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Kosmetik

Dein Highlighter kostet Menschenleben

Glimmer sorgt dafür, dass Kosmetik glitzert. Schätzungen zufolge sterben zwischen fünf und zehn Kindern monatlich in den Mienen, in denen es abgebaut wird.
Photo by Nabi Tang via Stocksy

Wenn du deine Kosmetiktasche durchwühlst und alles raussuchst, was glänzt, glitzert oder schimmert, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass mindestens eines der Produkte Glimmer enthält. Dieser natürlich erzeugte Mineralstaub wird in unzähligen Kosmetika und Lacken verwendet und verleiht ihnen ihre schimmernden und glänzenden Eigenschaften. Allerdings warnen Organisationen davor, dass in den internationalen Handels- und Zuliefererketten von Glimmer immer wieder Kinder ausgebeutet werden.

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Menschen verschönern sich schon seit dem 14. Jahrhundert mit Glimmer, was wieder einmal zeigt, dass keine Kultur je zu alt war, um dramatisch auszusehen. Der einzige Unterschied ist, dass Kinder im Mittelalter vermutlich nicht unter entsetzlichen Bedingungen arbeiten mussten, damit wir möglichst kostengünstig zu ähnlichen Wangenknochen kommen wie Kim Kardashian.

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Eine aktueller Untersuchung des britischen Nachrichtensenders ITV stellte fest, dass Kinder in zahlreichen illegalen Minen in der indischen Mikamit-Hochburg Jharkhand im Osten des Landes beschäftigt werden. Tatsächlich konnten sie Kinder, die gerade mal sechs Jahre alt waren, dabei filmen, wie sie große Brocken Mikamit in kleine Stücke schlugen.

Obwohl Kinderarbeit in Indien nicht vollständig verboten ist – Kinder über 14 Jahren dürfen in nicht gesundheitsgefährdenden Bereichen arbeiten –, verstößt die Glimmer-Herstellung ganz klar gegen das indische Arbeitsrecht. Mohan Baranwal von der Local Mica Traders' Association leugnete die Beschäftigung von Kinderarbeitern gegenüber ITV, obwohl die Aufnahmen das genaue Gegenteil beweisen. "Nein, nein, Kinder gehen nicht in die Minen", sagte er. "Die Eltern arbeiten in den Minen und die Kinder gehen in die Schule."

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Indien stellt den weltweit größten Anteil an Glimmer her. Rund 75 Prozent stammen aus illegalen Minen. Schätzungen zufolge, sterben monatlich zwischen fünf und zehn Kindern in den Minen. Unter den erwachsenen Arbeitern dürfte die Zahl der Todesfälle derweil noch höher sein. Offizielle Zahlen existieren nicht, da Unfälle in den überwiegend illegalen Gewerbe nicht gemeldet werden. In den indischen Regionen Jharkhand und Bihar herrscht gravierende Armut, die Herstellung von Glimmer ist der größte Industriezweig. In den Minen sollen rund 20.000 Kinder arbeiten.

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Dadurch wird ihnen nicht nur der Zugang zu Bildung verweigert, die Arbeit in den Minen kann auch zu langfristigen gesundheitlichen Schäden führen. Wenn der Staub eingeatmet wird, besteht das Risiko, an einer lebensbedrohlichen Staublunge zu erkranken. Hinzu kommt das Risiko, dass die Mienen jederzeit einstürzen könnten.

Glimmer. Foto: Fukuto | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

"Das Problem an der indischen Glimmer-Herstellung ist nicht nur die Kinderarbeit, sondern auch die Schuldknechtschaften erwachsener Arbeiter. Unternehmen müssen sich der Risiken bewusst sein, die derartige Praktiken für ihre Zuliefererkette darstellen", sagt Aiden McQuade von Anti-Slavery International. "Die Industrie sollte sicherstellen, dass Erwachsene existenzsichernde Löhne ausgezahlt bekommen, damit sie ihre Kinder nicht zum Arbeiten in die Minen schicken."

Neben der Kosmetikindustrie wird Glimmer auch häufig von Automobilherstellern genutzt, um dem Lack einen perlmuttartigen Schimmer zu verleihen. Eine Untersuchung des Guardian aus dem Jahr 2016 stellte fest, dass Zulieferer sowohl von Vauxhall als auch Volkswagen und BMW mit Minen in Verbindung gebracht werden konnten, in denen Kinder beschäftigt wurden. Immerhin: Bei einigen Unternehmen scheint ein Umdenken stattzufinden. Im Februar haben mehrere Kosmetikhersteller – darunter auch L'Oreál und Estée Lauder – die sogenannte Responsible Mica Initiative vorgestellt. Mit dieser Initiative versprechen die Unternehmen, die Kinderarbeit in der Glimmer-Herstellung bis 2022 abzuschaffen.

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"Das Problem ist weder der Glimmer selbst, noch die Minen", sagt Liz van Velzen von Terre des Hommes. Sie erklärt, dass der Glimmer-Abbau – unter verantwortungsvollen Bedingungen – helfen könnte, die gesamte Bevölkerung aus der Armut zu befreien. "Wenn die Bergbaukonzerne existenzsichernde Löhne zahlen und sicherstellen würden dass die Arbeitsbedingungen den internationalen Standards entsprechen, dann wären die Eltern in der Lage, unter sicheren Bedingungen zu arbeiten. Außerdem würden sie genug Geld verdienen, um für ihre Familien zu sorgen und ihre Kinder zur Schule zu schicken."

Wir als Konsumenten können laut van Velzen Druck auf die Kosmetikunternehmen ausüben, in dem wir sie dazu auffordern, Kosmetika ohne Ausbeutung und Kinderarbeit herzustellen. Eine andere Alternative wäre es, auf Marken wie Lush zurückzugreifen, die sich 2014 dazu verpflichtet haben, vollständig auf Glimmer in ihren Produkten zu verzichten. Solange allerdings die Nachfrage da ist, wird auch der Glimmer-Handel weiterbestehen – und zwar mit all seinen Schattenseiten.


Titelfoto: imago | imagebroker