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Eine Mutter will Bürgermeisterin werden und wird durch Drohungen zum Rücktritt gezwungen

„Du wirst schon noch zu spüren bekommen, warum du besser nicht Bürgermeisterin geworden wärst. Und deine Kinder auch."​
Plakate der Gegner des Frauenstimmrechts. Schweiz 1940er.

Es ist einer dieser Fälle, die zeigen, wie wichtig ein Weltfrauentag leider immer noch ist. Nachdem die bisherige Bürgermeisterin am 1. Februar nach langen Auseinandersetzungen mit dem Gemeindevorstand ihr Amt niedergelegt hat, fehlt der Gemeinde Egg im Bregenzerwald ein Nachfolger, oder—theoretisch—eine Nachfolgerin. Die größte Gemeinde des Bregenzerwalds hat 3524 Einwohner, offizielle Kinderbetreuung gibt es in dem Ort nicht. Das ist die Aufgabe der Frauen. Auch 2016 noch.

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Auf der Suche nach einem neuen Bürgermeister wurde vergangene Woche Carmen Willi von ihrer Fraktion, der Egger und Großdorfer Liste, einstimmig zur Kandidatin für die Bürgermeisterwahl nominiert. Willi ist Mutter von drei Kindern. Wenige Tage nach ihrer Entscheidung, als Bürgermeisterin anzutreten, zog sie ihre Kandidatur wieder zurück. Denn einige fanden, eine Mutter könne nicht zusätzlich auch noch Ortsvorsteherin sein.

Willi bekam Drohanrufe und wurde laut eigenen Angaben auch von einigen Medien scharf kritisiert. Die Vorarlberger Nachrichten zitieren einen Drohanruf: „Du wirst schon noch zu spüren bekommen, warum du besser nicht Bürgermeisterin geworden wärst. Und deine Kinder auch."

Willi erklärt in einer Aussendung, was passiert ist und weshalb sie nun zurückgetreten ist. „Einige anonyme und auch mediale Angriffe, die ich inhaltlich völlig zurückweise, haben mich derart verletzt, dass ich mich nicht mehr in der Lage sehe, Familie und Bürgermeisteramt auf gute Art und Weise zu vereinbaren. Ich bedauere, dass es so gekommen ist und ich mit dieser Entscheidung auch viele enttäusche. Allerdings bin ich davon überzeugt, mit diesem guten Team auch in anderer Funktion Wertvolles für unsere Gemeinde mitgestalten zu können", so Willi.

Auf der Startseite der Gemeinde wird erklärt, weshalb die Gemeindevertretungssitzung abgesagt wurde: Willi habe ihre Kandidatur „aus persönlichen und familiären Gründen zurückgezogen". Die Erklärung klingt, als lägen die Probleme bei Willi oder ihrer Familie selbst. Aber das tun sie nicht.

Vorarlbergs Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker von den Grünen startet nun gleichzeitig (aber natürlich unabhängig von Willis Fall) ein Projekt für Migrantinnen, das muslimischen Frauen über ihre Rechte in Österreich aufklären soll. Leider werden diese Werte aber sowohl in Vorarlberg als auch im Rest Österreichs viel zu häufig nicht gelebt. Frauen sollten sich nicht mehr zwischen Familie und Karriere entscheiden müssen. Es liegt an der Politik, zu ändern, dass das in der Realität oft nicht einfach durchzusetzen ist.

Der öffentliche Druck hat nun dazu geführt, dass eine Frau nicht für ein politisches Amt kandidiert, alleine aufgrund der Tatsache, dass sie Mutter ist. Dass die elterlichen Aufgaben auch von Willis Mann übernommen werden könnten oder sich die Arbeit geteilt wird, scheinen manche Menschen im Bregenzerwald noch nicht verstanden zu haben. Dass eine Frau das Recht hat, selbst über Familie und Beruf entscheiden zu dürfen, wohl auch nicht. Willi selbst möchte sich zu dem Vorfall inzwischen nicht mehr äußern, da gemeindepolitisch alles gesagt und sie für frauenpolitische Angelegenheiten die falsche Ansprechpartnerin sei, wie sie gegenüber VICE sagt.

Im März wird in Egg gewählt.Wer auch immer Bürgermeister oder Bürgermeisterin wird—er oder sie wird sich hoffentlich der Aufgabe annehmen, den Bregenzerwald ins 21. Jahrhundert zu bringen.

Hanna auf Twitter: @HHumorlos.