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Psychologie

Eine Traumforscherin erklärt, wie man Albträume bekämpft

Wer kennt nicht das Gefühl, nach einem Albtraum schweißgebadet aufzuwachen und nicht zu wissen, ob man das Ganze nur geträumt oder wirklich erlebt hat? Margaret Bowater weiß, wie man wieder ruhig schläft.
Illustration by Lucy Han

Die großartige Literaturkritikerin Margaret Fuller hat mal gesagt, dass nur ein Träumer die Realität versteht. Ihr war es damals vielleicht noch nicht bewusst, aber sie ging mit dieser Aussage schon in die Richtung der später aufkommenden Traumforschung. Damit bezeichnet man einen Teilbereich der Psychoanalyse, in dem Träume auseinandergenommen werden um die Emotionen aufzudecken, die tief in unseren gequälten Seelen schlummern.

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Mit dieser Praxis, die immer noch zu großen Teilen auf anekdotischen Beweisen und Fallstudien basiert, will man die Gefühle und Bilder unserer Träume erforschen, ohne dem Ganzen dabei zwangsläufig eine gewisse Bedeutung zuzuordnen. Die neuseeländische Psychotherapeutin Margaret Bowater, die sich schon seit über 25 Jahren auf die Traumforschung spezialisiert, ist der Meinung, dass unsere Träume und Albträume Werkzeuge sind, um die versteckten Aspekte unseres Inneren besser zu verstehen.

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Die Vollzeit-Traumdeuterin hat vor Kurzem ein Buch mit dem Titel Healing the Nightmare; Freeing the Soul veröffentlicht. Darin erklärt sie, wie wir unsere Albträume verändern können, damit sie uns weiterhelfen, anstatt uns zu hemmen. Es gibt nämlich nichts Besseres als gesunden Schlaf und unser Alltag ist so schon stressig genug.

Broadly: Wie definiert man eigentlich einen Albtraum?
Margaret Bowater: Träume können auch verstören oder Stress verursachen, ohne Albträume im eigentlichen Sinn zu sein. Fachlich gesehen, ist ein Albtraum ein schockierender Traum, der einen mitten in der Nacht aufwachen lässt, weil man Angst vor dem hat, was als nächstes passieren wird.

Es ist unglaublich wichtig, unseren Albträumen mehr Beachtung zu schenken—und das schon in der Kindheit.

Wie kommen Albträume zustande?
Meistens werden Albträumen durch Ereignisse im echten Leben ausgelöst. Das können zum Beispiel traumatische Erfahrungen sein—vor allem in Zusammenhang mit Gewalt. Menschen, die schon mal Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind oder in einem Kriegsgebiet leben, neigen häufiger zu Albträumen. Aber auch Zeugen von Verbrechen können Albträume bekommen, wenn sie befürchten, dass ihnen das Gleiche zustoßen könnte.

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Glaubst du, dass jeder Traum irgendeine Bedeutung hat?
Die meisten Träume besitzen tatsächlich eine Bedeutung, aber in unserem hektischen und modernen Leben träumen wir oftmals nur noch in Bruchstücken. Das reicht dann nicht, um eine zusammenhängende Geschichte oder ein klares Bild auszumachen. Im Grunde können nur die Träumer die Bedeutung ihrer Träume wirklich erfassen. Leute wie ich sind aber dazu in der Lage, ihnen bei der Analyse zu helfen. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass es besser ist, wenn man Albträume schnell wieder vergisst. Das ist jedoch falsch. Es ist unglaublich wichtig, unseren Albträumen mehr Beachtung zu schenken—und das schon in der Kindheit. Man kann aus seinen Albträumen viel lernen und sie so verändern, dass sie einem nicht mehr ständig Angst machen.


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In deinem Buch schreibst du davon, Albträume zu „zügeln". Was genau meinst du damit?
Wenn ein Patient aus einem Albtraum aufwacht und einen ruhigen Eindruck macht, dann weise ich ihn immer an, über die Geschehnisse des Albtraums nachzudenken und sich bewusst ein besseres Ende der Geschichte vorzustellen. Damit beugt man einem Gefühl der Hilflosigkeit vor. Man kann sich vor seinem geistigen Auge zum Beispiel einen mächtigen Verbündeten herbeirufen, der einem bei der Traumsituation hilft. Oder falls jemand gestorben ist, kann man sich vorstellen, wie die Seele den Körper verlässt und sich auf eine neue Reise begibt.

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Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Wenn der Traum dann wiederkommen sollte, hat man einen alternativen Ausgang parat und alles verändert sich. Somit wird dem Träumer eine neue Art der Macht verliehen. Mir haben schon dutzende Patienten davon berichtet, wie viel Unterschied das alles macht.

Eine Frau, die früher sexuell missbraucht worden war, hat zum Beispiel ständig davon geträumt, wie ein Krokodil sie angreift. Als der Traum erneut erschien, zog sie in Gedanken dann ein Waffe und erschoss das Tier. Sie hatte so einen neuen neuralen Pfad im Gehirn geschaffen und es damit auch vermieden, am Ende des Traums wieder als Opfer dazustehen. Nein, sie übernahm von da an die Kontrolle. Obwohl ihr Peiniger schon lange tot war, ist der Traum 30 Jahre lang immer wieder gekommen. Danach gehörte er jedoch ebenfalls der Vergangenheit an.

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Können sich Albträume auch auf die körperliche Gesundheit auswirken?
Zwischen chronischen Albträumen, die den Schlaf unterbrechen, und Atembeschwerden besteht tatsächlich eine Verbindung. Einmal hat mich auch eine Frau kontaktiert, die einen Autounfall verursacht hatte. Sie war am Steuer eingeschlafen und meinte, dass das am durch Albträume verursachten Schlafmangel gelegen hätte.

Einigen Leuten fällt es schwer, sich an ihre Träume zu erinnern. Kann man so etwas üben?
Bei einigen Menschen verlangt es der Job, dass sie aus dem Bett springen und direkt zur Arbeit gehen. Oder die Partner bzw. die Kinder stören das Aufwachen. Wenn man von einem Wecker geweckt wird, dann konzentriert man sich nicht mehr auf die Inhalte der Träume. Man sollte sich nach dem Aufwachen fünf Minuten Zeit nehmen, sich mit dem Geträumten auseinandersetzen und das Ganze notieren. Sobald man sich für die eigenen Träume interessiert, schenkt man ihnen auch mehr Aufmerksamkeit und kann sich besser an sie erinnern.

Wie denkst du über Skeptiker, die sagen, dass Träume keine Bedeutung haben?
Wir alle träumen. Warum sollten Träume dann—im Gegensatz zu allen anderen Aspekten des eigenen Lebens—nichts bedeuten? Ich glaube, dass solche Skeptiker einfach nur Angst vor dem haben, was sie mithilfe ihrer Träume herausfinden könnten. Sie lassen die eine Hälfte ihres Lebens einfach so links liegen.