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Kultur

Mit Echsenmenschen auf der Flacherde – zu Besuch bei Europas größter UFO-Konferenz

Leider konnten mich auch Aliens, Esoteriker und Darth Vader nicht davon überzeugen, dass die Erde eine Scheibe ist.
Alle Fotos: Benjamin Duncan

Noch bevor ich die Halle von Europas größter UFO-Konferenz überhaupt betreten habe, bekomme ich schon eine Broschüre in die Hand gedrückt, die mich über die geheime Verbindung zwischen Aliens und Satan aufklären soll. Unter anderem finde ich darin ein Zitat, das offenbar von Jesus stammen soll, allerdings im September 1985 geäußert wurde.

Gemeinsam mit meinen Freunden Tom und Matt habe ich mich auf den Weg zum Awakening gemacht, einer Veranstaltung, die als Ort, "an dem Ufologie und Verschwörung auf Spiritualität und Bewusstsein treffen", angepriesen wurde. Dem Jesus-Flyer zufolge befinden wir uns allerdings eher in einer schlechten Folge von X-Factor: das Unfassbare.

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Vor etwa einem Monat schickte mir Tom einen Link zu der Veranstaltungs-Webseite. Ich wusste sofort, dass ich dort unbedingt hin musste. Wir waren bereit, alles, woran wir bisher geglaubt hatten, in Frage zu stellen. Ist die Erde vielleicht doch eine Scheibe und Politikerinnen und Politiker in Wahrheit nichts weiter als herrschsüchtige Echsenmenschen? Wir wollten es herausfinden – so unvoreingenommen wie möglich.

Während Tom raucht, taucht plötzlich ein Mann in einem Darth Vader-Kostüm im Eingangsbereich auf, dicht gefolgt von einer Gruppe Stormtrooper. Normalerweise finden im Bowler Exhibition Center in Manchester vor allem Konzerte von Elvis-Imitatoren und Ska-Festivals statt. Eine solche Mischung aus Science-Fiction-Fans, exzentrischen New-Age-Spinner_innen und Anhänger_innen der "die Erde ist flach"-Theorie hat die 7.800 Quadratmeter große Veranstaltungshalle aber vermutlich noch nie zu sehen bekommen. Klar ist nur: Diejenigen, die hier sind, waren bereit zwischen 17 und 113 Euro zu berappen, um in einer Bar zu sitzen, die aussieht wie die Cantina aus Stars Wars.


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Als Tom seine Zigarette auf den Boden schnippt, werden wir von einer Frau angesprochen, die ebenfalls Broschüren vor der Halle verteilt. Ob er nicht so gut sein könnte und seinen Zigarettenstummel aufheben und in den Müll werfen könne. "Sie werden dich kriegen", sagt sie noch, bevor sie sich verschwörerisch umsieht und geht. Tom hebt den Stummel wieder auf.

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Das Awakening findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt. Doch die dicht gedrängte Menschenmenge scheint sich nicht daran zu stören, dass sie gerade an der Jungfernfahrt der UFO-Messe teilnehmen. Die Menschen stehen im Eingangsbereich herum, machen auf dem Absatz kehrt und versuchen sich zu entscheiden, was sie zuerst sehen wollen: Die Verkaufsstände, an denen einfach alles angeboten wird – von Pokémon-Figuren über Heilsteine bis hin zu VHS-Kassetten für je 25 Cent das Stück? Oder das Modell der Area 51 inklusive UFO, das von zwei grauen Aliens mit großen Glubschaugen bewacht wird?

Während wir gerade dabei sind, uns einen Plan für den Tag zurechtzulegen, stupst mich Tom an der Schulter an. Als ich aufschaue, sehe ich vor mir einen Mann in einem Elvis-Kostüm, der um einen Messestand voller Pokémon kreist und mit sich angeregt mit einem Freund unterhält.

"Jeder von uns sollte den Mut haben, Dinge zu hinterfragen und Alternativen zu erforschen."

Auf unserem Weg zu einem Vortrag mit dem Titel "Die geheimen Kräfte des Tees: Ein Einblick in die Intelligenz von Pflanzen und was sie zu unserer persönlichen Entwicklung beitragen können", kommen wir an zwei Männern vorbei, die sich als "Men in Black" verkleidet haben – inklusive Sonnenbrille und Earpiece. "Coole Kostüme", sage ich zu Matt. "Oder ist das nur, was sie dich glauben lassen wollen?", antwortet er.

Anne, die Gründerin von Attic Teas, einem Tee- und Kaffeeunternehmen aus Bristol, betritt die Bühne vor etwa 25 Zuschauern. Genug zu trinken sei entscheidend, um einen höheren Daseinszustand erreichen zu können und Schwingungen seien der Schlüssel zu einem höheren Bewusstsein, erklärt sie.

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Wir stellen uns an, um uns einen kleinen Pappbecher voll Tee zu holen und kehren anschließend zu unseren Sitzplätzen zurück. Laut Anne handelt es sich dabei offenbar nicht um gewöhnlichen Tee, sondern um eine Mischung, aus der hauseigenen Produktion von Attic Teas. Nachdem wir ausgetrunken haben, beginnt Anne, uns durch eine Meditation zu führen. Ich habe meinen Tee hastig hinuntergeschüttet und genieße noch den leicht herben Nachgeschmack, während die Rednerin einige Sekunden lang an ihrem Laptop herumfummelt. "Spürt die Energie eures Atems", schallte eine beruhigende Stimme aus den Lautsprechern. "Wie fühlt es sich an?"

Die gespannte Menge bei einem Vortrag darüber, warum die Menschheit von Echsen abstammt. Alle Fotos: Benjamin Duncan

Offenbar ist uns Darth Vader gefolgt. Zumindest kann ich ihn unverkennbar in der Menge atmen hören. Vielleicht ist er ja auch ein Fan von exklusiven Teesorten und geführten Meditationen? Trotz aller Ablenkungen lässt der Großteil der Menge die Augen geschlossen. Auch ich fühle mich entspannt und ein wenig high, obwohl es sich anhört, als würde mir der Sith-Lord direkt ins Ohr keuchen.

"Wir werden auch nächstes Jahr definitiv wieder mit dabei sein", schreibt mir Anne in einer E-Mail nach der Veranstaltung. "Wir befinden uns gleich am Ende der Straße!" Als ich sie frage, was ein Unternehmen, das Tee verkauft, mit Verschwörungstheorien und UFOs zu tun hat, erklärt sie, kein Freund des Begriffs "Verschwörungstheorien" zu sein. Ihrer Meinung nach erzeuge der Begriff nur den Eindruck, dass "wir gegen die anderen" stünden.

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"Jeder von uns sollte den Mut haben, Dinge zu hinterfragen und Alternativen zu erforschen", sagt sie. "Ich persönlich finde die Macht der Wahrscheinlichkeit besonders faszinierend, genau wie die unsichtbare Energie von Schwingungen, Intentionen und uralten Weisheiten, die in allem stecken können – nicht nur in der Menschheit."

Auf einer anderen Bühne beginnt der Flat-Earth-Theoretiker Darren Nesbit gerade seinen Vortrag mit dem etwas umständlichen Titel: "Eine Präsentation über die Erdscheibe: Die Enthüllung der Lügen von NASA, Weltregierungen und Medien."

"Wir akzeptieren die Realität der Welt, die man uns zeigt."

Nesbit ist ein ernst aussehender Mann mit Glatze und Bart. Auch er muss zugeben, dass ein Vortrag über die Erdscheibe, vielleicht nicht unbedingt zu einer UFO-Messe passt. Gleichzeitig sei die Veranstaltung aber auch eine ideale Gelegenheit, um seine Botschaft zu verbreiten, weil alle Anwesenden auf der "Suche nach der Wahrheit sind". Er und seine Mitstreiter_innen glauben, dass die Erde eine Scheibe und keine Kugel ist. (Man könnte natürlich leichtfertig annehmen, dass eine einzige NASA-Aufnahme von der Erde ausreichen würde, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Selbstverständlich ist die NASA aber Teil der großen Verschwörung.)

Der Vortrag beginnt mit einem Foto aus Die Truman Show (1998), das zeigt, wie Jim Carrey die Treppe an der Grenze seiner filmisch inszenierten Welt erklimmt, kurz bevor er die Wahrheit hinter seinem Leben herausfindet. Darunter steht: "Wir akzeptieren die Realität der Welt, die man uns zeigt."

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Nesbitts Vortrag scheint ziemlich gut anzukommen. Nicht nur, dass alle Sitzplätze besetzt sind – die Menschen stehen sogar hinten im Saal, um ihm zuzuhören. Nach der Veranstaltung erzählt er mir, dass es normalerweise sehr viel schwieriger ist, seine Botschaft unter die Leute zu bekommen. "Ich warte in der Regel auf die passende Gelegenheit, um das Thema anzusprechen und verpacke es mit Humor", erklärt er mir in einer E-Mail. "Es ist leichter, wenn man mit Geld und Politik anfängt. Dinge, mit denen die Menschen vertraut sind und wissen, dass es da nicht mit reinen Dingen zugeht."

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Wie mir die Organisator_innen mitteilen, war das Awakening offenbar ein "phänomenaler Erfolg". Auch die Tickets für die Veranstaltung 2018 seien schon erhältlich. Die 2.500 Menschen, die zu ihrer Veranstaltung kamen, hätten bewiesen, dass "immer mehr Menschen auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen der Menschheit und unserer wahren Herkunft sind."

Ich für meinen Teil hatte danach nur noch mehr Fragen als vorher. Vielleicht werde ich im nächsten Jahr einfach nur auf eine Tasse Tee vorbeischauen.

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