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Kunst

Diese Künstlerin kann Spermien mit ihren Gedanken kontrollieren

Ani Liu vereint Wissenschaft mit Kunst und macht Performance Art, die unter die Haut geht.
Alle Fotos: Ani Liu

Ani Liu ist Wissenschaftlerin, Künstlerin und erkundet mit ihrer Arbeit die Grenzbereiche zwischen Forschung, Kultur und Technik. Im Moment macht sie ihren Masterabschluss am MIT Media Lab an der Universität von Massachusetts. Der Großteil ihrer künstlerischen Arbeit dreht sich hingegen vor allem um "die Kunst des spekulativen Erzählens".

Mit der Rolle des weiblichen Körpers in der Geschichte der Politik und dem Patriarchat beschäftigt sich Liu seit Langem. Es gab allerdings zwei besondere Momente, die sie dazu gebracht haben, sich mit unserer verzerrten Wahrnehmung von Geschlechterrollen zu beschäftigen – und beide haben mit Donald Trump zu tun. Zum einen das Auftauchen der Gesprächsmitschnitte im Oktober 2016, in denen Trump damit prahlte, Frauen sexuell zu belästigen. Zum anderen, als Trump im Januar 2017 die Global Gag Rule wieder einführte, um die Finanzierung ausländischer Nichtregierungsorganisationen einzustellen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder auch nur darüber informieren.

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Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist ihr neuestes Projekt, "Mind Controlled Sperm: Women of STEAM Grabs Back." (zu deutsch: "Gedankenkontrolliertes Sperma: Wissenschaftlerinnen schlagen zurück.")

Das Ganze funktioniert so, dass sich Liu an ein EEG-Gerät anschließen lässt. Es dient als Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer, wodurch die elektrischen Aktivitäten ihrer Gedanken gemessen werden können. Mithilfe dieser elektrischen Strömungen kann sie wiederum die Bewegung der Spermien entlang einer XY-Achse kontrollieren. Je nachdem, ob die Ladung zu- oder abnimmt, bewegen sich die Spermien nach links oder nach rechts. Hierzu macht sich die Künstlerin einen Prozess zu Nutze, der sich Galvanotaxis nennt: Das Phänomen, dass sich einzellige Organismen und andere Zellen in einem elektrischen Feld auf einen der beiden elektrischen Pole zubewegen.

Die Bewegungen der Spermien – die übrigens von Lius Mann stammen – werden unter dem Mikroskop aufgenommen und in den Raum projiziert. So kann man beobachten, wie die Spermien innerhalb des elektrischen Feldes auf die positive Elektrode mit knapp 12 Volt pro Zentimeter zu schwimmen.

Alle Bilder: Ani Liu

Der Schaltkreis wurde von Liu selbst entwickelt. Inspiriert wurde sie dadurch von Wissenschaftlern, die diese Erscheinung im Rahmen von "biotischen Spielen" bereits an Pantoffeltierchen erprobt haben. "Kunst und Wissenschaft haben sehr viel gemeinsam", sagt Liu. "Man formuliert eine Hypothese, weil man etwas über die Welt erfahren möchte und führt wiederholt Experimente durch, um zu einem Ergebnis zu kommen."

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Im Vorspann zu Lius Video heißt es: "Ein Körper ist nicht einfach nur ein Körper. Er wurde zu einem Objekt der politischen Kontrolle." Uns hat sie mehr darüber verraten, was ihre Arbeit über die reproduktiven Rechte und die Autonomie von Frauen aussagt.


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Broadly: Was hat dich zu deinem Projekt inspiriert?
Ani Liu: Als das Video von Trump um die Welt ging, in dem man ihn damit prahlen hört, dass er Frauen in den Schritt fassen kann, nur weil er berühmt ist, musste ich es mir immer und immer wieder anhören. Es machte mich so unglaublich wütend und hat mich damit letztendlich zu meiner Arbeit angespornt. Hinzu kommt, dass es Aufzeichnung von seinen chauvinistischen und frauenverachtenden Äußerungen gibt und er dennoch gewählt wurde. Ganz abgesehen von seinen Dekreten, mit denen er die Gesundheit von Frauen auf der ganzen Welt in Gefahr bringt. Er ist ein Symbol dafür, wie Frauen von Männern benutzt werden.

Als Künstlerin und Kulturschaffende hat mich aber noch eine andere Frage interessiert: Wie könnte man die Metaphern und die Kulturlandschaft, in der Männer und Frauen arbeiten, umkehren und die Absurdität von Macht und Staat darstellen?

Deine Performance ist ruhiger und introspektiver als die Arbeit von beispielsweise Barbara Kruger, die du ja auch als Inspiration nennst. War das beabsichtigt?
Der Grundtenor meiner Arbeit – Sperma in einem feministischen Kunstprojekt zu verwenden – besitzt auch so schon genug Sprengkraft. Es war also eine bewusste Entscheidung, die nahezu sterile Ästhetik eines Labors anzustreben. Abgesehen davon habe ich mit Wendy Eisenberg zusammengearbeitet, die die Performance musikalisch begleitet hat. Dadurch entstand diese Gegenüberstellung aus meiner sehr klaren, schnörkellosen Ästhetik und das körperliche ihrer Stimme.

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Ich habe mich dem Ganzen als Künstlerin und Wissenschaftlerin angenähert. Alles, was mit Feminismus und Frauenrechten zu tun hat, ist auch so schon sehr brisant. Deswegen habe ich in der Ästhetik und der Übertragung meiner Arbeit vor allem darauf geachtet, dass es … "Objektiv" ist vielleicht das falsche Wort dafür, aber ich wollte die Neutralität von Wissenschaft und Information übernehmen. Die Musik verleiht dem Ganzen gleichzeitig etwas Darstellendes und Emotionales.

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Was möchtest du mit deiner Performance zum Ausdruck bringen?
Die Performance selbst ist skurril, eigenartig, aber auch wissenschaftlich: Eine Frau, die die Bewegungen von Spermien mithilfe ihrer Gedanken kontrolliert. Das Ganze wird durch die Biologie determiniert: Spermien folgen immer der chemischen Signatur der Eizelle – das ist nun mal so. Kulturell wird Sperma immer als ein Zeichen von Dominanz verwendet, wie zum Beispiel in Pornos.

Ich möchte durch die Verbindung von Kunst und Wissenschaft und der sterilen Ästhetik die Möglichkeiten infrage stellen: Ich möchte beides miteinander kombinieren und das scheinbar Unmögliche darstellen. Ich hoffe, dass das Ganze auch eine Metapher zur kritischen Betrachtung unsere Gesellschaft dienen kann.

Die Aussage meiner Performance soll möglichst offen sein. Ich möchte nicht nur, die Probleme darstellen, die durch Trumps Präsidentschaft entstehen. Es gibt unzählige patriarchalische Regierungen weltweit und ich möchte nicht nur diesen einen Moment in unserer Geschichte beschränken.

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