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Politik

„Der Kampf geht weiter“: was der Trump-Sieg für Frauen weltweit bedeutet

Donald Trump, Abtreibungsgegner und mutmaßlicher Sexualstraftäter, ist der neue Präsident der Vereinigten Staaten. Wir haben mit Broadly- und VICE-Autorinnen von Deutschland bis Neuseeland darüber gesprochen, wie sich das auf uns alle auswirken könnte.
Foto: imago | UPI Photo

Wie ein vorpubertärer Teenager, der darauf wartet, von einer Justin-Bieber-inspirierten Übernachtungsparty abgeholt zu werden, hat uns die US-Wahl müde, überreizt und emotional zurückgelassen. Der Wahlkampf war voller Skandale, Aufreger und allgemeiner Tiefpunkte. Jetzt ist er endlich vorbei—und Donald Trump hat gewonnen.

Eine Überraschung für Mainstream-Medien und große Teile der Öffentlichkeit. Hillary Clinton, die erste weibliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, galt als sichere Siegerin. Auch wenn Umfragen den Abstand zwischen beiden Kandidaten zuletzt als sehr gering zeigten, schienen die Vereinigten Staaten bereit für ihre erste Präsidentin.

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Stattdessen haben sich die Amerikaner für einen Mann entschieden, der kein Freund von Frauen, LGBTQ, Juden, Muslimen oder anderen Minderheiten ist. Donald Trump hat sich dafür ausgesprochen, Frauen, die abtreiben, bestrafen zu wollen, wurde von mehreren Frauen sexueller Übergriffe bezichtigt, hat einen Vize-Präsidenten an seiner Seite, der sich für Therapien für Schwule ausspricht und hat weder außenpolitische, noch überhaupt irgendeine Art von politischer Erfahrung.

Wie soll es jetzt weiter gehen und was bedeutet dieses Wahlergebnis nicht nur für Amerikanerinnen, sondern Frauen weltweit? Wir haben bei Broadly- und VICE-Autorinnen aus der ganzen Welt nachgefragt.

Mehr lesen: Warum der Aufstieg rechter Parteien den Untergang reproduktiver Rechte bedeutet

Sarah Hagi, Broadly Kanada

Ich verstehe einfach nicht, wie das passieren konnte. Allein der Gedanke, dass Kanada als Nachbarland von den USA beeinflusst wird, lässt mich mich unsicher fühlen. Ich bin eine schwarze Muslimin und werde nicht in die Vereinigten Staaten einreisen, bis irgendein Wunder passiert, er ins Gefängnis kommt oder sonst irgendwie seines Amtes enthoben wird. Ich habe immer gedacht, dass jedes Land, das ein Arschloch wählt, so jemanden wie Trump verdient—aber diese Wahl hat meine Meinung absolut geändert. Die millionen Menschen, die einer Minderheit angehören, haben es einfach nicht verdient, dass ihnen so etwas passiert und ich hoffe wirklich, dass sie irgendwo Schutz und Sicherheit finden.

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Lisa Ludwig, Broadly Deutschland

Trump hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er keinerlei Respekt gegenüber anderen Menschen hat—besonders nicht gegenüber Frauen. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie er mit unserer Kanzlerin in einem Raum sitzt und über wichtige politische Fragen diskutiert. Der Umgang mit größenwahnsinnigen Arschlöchern scheint allerdings Teil ihrer Jobbeschreibung gewesen zu sein—Angela Merkel wird also zurechtkommen. Ich bin aber nicht sicher, ob ich das auch über den Rest der deutschen Frauen sagen kann.

Die größte Angst, die ich persönlich habe, ist, dass Trumps Präsidentschaft bereits ein Vorgeschmack auf die Wahlen in Deutschland nächstes Jahr sein könnte. Auch hier haben wir das große Problem, dass rechte Parteien wie die Alternative für Deutschland, die gegen Abtreibungen, Feminismus und LGBTQ-Rechte sind, immer beliebter werden. Wenn der mächtigste Mann der Welt ein frauenfeindlicher Rassist ist, der denkt, dass Frauen, die abtreiben, „bestraft" werden sollten—wie abwegig ist es dann noch zu denken, dass er der AfD den nötigen Aufwind geben wird, damit sie am Ende noch einflussreicher werden?

Ivonne Gutiérrez, VICE Mexiko

Ehrlich gesagt war ich von keinem der beiden Kandidaten begeistert. Trotzdem glaube ich, dass Trump die schlechteste Wahl ist, die man hätte treffen können. Heute haben Hass und Rassismus gewonnen. Es macht mich unglücklich, diesen geschichtlichen Tiefpunkt miterleben zu müssen. Das Einzige, was uns jetzt noch retten kann—nicht nur die USA, sondern uns alle—ist es, ihn mit Liebe, Gerechtigkeit und Toleranz zu bekämpfen. Lasst uns nicht aufgeben, der Kampf geht weiter.

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Aleksandra Niksic, VICE Serbien

Als die Meldung kam, dass Trump die Wahl gewonnen hat, hat es sich für mich angefühlt, als hätte mir jemand ins Gesicht geschlagen. Nicht er selbst, sondern alles, wofür er steht: die rückwärtsgewandte, konservative Macho-Mentalität eines Schulhof-Tyrannen, der alle angreift, die anders oder schwächer sind. Ich hatte gehofft, in einer Welt zu leben, in der Frauen nicht nur als Dekoration für den Mann dienen, in der ihre Meinungen etwas wert sind und nicht nur abgetan oder dann gehört werden, wenn es einem gerade passt. Ich weiß, dass er mir nicht meine Rechte oder meine Freiheit nehmen kann, aber was mir wirklich Angst macht, ist, dass mehr weiße Frauen für Trump gestimmt haben als für Hillary.

Laetitia Laubsche, VICE Neuseeland

OK, es ist also wirklich passiert. Herzlichen Glückwunsch, Amerika, du hast dich gerade 50 Jahre in deiner intoleranten Vergangenheit zurückkatapultiert. Weiße, spitze Kapuzen und Trump-Käppies für alle. Ich komme aus Südafrika, einem Land, in dem mit Jacob Zuma ein „angeblicher" Vergewaltiger regiert—die Vorstellung, dass die Vereinigten Staaten einen frauenfeindlichen Präsidenten haben (der ebenfalls „angeblicher" sexueller Übergriffe bezichtigt wurde) ist für mich also nicht total realitätsfern. Es ist einfach der symbolische Nagel in dem Sarg von Amerikas schwindender Position als weltweit einzige Supermacht, dass der Präsident dieses Landes mehr mit den Staatsoberhäuptern von Entwicklungsländern gemein hat, als mit denen der „ersten Welt".

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Foto: imago | ZUMA Press

Alejandra Nuñez, Broadly Spanien

Über den Wahlausgang bin ich ehrlich gesagt nicht überrascht. Für mich ist Donald Trump das Erste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an den „amerikanischen Traum" und diesen ganzen anderen Scheiß denke. Als Spanierin lebe ich in einem Land, in dem seit 2011 jemand an der Macht ist, der genau so faschistisch ist wie Donald Trump und kann euch sagen: Die Auswirkungen für Frauen werden nicht so dramatisch sein, wie ihr jetzt vielleicht denkt. Natürlich ist das eine furchtbare Entwicklung, aber die allgemeine Frauenfeindlichkeit wird dazu führen, dass sich Frauen nur noch mehr zusammenschließen und für ihre Rechte einsetzen. Ich persönlich habe wirklich das Gefühl, dass die feministische Bewegung in unserem Land seit Rajoy stärker geworden ist und hoffe, dass das in den USA auch passieren wird.

Noor Spanjer, Broadly Niederlande

An dem Tag, an dem Obama die Wahlen gewonnen hat, bin ich aufgewacht und meine Mutter hat mich mit Tränen in den Augen umarmt. Es war einer dieser Morgen, an die ich mich schon fast körperlich erinnern kann—ganz besonders, weil meine Mutter so gerührt war. Sie war so glücklich. Wenn Geschichte geschrieben wird, spürt man das in seinem Körper und in seinem Herzen.

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Die Zeitung kam und auf der Titelseite sah man groß das Foto von Obama und seiner Familie. Meine Mutter hat es ausgeschnitten und an die Tür im Wohnzimmer gepinnt. Es blieb dort jahrelang dort hängen, bis sie schließlich in das Haus ihres Freunds gezogen ist und ich ihre Wohnung übernommen habe. Das ist mittlerweile schon ein paar Jahre her.

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Die Tür im Wohnzimmer ist noch immer dieselbe—sie hat eine ganze Generation überdauert—, aber das Foto, das eigentlich dort hängen sollte, sollte das einer weißen Frau sein. Leider werde ich mich auch an diesen Morgen für immer erinnern, aber die Zeitung von heute werde ich benutzen, um das Katzenklo auszulegen.

Nell Frizzell, Broadly Großbritannien

Wie viele Frauen, die vor dem grauen Abgrund ihrer Dreißiger stehen, scheine auch ich auf den Großteil der Schlagzeilen dieser Tage mit einem einzigen, zwanghaften, unerwarteten und unliebsamen Gedanken zu reagieren: Heißt das, ich sollte lieber keine Kinder kriegen? Der plötzliche Blitz, der meine Gebärmutter durchzuckt, liegt fernab jeder rationalen Kontrolle. Ich habe diese tiefe, unheilvolle, empfängsnisverhütende Angst allerdings noch nie so stark verspürt wie heute.

Kann ich es wirklich verantworten, einen Menschen in diese Welt zu setzen, wenn Donald Trump Präsident ist und die Entscheidungsgewalt über die Klimapolitik, nukleare Waffen und das Militär hat? Wäre es gerecht, eine nicht entscheidungsfähige Ansammlung von Zellen in eine Zukunft zu entlassen, die ich mir selbst schon kaum mehr vorzustellen wage? Möchte ich wirklich eine Tochter oder einen Sohn in diese Welt setzen?

Donald Trump hat die Welt—und meinen Uterus—in eine feindliche Umgebung verwandelt. Und ich bin traurig, unglaublich traurig und zutiefst verängstigt.

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Jill Krajewski, VICE Kanada

Es ist schwer, in Worte zu fassen, wie enttäuschend der heutige Tag für Frauen ist, während man selbst noch zwischen Schock, Angst und Traurigkeit schwankt. Die Amerikaner hatten genug Beweise dafür, dass Trump sich damit brüstet, Frauen sexuell zu belästigen: Aussagen von Frauen, die mutig genug waren, nach vorne zu kommen und darüber zu sprechen, dass er sie begrabscht hat, seine Tweets, in denen er sich immer wieder abfällig über das Aussehen von Frauen geäußert hat … Die Präsidentschaft von Trump ist ein widerlicher Hinweis darauf, was man weißen, reichen Männer „durchgehen" lässt. Ich würde gerne sagen können, dass ich glücklich bin, in Kanada zu leben, aber ich habe einfach zu große Angst vor der räumlichen und politischen Nähe von Kanada zu den USA.

Beatrice Hazelhurst, VICE Neuseeland

Oh Gott, die Reinkarnation von König Henry VIII hat es wirklich geschafft. Nach einem großen Schritt nach vorne, sind wir 60 Jahre zurückgefallen und haben den Mann an der Macht, der die schlimmsten Teile von Amerika versinnbildlicht. Heute wirkt es unglaublich, dass wir uns noch vor einem Jahr darüber lustig gemacht haben, dass er aussieht wie eine verrotete Melone mit Toupet. Mittlerweile ist er zu einem der schamlosesten Demagogen der modernen Geschichtsschreibung geworden. Trumps Sieg ist nicht nur eines der größten „Fickt euch!"s an Frauen im 21. Jahrhundert, es zeigt auch, was passieren kann, wenn Politiker die dunklen Seiten der Menschheit nach außen tragen. Das Einzige, worauf ich noch hoffe, ist, dass die Präsidentschaft wirklich nur eine repräsentative Position ist—auch wenn wir wissen, dass die Realität anders aussieht. Egal, lasst uns beten.


Titelfoto: imago | UPI Photo