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Psychologie

Einsame Menschen neigen eher dazu, Gegenstände zu vermenschlichen

Einsame Menschen neigen eher dazu, leblosen Gegenständen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben—so viel wissen wir bereits. Eine neue Studie hat nun aber festgestellt, dass allein die Erinnerung an frühere Beziehungen bewirken kann, dass aus einem...

Es mag vielleicht nicht sonderlich überraschend wirken, aber: einsame Menschen neigen eher dazu, leblose Gegenständen zu vermenschlichen. Wenn Menschen das Gefühl haben, nicht dazu zu gehören, versuchen sie soziale Ängste oftmals dadurch zu bewältigen, dass sie Kuscheltieren, Weckrobotern oder dekorativen Seitenschläferkissen menschliche Eigenschaften zuschreiben. Wenn du also seit längerem mit deinem Laptop sprichst, weißt du, woran es liegt.

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Einer neuen Studie zufolge, die vor Kurzem in Psychological Science erschien, gibt es aber eine Lösung für all jene, die Trost in vermenschlichten Gegenständen finden: Durch die Erinnerung an vergangene enge, liebevolle Beziehungen kann die Tendenz, leblosen Objekten menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, reduziert werden.

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Nachdem im Rahmen einer vorangegangenen Studie festgestellt werden konnte, dass es eine Verbindung zwischen Einsamkeit und der Vermenschlichung von Gegenständen gibt, haben sich die Forscher gefragt, ob es den Betroffenen helfen könnte, diese Neigung auszugleichen, indem sie sich Erinnerungen an soziale Beziehungen ins Gedächtnis rufen. Hierzu führten sie ein Online-Experiment mit den Daten von 178 Teilnehmern durch, die zu Beginn gebeten wurden, Fragebögen auszufüllen, durch die unter anderem Größen wie Einsamkeit, Selbstbewusstsein und Zugehörigkeitsgefühl bestimmt wurden. Anschließend wurde einigen von ihnen gesagt, dass sie an „wichtige" und „bedeutungsvolle" Beziehungen denken sollten, während sich andere an bloße Bekanntschaften erinnern sollten. Während die Teilnehmer in Erinnerungen schwelgten, sollten sie eine Reihe von Aufgaben lösen, zum Beispiel eine Visualisierungsübung, durch die das Gefühl von sozialer Zugehörigkeit erzeugt werden sollte.

Danach wurden die Probanden nach ihrer „Anthropomorphisierungstendenz" eingeteilt. Hierzu sollten sie die Beschreibung von vier technischen Geräten lesen—darunter auch die von Clocky, einem Wecker, der beim Klingeln wegrollt, sodass man aufstehen muss, um ihn auszuschalten. Anschließend sollten sie die Geräte anhand einiger sozialer (wie „hat einen eigenen Kopf") sowie nicht-sozialer Dimensionen (wie „Effizienz") bewerten.

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Die Ergebnisse zeigten zum einen, dass die Autoren der Studie die bisherigen Forschungsergebnisse nachstellen konnten, was bestätigt, dass einsame Menschen tatsächlich eher dazu neigen, Gegenstände zu vermenschlichen; zum anderen stellten die Forscher fest, dass die Teilnehmer, die sich an bedeutsame Beziehungen erinnerten, „deutlich seltener" Gegenstände vermenschlichten.

Jennifer Bartz ist Professorin für Psychologie an der McGill University und führende Autorin der Studie. Sie schrieb in einer Pressemitteilung: „Wir denken, diese Arbeit zeigt ganz deutlich, wie wichtig es ist, dass sich Menschen sozial eingebunden fühlen und wie weit Menschen gehen, um eine Verbindung herzustellen, wenn sie sich ausgeschlossen fühlen. Es sollte uns an den Wert enger Beziehungen erinnern."

„Mit ‚sozial eingebunden' meinen wir etwas ganz konkretes", erklärt Kristina Tchalova, Absolventin der McGill University und Co-Autorin von Bartz. „Das überschwängliche Gefühl von Freude und Wärme, das man in der Gegenwart von Menschen empfindet, die einem das Gefühl geben, verstanden, wertgeschätzt und umsorgt zu werden." Soziale Medien sind zwar sehr praktisch, um mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben, sagt Tchalova, die Interaktionen „sind aber nicht so eng und gezielt wie in einer intimen Beziehung."

Tchalova betont auch, dass es nicht ungesund oder anormal sei, leblosen Gegenständen menschenähnliche Merkmale zuzuschreiben. „In unserem Beispiel", sagt sie, „gaben nur 13 Prozent der Teilnehmer an, dass die Objekte in ihren Augen überhaupt keine menschlichen Charakteristika hatten. Das bedeutet, dass der Großteil der Leute—einsam oder nicht—anthropomorphisierende Gedanken hat."

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Das birgt allerdings die Gefahr, sagt sie weiter, „dass man vereinsamt, wenn dieses Verhalten überhand nimmt und verhindert, dass wir echte Beziehungen zu realen Personen führen. Gegenstände zu vermenschlichen, mag Menschen auf kurze Sicht neuen Antrieb geben, wenn sie sich sozial abgeschnitten fühlen—außerdem ist es einfach, da es keinerlei Risiken birgt. Doch das Gefühl, das man aus einem solchen Verhalten zieht, ist längst nicht so bereichernd wie eine vertraute Beziehung zu einem anderen Menschen."

Oder, um abschließend nochmals aus der Studie zu zitieren: „Anthropomorphismus ist einer der kreativeren Versuche, seinem Bedürfnis nach Zugehörigkeit nachzukommen. Es ist allerdings trotz allem schwierig, eine Beziehung zu einem leblosen Objekt zu führen."