Fanfictions für AfD-Wähler: Die rassistische Welt der Geflüchteten-Erotik
Illustration: Sarah Schmitt

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Fanfictions für AfD-Wähler: Die rassistische Welt der Geflüchteten-Erotik

Die rechte Obsession mit vermeintlichen "Rapefugees" gibt es jetzt auch als E-Books – und die haben es in sich.

Es ist zum Verrücktwerden. Seitdem Merkel die Grenzen geöffnet hat, muss der deutsche, ehrliche Arbeiter Gerd doppelte Schichten in einem Flüchtlingsheim schieben und hat deswegen weniger Zeit, mit seiner Liebsten im Swinger-Club abzuhängen. Seine Frau vermisst die Zeit mit seinem deutschen Penis, dem "steifen Panzerrohr" und hat eine zündende Idee: Wenn Gerd nicht zur Swinger-Party kommen kann, dann kommt die Swinger-Party eben zu Gerd! Ins Flüchtlingsheim! Jeden möchte die Protagonistin allerdings nicht an ihren weißen, blonden "Prachtkörper" lassen. "Die Schwarzen sollten sich splitternackt ausziehen und frisch duschen. Dabei würden Gerd und ich diese Eindringlinge kritisch begutachten."

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Swinger im Flüchtlingsheim: Deutsche Swinger unter schwarzen Flüchtlingen von Maria Lust hat alles: rassistische Klischees, einen Lobgesang auf die deutsche Arbeitsmoral, "Danke Merkel"-Elemente und das N-Wort. Die Obsession mit vermeintlichen "Rapefugees" ist mittlerweile nämlich auch in der Welt der erotischen E-Book-Literatur angekommen.

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Auf Amazon können Autoren bereits seit Jahren selbstgeschriebene Schundromane vertreiben und darin die eigenen Fantasien ausleben – von Inzest bis Dinosauriersex. Neben Titeln wie Weiße Mädchen in Afrika – Entführt und Entjungfert 2: Gefangen von den Gotteskriegern, gibt es auch überraschend viele Geschichten, die sich ganz konkret am Bild des triebgesteuerten Geflüchteten abarbeiten. Klar könnte man sagen: Wer mit Hand in der Hose vor dem E-Book-Reader sitzt, hat keine Zeit, Fake News auf Facebook zu teilen oder Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden. Gleichzeitig legen die digitalen Groschenromane aber überraschend deutlich offen, wie sehr die neue Rechte von der vermeintlich animalischen Sexualität Asylsuchender besessen ist.

Auf der einen Seite gibt es die guten, redlichen Deutschen. Auf der anderen Seite die "Schwarzen", die "Flüchtlinge", die "sexhungrigen Afrikaner".

Besonders deutlich wird das bei den Werken von Maria Lust. Die Autorin, deren Profilbild das Stockfoto einer strahlenden Blondine zeigt, lebt nach eigener Aussage in München, ist verheiratet und "liebt es zu verreisen". Ein interessantes Hobby für eine Person, deren schriftstellerisches Lebenswerk 19 E-Books umfasst, die sich ausnahmslos mit schwarzen Männern befassen, die deutsche Frauen verwöhnen, ausnutzen, benutzen, verführen oder hart rannehmen.

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Ihre Titel reichen von rassistisch und absurd ( Mein schwarzer Stiefbruder: Die junge Lust der schwarzen Mamba) bis hin zu potentieller Fake-News-Headline ( Der schwarze Frauenarzt: Deutsche Frau wird in der Arztpraxis ausgenutzt). Besonders beliebt scheint die Reihe Eindringling aus Afrika. Eines haben die Titel neben den immer gleichen Covern von weißen Frauen, die schwarze Männer umarmen, gemeinsam: Sie stilisieren Menschen mit dunkler Hautfarbe als lustgetriebene Sexobjekte und entmenschlichen sie. Und scheinbar gibt es für Lust kein größeres Feindbild als "all die Flüchtlinge", die Frauen "notgeil anstarren" oder übereinander "herfallen wie die wilden Tiere."


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Strenge Hygiene-Vorschriften, perfekte Organisation – immer wieder ist in Lusts E-Books von den vermeintlichen typisch deutschen Tugenden die Rede. Meistens als eine Art Antithese zu den "Wilden". Sei es, dass Geflüchtete selbstverständlich erst einmal unter Beobachtung duschen müssen oder ein schwarzer Frauenarzt, der sich an der deutschen "Melanie Meier" vergeht, natürlich auch noch unpünktlich ist. ("Ich hätte es ahnen sollen, ein schwarzer Frauenarzt? Dies konnte doch nur ein Unheil mit sich bringen.")

Die Welt der rassistischen Geflüchteten-Erotik ist einfach: Auf der einen Seite gibt es die guten, redlichen Deutschen, die allem voran erniedrigt und "ausgenutzt" werden. Auf der anderen Seite die "Schwarzen", die "Flüchtlinge", die "sexhungrigen Afrikaner", die "Eindringlinge". Ginge es etwas weniger um Penisse und etwas mehr um politische Forderungen, könnte man sich das Ganze so oder so ähnlich auch ziemlich gut auf Plakaten bei rechten Protestmärsche vorstellen.

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Was fehlt Menschen, die traumatisiert auf engstem Raum und mit unsicherer Zukunftsperspektive leben? Gangbang-Parties.

Sklavin von Flüchtlingen: Krimi mit Perverser Handlung! von Heimo Sechehaye wirkt dann nur folgerichtig auch, als sei es direkt aus dem Social-Media-Feed eines besorgten Bürgers entnommen. "Die Islamisierung schreitet voran in Europa! Was daraus resultieren kann, möchte diese Geschichte aufzeigen! Es soll zum Nachdenken anregen, ob wirklich jeder, der sich wehrt, ein Nazi oder Rassist ist!", heißt es in der Artikelbeschreibung.

Als "Meisterwerk neurechter Sexualprosa" beschreibt die einzige Kundenrezension die Kurzgeschichte ironisch. Man könnte Sklavin von Flüchtlingen aber auch als eine Art E-Book-gewordenen Facebook-Kommentar sehen, zu dem man sich sehr aufgebracht selbst befriedigen kann. Vor allem, wenn man auf eine besonders kreative Auslegung der deutschen Rechtschreibung steht.

Nun gibt es auch erotische Erzählungen, die ein bisschen weniger nach Ü18-Version des NPD-Parteiprogramms klingen. Faruk: Mehr als nur ein Flüchtling von Marlon Baker will beispielsweise die Liebesgeschichte zwischen einem jungen Syrer und dem besorgten Bürger Marlon erzählen, die trotz aller Widrigkeiten – der "Flüchtlingswelle", die Deutschland "überrollt" – zueinanderfinden.
Katrin Wolfs Asyl in meiner Muschi – Gruppensex im Lager hingegen arbeitet sich an der Fantasie ab, Gruppensex mit Männern zu haben, die einen "härter" rannehmen.

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Im Gegensatz zu Lusts Charakteren, sieht sich die junge, weiße Protagonistin dieses Machwerks aber vor allem als Wohltäterin mit großem Herz, die den Geflüchteten etwas Gutes tun möchte. Und was fehlt Menschen, die traumatisiert auf engstem Raum und mit unsicherer Zukunftsperspektive leben? Wer Geld für derartige literarische Ergüsse ausgibt, für den kann es nur eine richtige Antwort geben: Gangbang-Parties.

E-Books wie Asyl in meiner Muschi, Hobbyhure auf Undercover-Mission im Flüchtlingsheim oder Marion treibt es mit Flüchtlingen zeichnen die weibliche Protagonistin nicht als offene Fremdenfeindin, sondern viel mehr als nimmersatte Nymphomanin, die sich von der "Wildheit" eines Nicht-Deutschen einen Frischekick für ihr Sexleben verspricht. Trotzdem wird hier vermeintliche Andersartigkeit fetischisiert. Deswegen gerät die Geflüchteten-Erotik auch dann zur rassistischen Farce, wenn sie sich nicht gängiger AfD-Anhänger-Rhetorik bedient.

"Die Islamisierung schreitet voran in Europa! Was daraus resultieren kann, möchte diese Geschichte aufzeigen!"

Die Reviews der Titel bewegen sich zum Großteil im einstelligen Bereich. Wenn Kritik geäußert wird, betrifft sie nur in Ausnahmefällen die rassistischen Klischees. Eher stören sich die Kunden daran, dass die Geschichten "unglaubwürdig geschrieben" sind, "hingeschludert" wirken oder man sich vom Titel "mehr versprochen" hätte. Unter den Bewertungen von Hobbyhure auf Undercover-Mission im Flüchtlingsheim geht nur der Nutzer "Hanswurst" konkret auf die Handlung ein – und zeigt sich besorgt, "ob das der richtige Umgang mit Flüchtlingen ist. So bringt man ihnen die westlichen Werte nicht bei, ganz im Gegenteil!"

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Die Autorin Sunny Munich veröffentlichte eine Zeit lang ebenfalls erotische E-Books über Amazon, die sich Themen wie Missbrauch oder Inzest widmeten. Mit ihren fragwürdigen Inhalten bilde sie nicht ihre eigenen sexuellen Wünsche ab, sondern komme sie lediglich der Nachfrage der Leser nach – so begründete sie 2014 gegenüber VICE ihre streitbaren literarischen Ergüsse.

Trotzdem bleibt fraglich, wen genau diese niedergeschriebenen Fantasien abholen sollen. Die Art von Publikum, das auch "Raceplay"-Pornos guckt, in denen allem voran schwarze Darsteller und Darstellerinnen erniedrigt und/oder als triebgesteuerte Sexmonster inszeniert werden? Groschenroman-Fans, die einfach mal Lust auf etwas anderes haben? Oder tatsächliche Rechte, die sich an ihrer Fremdenfeindlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes aufgeilen?

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Laut Dr. Andreas Baranowski hat die Faszination von Rassisten mit fremdländischer Sexualität vor allem mit Angst zu tun – etwas, was den Wählern rechter Parteien im Allgemeinen recht gerne zugestanden wird. "Dem zugrunde liegt ein Mann, der Angst hat. Er hat Angst, dass er keine Frau abbekommt und genauso hat er Angst, dass die dunkelhäutigen Männer ihm alle Frauen wegnehmen", sagte er im März gegenüber Broadly. Dadurch, dass dunkelhäutige Männer nach diesen fragwürdigen "Rassentheorien" animalistischer seien, würden sie gleichzeitig auch männlicher wirken. Gegen derart dominante Alpha-Männer könne der Durchschnittsmann natürlich nur verlieren.

Es gibt einen Begriff für Menschen, die es erregt, hilflos dabei zusehen zu müssen, wie der selbst erkorene Erzfeind sich mit der eigenen Liebe (dem Heimatland, der Frau, der deutschen "Leitkultur") vergnügt: Cuckold, zu deutsch "Hahnrei". (Interessanterweise eine der Lieblingsbeleidigungen der amerikanischen Alt-Right-Bewegung gegen Männer, die ihre Unsicherheit und Frustration nicht in Hass gegen Minderheiten kanalisieren.) Der Unterschied: Beim BDSM ist jeder damit einverstanden.

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