Deine Matura-Albträume werden dich bis ins hohe Alter verfolgen
Foto: Xavi | Flickr | CC BY 2.0

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Matura

Deine Matura-Albträume werden dich bis ins hohe Alter verfolgen

Nach all den Jahren wachen wir immer noch schweißgebadet auf und suchen nach unseren Zeugnissen.

Aktuell geht an Österreichs höheren Schulen mal wieder die Zentralmatura über die Bühne und treibt damit traditionell eine ganze Horde spätpubertärer Schüler und Schülerinnen an den Rande des Nervenzusammenbruchs, der ebenso traditionell mithilfe einer leichten Alkopop-Vergiftung verhindert wird. Manche Dinge ändern sich eben nie.

Der ältere Rest von uns aber nützt diese Zeit im Jahr, um in Erinnerungen zu schwelgen. Erinnerungen, die uns eine Gänsehaut bereiten. Erinnerungen, die wir lieber vergessen würden.

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Erinnerungen, die uns bis heute dazu treiben, nachts schweißgebadet aufzuwachen und panisch nach unserem Maturazeugnis zu suchen – als Beweis dafür, dass unser Schulabschluss Wirklichkeit war. Dass dieses Matura-Trauma, das uns auch Jahre später noch heimsucht, nur in unseren Köpfen stattfindet. Dass diese Prüfungs-Albträume nichts weiter sind als das: Albträume. Dieser kotzgrün getünchte Wisch mit Bundesadler-Wasserzeichen ist im Grunde genommen unser Inception-Kreisel.

Prüfungs-Albträume sind grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Ihr kennt das: der Stress, der Leistungsdruck, die zittrigen Hände, die Globuli, die Nervosität, die Schummelzettel, das Blackout (von mir einst liebevoll "Fleck-out" getauft) – diese Faktoren bieten den idealen Nährboden für böse, wiederkehrende Träume.

"Der Traum dreht sich darum, dass die Matura nachzumachen ist. Wenn ich die Prüfung nicht schaffe, wird mir alles aberkannt – natürlich auch mein Studium."

Das ist zwar alles nur semi-schön und auch nur semi-gut, aber warum sucht uns dieses leidige Matura-Trauma auch Jahrzehnte später noch heim? Zumal wir diese Prüfung ja nicht nur längst bestanden, sondern seither oft noch viel schwierigere Tests geschafft haben! Mal ehrlich: In einer Zeit vor der Zentralmatura war die Reifeprüfung ein Scheiß gegen alles, was danach kam.

Während für die Schüler von heute der Albtraum Realität wird, haben wir uns in unserem Umfeld nach Schauergeschichten umgehört. Ingrid sinniert: "In meinem Matura-Albtraum habe ich – warum auch immer – die Französisch-Matura noch nicht gemacht, durfte aber trotzdem studieren gehen. Der Traum dreht sich darum, dass mein heutiges Ich darüber informiert wird, dass am nächsten Tag die Matura nachzumachen ist. Und zwar in meiner alten Schule, mit allem Drum und Dran. Wenn ich die Prüfung nicht schaffe, wird mir alles aberkannt – die Matura in allen anderen Fächern und natürlich auch mein Studium."

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Den Traum hat sie immer wieder. Der Plot-Twist: Ingrid hat in Französisch mit einem "Sehr Gut" maturiert und war auch sonst immer "voll gut" in dem Fach. Warum also die Angst? Ähnlich geht es Sara, die Mathematik eigentlich mochte und auch gut darin war, aber dennoch bis heute vom Matura-Trauma geplagt wird.

Sie glaubt, eine Erklärung in regressivem Leistungsdruck gefunden zu haben: "Also, der Traum ist mega-weird, aber folgende Elemente kommen immer wieder darin vor", sagt sie. "Ich liege gerade in meinem absurd hohen Hochbett, habe die Matura seit Jahren hinter mir und plötzlich erfahre ich über einen Lautsprecher, dass es ein neues Gesetz gibt, das alle Matura-Abschlüsse aus dem Jahrgang 2010 für ungültig erklärt, weil irgendein komischer Betrugsverdacht besteht oder sowas. Ich schaue von meinem absurd hohen Hochbett runter, und da sitzt meine komplette Maturaklasse in voller Montur – mit Klassenvorstand und allem Drum und Dran – und hält schon 'Vorbereitungszeit' ab, während ich einfach keinen verdammten Plan mehr vom Drehvolumen und dem ganzen Zeug habe."

Damit ist es natürlich nicht vorbei. "Während die ganzen Juridikum-StreberInnen sich fügen, weil sie nicht unter Verdacht stehen wollen, betrogen zu haben, und alles wieder voll schnell drauf haben, versuche ich noch, das neue Gesetz anzufechten", erzählt Sara. "Weil das gibt's doch nicht, dass man nochmal die Matura machen muss – ich hab doch schon studiert! Und so recherchier ich ewig lang herum, ob ich wirklich noch die Matura brauch, wenn ich ja schon den Bachelor hab. Und währenddessen ist schon die Hälfte meiner Klasse durch und ich hab die ganze Zeit mit Recherche und Anfechtung verschissen, statt Mathe zu lernen. Und kurz bevor ich drankomme, wache ich auf und bin so glücklich, dass ich nie, nie mehr in die Schule muss. Dabei wars in der Realität gar nicht so schlimm! Mir hat's eigentlich eh voll getaugt. Ich hab aber mal irgendwo gelesen, dass die Leute, die eigentlich gut waren, diese Angstträume ewig lang haben – so nachgelagerter Erfolgsdruck oder so."

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In seinem Werk Die Traumdeutung schreibt Sigmund Freud unter anderem auch über den Prüfungstraum und darüber, wie dieser oft zum Inhalt hat, etwas zu bewältigen, das wir schon längst hinter uns haben: "Jeder, der mit der Maturitätsprüfung seine Gymnasialstudien abgeschlossen hat, klagt über die Hartnäckigkeit, mit welcher der Angsttraum, dass er durchgefallen sei, die Klasse wiederholen müsse und dergleichen, ihn verfolgt", schreibt Freud. Das ist jetzt vielleicht etwas hoch gegriffen, aber es bestätigt zumindest unser persönliches Empfinden.

Freud glaubt außerdem, dass die Erinnerung an eine bestandene Prüfung vor allem dann zum Vorschein kommt, wenn am nächsten Tag die Möglichkeit einer Blamage wartet. So redet man sich quasi selbst ein, keine Angst haben zu müssen – immerhin habe man die Matura ja auch gepackt. Andererseits bestätigt Freud auch die Deutung Wilhelm Stekels, Maturaträume würden sich regelmäßig auf sexuelle Erprobung und sexuelle Reife beziehen.

Ingrid spricht von einem "kollektiven Trauma", das die Matura allem Anschein nach in so vielen von uns hinterlassen hat. Auf Twitter schreiben manche User, dass die Träume erst mit Mitte 40 aufgehört hätten. So viel können wir euch aber relativ fix sagen: Wenn ihr auch zu den Leuten gehört, die insgeheim fürchten, dass ihnen die Matura im Traum abgesprochen wird – seid unbesorgt. Aberkannt wird euch hier sicherlich nichts. Immerhin sind wir hier immer noch in Österreich; und was liegt, das pickt.

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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