen schon. Die Leitfähigkeit von Blut hängt also vom Blutfluss ab: Je höher die Fließgeschwindigkeit, desto leitfähiger. Menstruationsblut (was ja, wie gesagt, kein richtiges Blut ist) fließt jedoch nicht, es wird von der Innenseite unseres Uterus abgestoßen. Der Plasmaanteil ist zudem sehr gering, was die Leitfähigkeit deutlich reduziert.

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Die Schnauze von Haien ist bestens ausgestattet. Foto: Elias Levy | Flickr | CC BY 2.0

Die größte elektrische Gefahr, die von unserer Periode ausgeht, stellt also unsere „undichte Schleimmembran" dar. Menschen haben ein bioelektrisches Feld wie jedes andere Tier auch, jedoch wird es größtenteils durch unsere Haut isoliert. Wenn Tante Rosa allerdings eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen elektrischen Ladungen von Körper und Meerwasser herstellt, werden wir zu einer schwimmenden Batterie. Keine besonders gute Batterie, wohlgemerkt—man könnte kein iPhone mit seiner Periode aufladen, aber ein Hai könnte dich trotzdem noch entdecken.

Dr. Kajiura sagt, dass dieses Szenario aus wissenschaftlicher Sicht zwar denkbar wäre, man sich aber keine Sorgen machen muss. Klar, du bist eine Batterie, aber der Ozean erdet die elektrische Ladung ziemlich schnell. Es wird keinen Hai, der kilometerweit entfernt ist, anlocken. „Haie setzen ihre Elektrorezeptoren nur ein, wenn sie einen halben bis maximal einen Meter weit weg sind. Wenn einem ein Hai so nahe kommt, dann hat man andere Probleme als darüber nachzudenken, ob man schlecht isoliert ist", sagt Dr. Kajiura und fügt an, dass ein Tampon ausreicht, um den Stromkreis zwischen Körper und Wasser kurzzuschließen.

Die ganze Wissenschaft ist ja schön und gut, aber eine Tatsache über Menschen und Haie wird dabei vollkommen außer Acht gelassen: Haie interessieren sich einfach nicht für uns. Dr. Meredith sagt, dass Menschenfleisch in Haikreisen keine Delikatesse ist. Die Reaktion von Haien auf menschliches Blut hat sie nicht untersucht, weil es vollkommen irrelevant ist. „Ich habe noch nie untersucht, wie empfindlich Haie auf Blut reagieren. Ich habe stattdessen Aminosäuren verwendet, weil sie beuteverwandte Gerüche darstellen—menschliches Blut nicht. Ich weiß, dass sich die Leute immer dafür interessieren, ob Haie unsere Körperflüssigkeiten wittern können, um uns aufzuspüren und zu beißen, aber so funktioniert das nicht."

Haie können dich vielleicht riechen, aber das heißt nicht, dass sie mit diesem Geruch Futter assoziieren. Oder, wie Dr. Kajiura sagt: „Du kannst auch eine Müllhalde riechen, aber das heißt nicht, dass du sie essen willst."