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Sex machina

Benutzt eigentlich niemand mehr ein Kondom?

Männer und Frauen erklären, warum aus einem "Hast du ein Kondom?" so oft ein "Ach, egal" wird.
Foto: Maria Yagoda

Vergangenen Sommer habe ich in einer schrecklichen Bar an der Upper East Side einen Grundschullehrer mit einem montenegrinischen Akzent kennengelernt. Mir war sofort klar, dass wir Sex miteinander haben würden. Schnitt. Neue Szene: Wir liegen auf dem Bett und machen rum – beziehungsweise auf der Ausziehcouch in der Wohnung seines Bruders. (Wir machen gerade beide eine schwierige Zeit durch.)

Ich frage ihn, ob er ein Kondom hat. Er zuckt mit den Achseln und verneint.

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"Dann werden wir wohl auch keinen Sex haben", sage ich, rolle mich zur Seite und fange an, auf mein Handy zu starren. Er fragt mich, ob ich die Pille nehme. Als ich das bejahe, aber trotzdem auf ein Kondom beharre, beginnt er mit einem sehr langen, sehr anstrengenden Vortrag. Nachdem er mir fünf Minuten lang in aller Ausführlichkeit versichert hat, "sauber" zu sein, merkt er schließlich, dass ich es ernst meine. Als Frau scheint man immer alles mehrfach sagen zu müssen, bis einem überhaupt irgendwas geglaubt wird. Ihr kennt das. Schlussendlich sagt er: "Ehrlich gesagt habe ich ein Kondom da. Ich hol es mal."

Die Tatsache, dass dieser Kerl mich derart verarschen wollte, ließ mich die ganze Aktion sofort abblasen. Ich habe ihn mit der Ausziehcouch und dem Kondom alleine gelassen und das Weite gesucht. Leider war es weder das erste Mal, noch sollte es das letzte Mal bleiben, dass mir so etwas passiert.

"Ich dachte mir in dem Fall immer nur: 'Scheiß drauf!'"

Mir kommt es vor, als müsste immer ich es sein, die das Thema Verhütung anspricht. Klar, Sex ohne Kondom fühlt sich oft besser an, aber es hat seinen Sinn, dass Safer-Sex-Kampagnen immer wieder anmahnen, Gummis zu benutzen. Sie schützen vor Infektionen, die über die Scheidenflüssigkeit, das Sperma und das Präejakulat übertragen werden. Und egal, was man dir erzählt: Nein, Rausziehen hat nicht denselben Effekt. Außerdem bewahrt dich ein Kondom auch vor jeder Menge anderer Krankheiten, die über die Haut übertragen werden können.

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Trotzdem kam eine neue Studie der britischen Apothekenkette Superdrug zu dem überaus ernüchternden Ergebnis, dass 65,5 Prozent der 1.000 Befragten in den USA angaben, schon mal ungeschützt Sex gehabt zu haben. Davon sagten ganze 29,1 Prozent, dass sie jedes Mal ungeschützten Verkehrt hätten. Das Überraschendste an diesem Ergebnis war, dass Frauen deutlich häufiger angaben, ungeschützt Sex zu haben als Männer.


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Eine Sache fand ich persönlich aber weitaus schockierender: Eine Umfrage konnte zeigen, dass 68,4 Prozent von 2.000 Befragten ihre Partner vor dem Sex niemals fragen, ob sie sich haben testen lassen. Natürlich kann man nie wissen, ob einem der andere auch die Wahrheit sagt. Aber sollte man überhaupt mit jemandem schlafen, bei dem man sich unwohl fühlt, eine einfache und doch so wichtige Frage zu stellen?

Ein Freund von mir gibt ganz offen zu, schon des Öfteren ungeschützte One-Night-Stands gehabt zu haben. Seine Verteidigung: Wenn man Alkohol getrunken hat, ist es sowieso schon schwierig genug zu kommen. Ein Kondom würde es nahezu unmöglich machen. Seine Taktik ist deswegen, das Thema nach Möglichkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen.

"Ich wollte keine unangenehmen Gespräche, sondern einfach nur Sex haben und mich gut dabei fühlen."

"Ich muss zugeben, dass ich in meiner Jugend des Öfteren nach dem Vorspiel weitergemacht habe, wenn das Mädchen nichts gesagt oder nicht danach gefragt hat. Ich dachte mir in dem Fall immer nur: 'Scheiß drauf!'", erklärt er mir. "So eine Scheiße wie Stealthing" habe er allerdings nie abgezogen. Der ungeschützte Verkehr sei immer einvernehmlich gewesen. "Manche Mädchen stehen auch einfach nicht auf Kondome. Wir mussten uns also einfach gegenseitig vertrauen."

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Andere Personen, mit denen ich gesprochen habe, hatten dagegen eher ein Problem damit, den anderen in der Hitze des Gefechts zu fragen, ob er ein Kondom holen kann. Meiner eigenen Erfahrung nach hoffen Männer in der Regel darauf, dass man ihnen mit einem "Ach egal" antwortet. Auch mein montenegrinischer Grundschullehrer hatte darauf spekuliert, dass ich zu schüchtern, zu müde oder zu betrunken bin, um auf ein Kondom zu bestehen. Es gibt allerdings auch Männer, die ihrer Partnerin diese Entscheidung ganz bewusst abnehmen wollen. Eine Bekannte erzählt mir, von einem One-Night-Stand regelrecht unter Druck gesetzt worden zu sein, nicht auf ein Kondom zu bestehen.

Foto: Pixabay | Pexels | CC0

Nun ist nicht jede sexuelle Situation eine betrunkene Nacht mit einem Fremden. Doch auch in mal mehr, mal weniger ernsten Langzeitbeziehungen scheinen sich viele Frauen mit dem Gedanken zufriedenzugeben, dass ihr Partner oder ihre Partnerin sich irgendwann mal hat testen lassen.

"Wenn ich mit jemandem ganz ungezwungen Sex hatte, habe ich die ersten zwei oder drei Male immer ein Kondom verwendet und es dann einfach weggelassen. Wenn ich die ersten Male gezeigt habe, dass ich verantwortungsvoll bin, dann habe ich gewissermaßen einen Freifahrtschein bekommen, um sorglos ungeschützten Sex zu haben", erzählt mir eine Freundin. Keine sonderlich überzeugende Argumentation. "Das hatte aber mit Sicherheit auch damit zu tun, dass ich es vermeiden wollte, diese Gespräch zu führen", sagt sie weiter. "Unsere Beziehung war bewusst zwanglos und sollte das auch bleiben. Ich wollte keine unangenehmen Gespräche, sondern einfach nur Sex haben und mich gut dabei fühlen."

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Eine andere Freundin erzählte mir, dass sie immer zu unsicher war, um klare Ansagen zu machen – insbesondere dann, wenn sie zum ersten Mal mit jemandem Sex hatte. Auch ihre Partner haben nie auf ein Kondom bestanden.

"Ich wollte es nicht vermasseln, indem ich nach einem Kondom frage."

"Ich hatte anfangs überhaupt kein Selbstvertrauen. Mich hat es überrascht, dass überhaupt jemand Sex mit mir haben wollte und habe einfach mitgespielt. Ich dachte, dass würde mich cooler und sexier machen. Ich wollte es nicht vermasseln, indem ich nach einem Kondom frage." Sie entschuldigt ihr Verhalten auch damit, dass sie nie Sex mit jemandem hatte, den sie nicht sowieso schon kannte und von denen sie nicht erwartet hätte, dass sie eine Geschlechtskrankheit haben könnten.

Meine Freundin Clare findet es deutlich frustrierenden, dass die meisten Männer, mit denen sie geschlafen hat, nicht von sich aus zu einem Kondom gegriffen haben. "Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn ich an all die Momente denke, in denen sie immer nur so was wie 'Du nimmst ja die Pille, oder?' gemurmelt haben. Ich bekomme dann immer mein Nick-Young-Gesicht mit den riesigen Fragezeichen um meinen Kopf und sage: 'Das ist komplett irrelevant, Alter, zieh dir ein Kondom über!'"

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Eine andere Freundin kann das nur bestätigen. "Männer schauen immer, wie weit sie gehen können und warten ab, dass sie darauf angesprochen werden. Ihnen scheint nur wichtig zu sein, dass ich die Pille nehme. Als wäre eine Schwangerschaft das größte Risiko von ungeschütztem Sex." Die Studie von Superdrug stellte dazu fest, dass nur 14,8 Prozent der Befragten, die sagten, dass sie "am Boden zerstört" wären, wenn sie herausfinden würden, dass sie oder ihr Partner schwanger wären, nie ungeschützt Sex haben.

Als sexpositive, verhältnismäßig promiskuitive und aufgeklärte Frau fand ich Safer-Sex schon immer wichtig – nicht nur, um meine Gesundheit zu schützen, sondern auch um mir meinen kinderlosen Lifestyle zu bewahren. Leider gibt es kein Geheimrezept, um leichter in das Gespräch einzusteigen. Vielleicht hilft es aber, wenn du dir Folgendes bewusst machst: Wer sich weigert, ein Kondom zu benutzen oder sogar versucht, dich umzustimmen, ist widerlich und dumm und hat es sowieso nicht verdient, mit dir zu schlafen.

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