Diese Ausstellung feiert die Kunstwerke zwischen unseren Beinen
Foto: Vanessa Leyßner

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Kunst

Diese Ausstellung feiert die Kunstwerke zwischen unseren Beinen

Vanessa Leyßner will den weiblichen Intimbereich gesellschaftlich sichtbarer machen – und gießt Vulven in Beton.

Wie muss eine Vulva aussehen? Was ist normal? Wann gilt der weibliche Intimbereich als schön? Glaubt man gängiger Pornoästhetik, fällt alles, was keinem Burger-Brötchen ähnelt, aus dem Raster. Aber: Wie viel hat das mit der Realität zu tun?

Vanessa Leyßner arbeitet seit acht Jahren als Grafikerin und freie Art Direktorin und lebte dafür unter anderem in New York. Seit ein paar Jahren ist die 35-Jährige allerdings wieder Wahlberlinerin und widmet sich für ihre Reihe "Down Below" einem ganz besondern Körperteil: der Vulva. Der weibliche Intimbereich schenkt nicht nur Lust, sondern auch Leben, ist aber sowohl visuell als auch sprachlich in unserer Gesellschaft nach wie vor unterrepräsentiert. Deswegen hat die Künstlerin rund 25 Abdrücke verschiedene Vulven von Frauen unterschiedlichen Alters angefertigt und anschließend in Beton gegossen. Nach der Vernissage am 13.07. lassen sich die intimen Exponate noch bis zum 16.07. in der Berliner VOLUME Gallery bestaunen.

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Wer sich ebenfalls einen Betonabguss der eigenen Vulva ins Wohnzimmer stellen – oder verschenken – will, kann Vanessa über ihre Webseite kontaktieren.

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Broadly: "Down Below" passt für mich ziemlich gut auf einen Körperteil, für den es um umgangssprachlichen kaum gern verwendete Begriffe zu geben scheint. Ist das der Grund für den Titel?
Vanessa Leyßner: Ja, das stimmt. Ich habe lange nach einem Titel gesucht und sobald ich Begriffe hatte, die das weibliche Geschlecht ganz genau beschreiben – wie zum Beispiel Vulva, jetzt mal ganz profan gesagt – stand vielen meiner Testpersonen die Schamesröte ins Gesicht. Das war wohl zu direkt. Diese Reaktion ist mir oft begegnet, als ich Freunde und Bekannten nach ihren Wörtern für das weibliche Geschlecht gefragt habe. Dann kam mir "Down Below" in den Sinn. Kein Wort dafür zu haben, was "untenrum" los ist, fand ich sehr passend. Hätte ich meine Ausstellung dem Penis gewidmet, wäre allen erstaunlicherweise etwas eingefallen und zwar schamlos!

Wie sind die Kunstwerke entstanden und wer stand Modell?
Die Modelle können auf Grund einer eigens entwickelten Technik die Abdrücke selber an sich vornehmen. Ich rühre lediglich die Abformmasse an und zeige ihnen kurz, wie es geht. Alles andere wär mir wahrscheinlich auch zu intim gewesen. Modell standen ganz unterschiedliche Frauen zwischen 19 und 40 Jahren.

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Foto: Vanessa Leyßner

Was fasziniert dich als Künstlerin am weiblichen Intimbereich?
Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich fasziniert bin vom weiblichen Intimbereich. Erstaunt hat mich tatsächlich die Diversität des weiblichen Geschlechts, damit hätte ich nicht gerechnet. Mir geht es vor allem darum, ein anderes Bewusstsein und Selbstbewusstsein in Frauen anzusprechen, um eine neue Definition von Körpergefühl und Wünschen hervorzubringen zu können.

Körperliche Gegebenheiten wie auch der sprachliche Umgang mit der Vulva sorgen – zusätzlich zu tieferreichenden, religiösen, soziokulturellen und historischen Umständen – bereits dafür, dass eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen, weiblichen Geschlecht nicht unbefangen stattfindet, das weibliche Geschlecht sogar tabuisiert wird. An dieser Stelle möchte ich mit "Down Below" anfangen, Fragen zu beantworten, Neugier zu stillen, Unsicherheit abzubauen, Schamgefühle zu mildern und Tabus zu brechen.

Dir geht es um die "Sichtbarmachung" des weiblichen Intimbereichs. In welchen Bereichen siehst du diesbezüglich besonderen Nachholbedarf?
Es gibt kaum realistische Vergleichsmöglichkeiten in einem heute sonst so exponiert dargestellten Leben. Dies führt bei vielen Frauen nach der Veränderung in der Pubertät zu einer Befangenheit, die viele Fragen aufwirft. Unter anderem: Sieht meine Vulva "richtig" oder "normal" aus?


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Die Vulva scheint in der Kunst präsenter zu werden. Womit hängt das deiner Meinung nach zusammen?
Ich glaube, es spielen ein paar Faktoren eine Rolle. Ich denke, nach dem wir die vierte Welle des Feminismus hinter uns gelassen haben, ist es auch ein bisschen trendy, sich gerade mit Weiblichkeit und Feminismus zu beschäftigen – was ja immer gut ist, egal wie. Und zum anderen gibt es eine neue Generation, die mich als Kind der eher prüderen 80er Jahre sehr beeindruckt hat, was ihre Offenheit und Selbstverständlichkeit mit sich und ihrem Körper angeht.

Wie haben die Frauen reagiert, als sie ihre Vulven zum ersten Mal in Beton gegossen gesehen haben?
Die meisten Frauen haben ihre Abdrücke bis jetzt nur als Negativform gesehen und sehen ihr Betonpositiv erst auf der Ausstellung, auf eigenen Wunsch. Ich bin sehr gespannt, ob sie sich erkennen werden!

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Foto: Vanessa Leyßner

Foto: Vanessa Leyßner

Foto: Vanessa Leyßner

Vanessa Leyßner | Foto: Fran Jahnke