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Die führende Bigfoot-Expertin erklärt, warum Frauen die besseren Forscher sind

Melissa Hovey-Larsen ist die Vorsitzende der American Bigfoot Society und will Dinge gesehen haben, die mehrere Horrorfilme füllen könnten. Wir haben mit ihr gesprochen.
Photo by Pixel Stories via Stocksy

Wenn es um Bigfoot geht, dann gibt es mehr als Leute, die an die Legende glauben, und die, die es nicht tun. Die Welt der Kryptozoologie (das Erforschen von Kreaturen, deren Existenz noch nicht wissenschaftlich bewiesen wurde) ist unglaublich politisch, voller verschiedener Lager und nie um eine hitzige Debatte verlegen. So entbrennt zwischen wortwörtlichen Bigfoot-Jägern und Wissenschaftlern, die das Fabeltier in Frieden leben lassen wollen, regelmäßig die Diskussion darüber, ob man Bigfoot nun töten darf oder nicht. Und dann gibt es da noch den Konflikt zwischen denen, die das Wesen eher in die paranormale Schublade stecken, und denen, die es eher als eine der vielen noch nicht entdeckten Spezies unserer Biosphäre ansehen.

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Melissa Hovey-Larsen, die Präsidentin der American Bigfoot Society, war 2005, als sie in das Forschungsfeld einstieg, noch eine der wenigen dort tätigen Frauen. Seitdem ist sie jedoch zu einer der angesehensten Vertreterinnen dieser Wissenschaft geworden, leitet Expeditionen in den ganzen USA, tritt in diversen TV-Shows auf und moderiert dazu noch ihre eigene Radiosendung. In Bezug auf die eben erwähnten Debatten gehört Hovey-Larsen übrigens den „Nicht töten"- und „Echte Spezies"-Lagern an.

Wir haben uns mit der Wissenschaftlerin darüber unterhalten, wie man mit Internet-Trolls umgehen sollte, warum in allen Aspekten des Lebens eine gesunde Portion Skepsis nie schaden kann und wieso es wahrscheinlicher ist, dass eine Frau auf Bigfoot trifft.

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Broadly: Wie kam es dazu, dass du zur Präsidentin der American Bigfoot Society ernannt wurdest, und was genau umfassen deine Forschungen?
Melissa Hovey-Larsen: Ich habe die Organisation 2008 gegründet, weil ich damals von Texas nach Ohio zog und deswegen eine Gruppierung ins Leben rufen wollte, die sich über die gesamten USA erstreckt. Damit sollte die Grundlage für ein besseres Netzwerk und schnellere Diskussionen zu Beobachtungen in verschiedenen Gegenden geschaffen werden. Vor meiner Tätigkeit als Bigfoot-Forscherin arbeitete ich als Rechtsanwaltsgehilfin—und wenn man im Justizsystem unterwegs ist, dann sucht man irgendwann automatisch nach Mustern. Soweit ich weiß, war ich auch die erste Person, die tatsächlich die Berichte aus mehreren Datenbanken durchgegangen ist und dabei nach Mustern Ausschau gehalten hat. Ich dachte mir einfach, dass an der ganzen Bigfoot-Sache doch was dran sein müsste, wenn es bei den Sichtungen irgendein Muster gibt. Inzwischen kann ich mir sogar einen unvollständigen Bericht anschauen und weiß dann direkt das Jahr, in dem die Sichtung stattfand. Als mir klar wurde, zu was ich da in der Lage bin, ist mein Interesse nur noch weiter gestiegen.

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Am liebsten rede ich mit den Leuten, die ihre Jobs verlieren könnten, weil sie über das Bigfoot-Thema sprechen. Diese Leute verlangen eigentlich auch nur, dass man ihnen zuhört. So etwas kommt zwar nur relativ selten vor, aber ab und an hat man einfach Glück und trifft einen solchen Menschen. Da hält man dann auch immer kurz inne und reflektiert. Ich habe schon mit Politikern, Polizisten und Feuerwehrleuten gesprochen—das ganze Spektrum.

Ohne Erfahrung ist es nämlich schwer, die Wahrheit von den Lügen zu unterscheiden.

Wann hast du angefangen, dich für Bigfoot zu interessieren?
Damals war ich noch richtig jung. Bei Bücherflohmärkten habe ich immer Lektüre zu gruseligen Themen gekauft und mir gedacht: „Wäre es nicht cool, wenn solche Dinge und Wesen tatsächlich existieren würden?" Nachdem ich dann nach Texas gezogen war, stieß ich auf das Texas Bigfoot Research Center. Da ich vorher ja schon Erfahrungen in der Befragung von Zeugen und Verbrechensopfern gesammelt hatte, glaubte ich einfach, dort von Nutzen sein zu können. Ohne Erfahrung ist es nämlich schwer, die Wahrheit von den Lügen zu unterscheiden.

Woran erkennst du, dass jemand bei seiner Sichtung von Bigfoot nicht lügt?
Da gehe ich ganz grundlegend vor. Man wiederholt die Geschichte der Person, verändert dabei ein oder zwei Sachen und schaut dann, ob diese Person die Veränderungen korrigiert. Außerdem achte ich auf die Körpersprache. Am liebsten unterhalte ich mich mit Kindern, weil denen das Lügen richtig schwerfällt. Ich meine, natürlich lügen sie viel und gerne, aber es ist dann einfach ziemlich offensichtlich. Wenn ein Kind bei einer Bigfoot-Sichtung entweder total ehrfürchtig oder total ängstlich reagiert, dann erzählt es die Wahrheit. Als Forscherin ist es meine Aufgabe, genau herauszufinden, was die Leute gesehen haben. Und ich nehme dabei erstmal nichts für bare Münze.

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Welche Geschichte einer Bigfoot-Sichtung hat dich bisher am meisten überzeugen können?
Das war ein Bericht aus Texas. Ein junger Mann ist zusammen mit ein paar Freunden von einer Party nach Hause gefahren und hat dabei in einem Feld einen weißen Bigfoot erspäht. Er sprang aus dem Auto und rannte dem Tier nach. Der Bigfoot kam an einen Zaun und ist mit einem Satz drüber gesprungen, während der junge Mann natürlich klettern musste. Dabei wurde er vom Bigfoot an den Schultern gepackt und zu Boden geworfen. Die Eltern des jungen Manns sind deswegen sogar zur Polizei gegangen. Obwohl das Tier ihn auf der Stelle hätte töten können, hat es ihn nur zurückgehalten und damit quasi gesagt: „Bis hierher und nicht weiter!" Diese Geschichte ist meiner Meinung ein gutes Beispiel für einen Fall, der richtig schlimm hätte enden können, im Grunde jedoch einen glücklichen Ausgang gefunden hat. Wenn dieses Tier wirklich existiert, dann haben wir es auf jeden Fall mit einem gewissen Level an Intelligenz zu tun—was es aber natürlich auch umso schwerer macht, es zu finden und seine Existenz zu beweisen.

Hat sich die Beliebtheit von TV-Shows, die sich mit solchen Phänomenen beschäftigen, positiv oder negativ auf deine Arbeit ausgewirkt?
Solche Sendungen haben dieses Thema in den Mainstream gebracht und helfen somit vielen Leuten dabei, überhaupt über ihre Erfahrungen und Sichtungen zu sprechen. Allerdings ist es so auch viel schwieriger geworden, die Menschen ausfindig zu machen, die auch wirklich die Wahrheit erzählen. Um ihre Märchen glaubhaft erscheinen zu lassen, nennen Spaßvögel nun auch immer die Schlüsselwörter, auf die durchschnittliche Forscher achten. Wir geben einfach viel zu viele Informationen preis und genau deswegen rede ich auch nicht über alle Dinge, die ich über die Jahre hinweg herausgefunden habe.

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Wie nah bist du denn jemals an einen Bigfoot rangekommen?
Ich habe das Tier zwar noch nicht gesehen, aber mir sind schon ein paar sehr interessante Dinge passiert. Bei einem davon habe ich mich gefragt, was ich zur Hölle eigentlich da draußen treibe, ich hatte nämlich eine Riesenangst. Das war 2010 in Virginia. Ich war gerade mitten in einem Live-Interview fürs Radio und befand mich an einem Teich. Es war sehr dunkel geworden und ich kehrte um, um zurück zum Basislager zu gehen. Plötzlich sah ich die Lichtreflektion eines Fischköders, der in einem Gebüsch schwamm, und darüber waren diese beiden leuchtenden Augen. Ich konnte nicht fassen, was ich gerade dort sah, und die Skeptikerin in mir—ich wusste ja, dass ich mich mitten in einem Telefoninterview für eine Radiosendung befand—wollte nicht plötzlich rufen: „Sie glauben nicht, was ich hier gerade sehe." Ich stand also da und schaute, wie sich die beiden Ich wusste einfach, dass ich beobachtet wurde. Als wir anschließend die Maße von dem Ding rekonstruiert hatten, passte das zu dem, was der Grundstücksbesitzer uns erzählt hatte: eine Kreatur mit einer Größe zwischen 2,15 und 2,30 Metern. Ich war bei der Begegnung allerdings etwa 100 Meter davon entfernt, ich kann also nicht wirklich sagen, ob es ein Bigfoot war. Ich weiß es nicht, aber das waren ein paar sehr große Augen. Ich habe davor oder danach nichts Vergleichbares gesehen.

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Ich dachte mir: Wenn das hier das ist, was ich denke, das es ist, dann spielen wir mit dem Feuer.

Ein anderes Mal waren mein Mann und ich im Salt Fork State Park in Ohio. Wir waren im Zelt, er machte Aufnahmen und plötzlich konnten wir hören, wie etwas unglaublich Schweres die kleine Straße überquerte. Wir hörten aufmerksam zu, während dieses Ding in unser Camp lief. Wir konnten es atmen hören. Meine erste Sorge war, dass es ein Bär war. Es ist rüber zu unserem Auto gelaufen und hat an allen vier Türgriffen gezogen. Die einzigen Bären, die es in Salt Fork gibt, sind Schwarzbären und Schwarzbären haben keine Klauen, die sie ein- und ausfahren können. Wenn es also ein Schwarzbär gewesen wäre, der an den Türgriffen gezogen hat, dann hätten wir Spuren sehen müssen. Es gab keine Spuren von Klauen an unserem Auto. Was auch immer es war, es war groß. Es hatte eine wirklich tiefe Atmung. Wir haben unsere Audio-Aufnahmen einem Bär-Experten vorgespielt und selbst er meinte, dass das kein Bär war. Wir haben jetzt solche Aufnahmen aus zwei verschiedenen Orten in Ohio. Das waren die beiden Male, an denen ich mir selbst dachte: „Wenn das hier das ist, was ich denke, das es ist, dann spielen wir mit dem Feuer."

Es scheinen sich vor allem Männer für solche Sachen zu interessieren. Was meinst du, woran das liegt?
Als ich 2005 damit anfing, war es ein unglaublich von Männern dominiertes Feld. Du konntest die ernsthaft aktiven Forscherinnen an zwei Händen abzählen. Wenn du dich als Frau eingebracht hast, haben sie sich nicht wirklich dafür interessiert, was du zu sagen hast—und in manchen Gruppen ist das wahrscheinlich immer noch so. Aber ich habe zusammen mit einer Freundin von mir vehement auf die Notwendigkeit von weiteren Frauen in dem Feld hingewiesen. Wenn man sich die Geschichte der Primatenforschung anschaut, wer ist dann näher an die Tiere rangekommen? Die Frauen. Schau nur, was Jane Goodall geleistet hat—und das, weil sie näher an die Tiere rangekommen ist als Ihr Chef. Wir strahlen mehr Fürsorglichkeit aus und ich glaube, Tiere springen darauf an.

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Stellt es dich vor bestimmte Herausforderung oder hat es sogar Vorteile, eine Frau in diesem Feld zu sein?
Für mich persönlich war das jetzt keine besondere Herausforderung, weil ich es gewohnt bin, mich beweisen zu müssen. Wenn du eine Frau bist, dann fühlst du dich früher oder später von Männern herausgefordert. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen und wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann mache ich es auch. Wenn du eine Frau bist, musst du noch einmal mehr beweisen, dass du zu etwas fähig bist. Frauen haben im Bereich der Forschung allgemein viel zu bieten. Es müssen nicht unbedingt Männer sein, die den Laden schmeißen, weil Männer jagen oder so. Ich muss mir das oft anhören. Es gab einen Typen, der einen Blogeintrag über mich geschrieben hat und meinte, dass ich besser auf Shoppingtour gehen und Handtaschen kaufen soll. Wenn das deine Frau glücklich macht, von mir aus, aber ich suche mir gerne Herausforderungen.

Musstest du dich viel mit sexistischen Angriffen im Internet rumschlagen?
Ich komme noch nicht mal mehr mit, so viele sind das. Ich habe ein sehr dickes Fell. Also, wenn die so über ihre Frauen oder Frauen in ihrem Umfeld reden wollen, dann ist das ihr Ding, aber ich lasse mir den Scheiß nicht bieten. Es gibt immer noch Männer in der Community, die eigentlich nur im Internet sind, um Streit anzufangen. Ich habe ziemlich viele männliche Freunde, mit denen ich mich austausche. Die respektieren mich und ich respektiere sie. Das sind Kerle, die hart arbeiten, um eine Antwort auf dieses Mysterium zu finden. Das sind die Menschen, mit denen ich arbeite—Menschen, die sich nicht um Politik scheren, sondern einfach dieses Geheimnis lüften wollen.

Hast du Ratschläge für Amateure, die sich auf die Suche nach Bigfoot machen wollen?
Mein bester Ratschlag ist, eine ordentliche Portion gesunden Menschenverstands mitzubringen. Stürz dich nicht einfach auf die erstbeste Forschergruppe, die du im Internet findest, nur weil sie alles zu wissen scheinen. Eigentlich wissen wir nämlich gar nichts. Wir haben nur ein paar kleine Teile eines gigantischen Puzzles.


Titelfoto: unsplash.com | CC0