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Serie

Diese Serie beweist, dass Dating in Berlin furchtbar kompliziert ist

Regisseurin Kanchi Wichmann porträtiert in "Mixed Messages" die queere Szene der Hauptstadt und will weibliche Charaktere jenseits aller Klischees zeigen – egal ob dick, lesbisch oder beides.
Szene aus "Mixed Messages"

Jeder, der schon mal ein furchtbares Tinder-Date hinter sich gebracht hat, weiß: Dating im 21. Jahrhundert ist frustrierend. Egal, wie groß eure Stadt ist, am Ende stößt man doch immer auf dieselben Wahnsinnigen. Gerade dann, wenn der Dating-Pool, in dem ihr euch bewegt, sowieso verhältnismäßig überschaubar ist. Kanchi Wichmann hat sich der komplizierten Partnersuche in Berlin angenommen und zeigt in ihrer Webserie Mixed Messages eine junge, queere Frau auf der Suche nach Liebe – gespielt von Newcomerin Alana Lake.

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Dass die Serie so realistisch wirkt, hat einen Grund: Ein Casting gab es nicht. Die Charaktere werden nicht von ausgebildeten Schauspielern, sondern Szenevertretern und Bekannten der britischen Regisseurin gespielt. Zwei der zehn Episoden wurden dieses Jahr am Auftaktabend des Berlin Feminist Film Week gezeigt, veröffentlicht werden soll die Serie im Juni diesen Jahres. Wir haben uns am Rande des Festivals mit Kanchi Wichmann getroffen und mit ihr über die Arbeit mit einer rein weiblichen Crew und die oftmals verwirrende Berliner Dating-Szene gesprochen.

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Broadly: Woher kam die Idee zu Mixed Messages?
Kanchi Wichmann: Zuerst war da meine persönliche Erfahrung. Ich war selbst single und queer in Berlin und hatte viele schlechte Dates erlebt. Immer, wenn ich mit Freunden über diese Erfahrungen gesprochen habe, meinten die, dass ihnen dasselbe auch passiert. Die Dating-Szene hier scheint also wirklich sehr verwirrend zu sein. Ich wohne jetzt seit drei Jahren hier. Eigentlich komme ich aus London, wo das für mich alles viel klarer war. Hier habe ich einfach so viele Erfahrungen, die keinen Sinn machen. Einmal hat mir zum Beispiel jemand Frühstück im Bett angeboten und war dann einfach verschwunden. Die Szene habe ich auch für die Serie übernommen.

Liegt das speziell an Berlin, oder ist das ein deutsches Problem?
Ich habe nie in einer anderen Stadt in Deutschland gelebt, also kann ich das nicht vergleichen. Ich würde aber nicht sagen, dass es etwas mit den Deutschen zu tun hat, es sind ja auch viele internationale Menschen hier. Aber die Vorstellung, die viele Menschen von Berlin haben, also dass alles hier so offen, so frei, alle leben, wie sie wollen, ist, hat sicher etwas damit zu tun.

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Ist queeres Daten komplizierter? Gibt es überhaupt gravierende Unterschiede?
Das kann ich nicht sagen, weil ich nur queer date. Im Vergleich zu London kann ich aber sagen, dass die Szene in Berlin komplizierter ist. Polyamorie, BDSM und Play-Parties sind hier weit verbreitet und geben dem ganzen ein anderes Umfeld. Das gilt, soweit ich weiß, auch für die heterosexuelle Szene. Ich persönliche kenne hier in Berlin nicht viele monogame Paare – das ist in London anders. So entsteht hier eine Atmosphäre, in der man das Gefühl hat, dass man einfach losziehen und in diesem Pool aus Menschen irgendjemanden finden kann. Das ist aufregend und mitreißend und befreiend, kann aber auch einsam machen. Es ist schwer, mit jemandem eine besondere Bindung aufzubauen, wenn die Person am nächsten Tag direkt jemanden anderen datet.

Ich glaube, dass es immer noch diese Angst davor gibt, übergewichtige Menschen als sexy oder attraktiv darzustellen.

Wonach sucht dein Hauptcharakter Ren? Weiß sie das überhaupt selbst?
Am Anfang scheint es so, als ob Ren nach ihrer schrecklichen Trennung einfach nur jemand Neuen finden möchte. Doch das verändert sich im Lauf der Serie. Es gibt diese Folge, bei der sie bei der Meditation eine Frau kennenlernt. Man denkt, dass sich daraus wirklich etwas entwickeln könnte, aber in der nächsten Folge küsst Ren schon wieder jemanden Neuen auf einer Toilette. Meine Idee dahinter war, dass Ren am Anfang all diese mixed messages erhält und irgendwann anfängt, dasselbe zu tun.

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Ich habe gesehen, deine Crew hinter der Kamera bestand ausschließlich aus Frauen?
Ja, das stimmt. Wir haben uns Menschen rausgesucht, mit denen wir sowieso Zeit verbracht haben – und das waren nunmal vor allem Frauen. Es war für mich das erste Mal, dass ich in einem rein weiblichen Team gearbeitet habe und ich muss sagen, dass ich das wirklich genossen habe. Das war etwas, was ich insgeheim immer mal ausprobieren wollte.

Die Crew von Mixed Messages: Leila Mukhida & Nadja Krüger (Produktion), Smina Bluth (Kamera), Kanchi Wichmann (Regie) und Han Van Acoleyn (Sound). Foto: Nabi Nara

Was ist der gravierendste Unterschied bei der Arbeit mit einer rein weiblichen Crew?
Die Sache ist die: Heterosexuelle Männer im Speziellen haben diese Anspruchshaltung an sich. Das heißt nicht, dass sie Machos sind, aggressiv oder schlechte Menschen. Ich glaube, sie haben einfach nur eine andere Art von Selbstbewusstsein verinnerlicht, damit sind sie aufgewachsen. Nun arbeitet man im Film ja viel mit Technik und mir ist es einfach schon oft passiert, dass ich mit Männern zusammengearbeitet habe, die mir ungefragt technische Aufgaben aus der Hand genommen haben. Das waren keine Arschlöcher, die das bewusst gemacht haben oder es böse gemeint haben. Das war ganz normal für sie, weil sie dachten, dass sie alle Antworten haben.

Bei diesem Film war es schön zu wissen, dass sich diese Frage überhaupt nicht stellen wird. Niemand hat versucht, jemanden anderen zu überbieten. Wir waren einfach auf dem gleichen Level. Das war eine schöne, unerwartete Erfahrung. Davor war mir wirklich nicht bewusst, wie stressig es sein kann, immer wieder diesen Kampf um das Equipment zu führen.

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Ich will jetzt hier nicht auf The L-Word rumreiten, aber ich denke das ist ein ziemlich gutes Beispiel. Keine meiner Freundinnen sieht aus wie diese Frauen.

Zum Thema männlicher Einfluss auf Film: In letzter Zeit ist der "Male Gaze" ein großes Thema im Kino. Ist das etwas, an das du aktiv denkst, wenn du an einem Film arbeitest?
Ich kann nicht sagen, dass ich einen "Female Gaze" habe, aber ich erzähle natürlich die Geschichte aus meiner Perspektive. Das kann eine weibliche Perspektive sein oder eben nicht. Es gibt sicherlich Frauen, die damit nicht einverstanden sind. Wenn ich schreibe, bin ich mir meines Geschlechts allerdings schon bewusst. Ich achte auch darauf, dass die Rollen die ich schreibe, keine Stereotypen bedienen. Beim Dreh selbst, denke ich dann weniger an den Gender-Aspekt. Das war aber auch ein schöner Nebeneffekt davon, eine weibliche Crew zu haben: Wir waren alle einer Meinung, was die Art und Weise anging, in der wir unsere Charaktere erzählen. Zudem waren alle Crew-Mitglieder lesbisch, was auch schön war. Wir haben unsere eigene Welt auf unsere eigene Art und Weise gezeigt.

Kannst du uns ein bisschen mehr zur Darstellung von Körpern in deiner Serie erzählen?
Das ist interessant, weil das nichts ist, mit dem ich mich aktiv auseinander gesetzt hätte. Beim Casting ging es mir mehr darum, Leute zu finden, die Schauspielen wollten und eine gute Präsenz vor der Kamera hatten. Ich wusste aber schon, dass ich nicht einfach nur Typen abhaken wollte. Wenn ich dicke Frauen dabei haben würde, dann nicht nur eine, um diesen Typ abzuhaken. Ich glaube, dass es immer noch diese Angst davor gibt, übergewichtige Menschen als sexy oder attraktiv darzustellen. Wenn es dicke Charaktere gibt, sind sie oft die lustige, beste Freundin oder das Mädchen, das nie einen Partner findet – und das stimmt einfach nicht. Außerdem haben wir viele femme Charaktere gecastet. Das ist vor allem in Berlin ein Problem, weil sich hier viele sehr weibliche Lesben unsichtbar fühlen. Viele haben das Gefühl, dass Maskulinität und Androgynität hier mehr gefeiert werden. Ein anderes wichtiges Thema war für mich das Alter. Ich wollte nicht, dass alle meiner Charaktere 21 sind.

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Denkst du, dass queere Liebe im Film momentan realistisch repräsentiert wird?
Das größte Problem, dass ich im Moment in Serien und Filmen sehe, die sich mit lesbischen Beziehungen auseinandersetzen, ist, dass, ich mich dort nicht selbst wiedererkenne. Ich sehe keine Menschen, die wie ich aussehen oder wie ich leben. Die Leute haben immer noch Angst, Lesben zu zeigen, die auch wie solche aussehen. Das ist ein echtes Problem. Ich will jetzt hier nicht auf The L-Word rumreiten, aber ich denke das ist ein ziemlich gutes Beispiel. Keine meiner Freundinnen sieht aus wie diese Frauen. Ich habe die Verantwortung gefühlt, unsere Gemeinschaft in all ihrer Diversität zu zeigen. Nicht in dieser Fake-Diversität, wo man einen Charakter zeigt, der Butch ist und einen, der Trans ist. Das ist etwas, auf das ich wirklich stolz bin: dass wir auch Menschen gezeigt haben, die zum Beispiel nicht dünn sind und trotzdem sexy und attraktiv.

An was arbeitest du gerade?
Mixed Messages soll im Juni veröffentlicht werden. Im Moment arbeite ich an einem anderen Film über queere Liebe. Eine schwarze Komödie, eine Mutter-Tochter-Geschichte – also das komplette Gegenteil von queerem Dating in Berlin. Trotzdem hätte ich danach Lust nochmal eine Serie in Berlin zu drehen. Nicht das komplett Gleiche, aber irgendetwas lustiges. Mixed Messages hat so viel Spaß gemacht, jetzt habe ich Lust, da weiterzumachen.

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