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Urzeit

Diese Forscher züchteten Huhn mit Dinosaurier-Bein

Was Hühner, Zyklopen und Dinosaurier miteinander zu tun haben: Wir haben uns mit Alexander Vargas, Forscher an der Universidad de Chile, unterhalten.

Vögel sind die letzten Dinosaurier.

Natürlich gibt es rein von der Anatomie her einige auffällige Unterschiede zwischen einem Huhn und einem Velociraptor, genetisch sind sie sich aber ziemlich ähnlich. Und zwar so sehr, dass Forscher, die sich mit den evolutionären Beziehungen zwischen Dinos und Vögeln beschäftigen, es auch geschafft haben, die Gene zu bestimmen, die beide miteinander verbindet. Aber das ist den Wissenschaftlern nicht genug.

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Alexander Vargas, Biologe an der Universidad de Chile, ging noch einen Schritt weiter und manipulierte einige Hühnergene, um so herauszufinden, wie viel ihrer DNA noch aus der Urzeit stammt.

Zusammen mit seinem Team hat er es kürzlich geschafft, einem Huhn ein Dino-Bein wachsen zu lassen—zu rein wissenschaftlichen Zwecken versteht sich. Da mussten wir uns natürlich mit ihm unterhalten, um herauszufinden, ob wir bald Dino-Chicken-Wings essen werden (Spoiler-Alarm: Wohl eher nicht.).

MUNCHIES: In welcher Beziehung stehen Hühner und Dinosaurier evolutionsgeschichtlich? Alexander Vargas: Wenn man ein Hühnerbein isst, dann gibt es da immer diesen einen spitzen Knochen, den viele nicht mögen. Dieses Wadenbein, die sogenannte Fibula, haben nur Vögel entwickelt. Das ist interessant, denn bei Dinosauriern hat man ähnliche Knochenstrukturen gefunden.

Inwiefern unterscheiden sich die Beine der Dinosaurier von denen der Hühner? Dinosaurier sind die Vorfahren der Vögel, das ist so weit bekannt, was Vögel quasi zu lebenden Dinosauriern macht. Allerdings haben sie sich im Vergleich zu den urzeitlichen Formen wie zum Beispiel dem T-Rex weiterentwickelt. Wenn man sich die Urzeit-Dinos wie den T-Rex einmal anschaut, dann kann man deutlich die Fibula erkennen. Sie ist röhrenförmig, genauso lang wie die Tibia, das Schienbein, und geht bis zum Knöchel runter.

Wie haben Sie es geschafft, einem Huhn ein Dino-Bein wachsen zu lassen? Wir haben eines der Gene, das das Wachstum der Fibula steuert, das Indian-Hedgehog-Protein, ausgeschaltet. Dadurch konnte das Wadenbein weiterwachsen und so entstand dann eben ein Dino-Huhn, bei dem die Fibula bis runter zum Knöchel reicht.

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dino-chicken-diagram

Warum ist dieses Ergebnis so bedeutend? Das zeigt, dass man bestimmte evolutionäre Stadien zum Beispiel bei den Vogelbeinen wiederherstellen kann und das ist durchaus interessant. Im Huhn steckt also noch ganz schön viel von den Dinosauriern.

Rannte dann nach Ihrem Experiment ein Dino-Huhn durch Ihr Labor? Es war ein Hühnerembryo, das wir soweit heranwachsen lassen haben, bis wir sehen konnten, ob es sich zu einem normalen Hühnchen entwickeln würde. Das kann man schon vor dem Schlüpfen erkennen, ungefähr nach der Hälfte der normalen Brutzeit.

Warum haben Sie das Dino-Huhn nicht schlüpfen lassen? Nun, erstens, weil des dem Huhn nicht guttun würde und zweitens weil das Schlüpfen allein keine unserer wissenschaftlichen Fragestellungen beantwortet hätte. Wir wollten nur herausfinden, ob wir ein Dino-Bein wachsen lassen könnten.

Welche ethischen Probleme wären damit verbunden? Zunächst hätten wir eine andere Lizenz für unserer Labor gebraucht, um die geschlüpften Küken auch halten zu können. Wissenschaftler weltweit experimentieren mit Hühnerembryos: Hühner mit einem Auge, Hühner mit mehreren Beinen, Hühner ohne Beine, alle möglichen Monsterhühner eben. Aber sie lassen sie nie schlüpfen. Im Gegensatz zu solchen Experimenten hat unser Experiment evolutionsgeschichtlich Beweise geliefert.

Der Velociraptor ist ja ziemlich furchteinflößend, Hühner eher nicht so. Aber es scheint ja eine genetische Verbindung zu geben… Das ist schon länger bekannt, unsere Forschungen zeigen nun, wie viel Dino-Potenzial immer noch in den Hühnern steckt. Vieles ist mit der Zeit verschwunden, aber wir konnten beweisen, dass es nicht schwer ist, diese Dino-Eigenschaften wieder zurückzuholen. Die Fibula eines Huhns ist genauso wie die eines Velociraptor. Diese Dinosaurier sehen am ehesten wie die Vorfahren der Hühner aus, weil sie Teil der Gruppe sind, die am meisten den Vögeln ähneln.

Wenn das Dino-Huhn nun aber theoretisch schlüpfen würde, wie würde es aussehen? Ich glaube, rein äußerlich würde es sich nur wenig von einem normalen Huhn unterscheiden. Vielleicht wären die Beine etwas dicker, aber das würde nicht so stark auffallen. Ich bezweifle, dass man irgendwelche Unterschiede in der Bewegung sehen würde, und ich glaube auch nicht, dass das Huhn leiden würde, weil es ja nicht komplett verändert wurde. Aber wissen können wir das nicht. Uns reicht es, dass wir es geschafft haben, die Entwicklung der Anatomie zu beeinflussen. Vielleicht riskieren einige das ethische Debakel, nur um die Dino-Hühner laufen zu sehen, aber das ist nicht unsere Art.

Werden wir irgendwann die Keulen vom Dino-Huhn essen? Wir haben nur ein Experiment durchgeführt, das man nicht für Produktionszwecke wiederholen kann. Wir haben sogar mit einer Substanz namens Cyclopamin gearbeitet, die man garantiert nicht essen will. Zumindest nicht, wenn man sich noch in der Entwicklung befindet, man nennt das nämlich auch Cyclopamin, weil man davon ein Zyklop werden könnte. Wenn man damit im frühen embryonalen Stadium in Kontakt kommt, entwickelt sich ein fieses Auge auf der Stirn. Ich würde kein Huhn mit Cyclopaminessen wollen.

Puh, danke für die Zyklopenwarnung und vielen Dank für das Gespräch. Gern geschehen.