Menschen

Männer, ihr seid die schlechtesten Freunde

Vielleicht können Männer und Frauen nicht befreundet sein. Schuld daran sind nicht die Frauen.
Eine Frau schaut müde in die Kamera hinter ihr sind die dunklen Silhouetten zweier Männer zu sehen, die sich streiten.
Anna: Philipp Sipos | Mann links: IMAGO / Panthermedia | Mann rechts: IMAGO / Shotshop

Als ich 14 war, hat mir ein Junge aus meiner Schule Rosen nach Hause geschickt. Die wollte ich nicht, bedankt habe ich mich trotzdem, im Facebook-Messenger, weil wir uns eigentlich nicht besonders gut kannten. Unsere Freundschaft lief über soziale Medien: Likes und Nachrichten über die sechste Staffel von irgendwas oder das neue Album von irgendwem. Ein "Danke" schien ihm nicht zu reichen. Er wollte mich doch dazu bewegen, ihn zu daten. Die seien teuer gewesen und ich sei "fucking undankbar". Männer sehen ihre Freundschaften mit Frauen als eine Transaktion. Sie stellen es sich so vor: In den Münzschlitz eines Automaten stopfen sie vorgetäuschten Respekt und schleimige Komplimente und heraus kommen dann gespreizte Beine und komplette, weibliche Hingabe.

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Klar, ich bin mit Männern befreundet. Mit vielen gut und mit vielen lange. Oft habe ich das Gefühl, dass ein paar von ihnen nur warten, bis sie endlich an der Reihe sind. Und das obwohl ich am Anfang kommuniziere, dass ich nicht an einer sexuellen oder romantischen Beziehung mit der jeweiligen Person interessiert bin. 


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In diesen Freundschaften werde ich dann trotzdem regelmäßig daran erinnert, dass sie mich übrigens immer noch hot finden und "voll down" wären. Als würde ich nicht selber ein Zeichen geben, wenn es mir auch so gehen würde. Diese Situationen sind schwierig zu navigieren. Ich tue mich schwer, die Freundschaft und das Vertrauen, das ich diesen Menschen gegenüber habe, mit diesem egoistischen und penisgesteuerten Verhalten zu vereinbaren. Gleichzeitig habe ich in diesen Momenten Angst als Spielverderberin dazustehen und mein Gegenüber mit meiner Ablehnung zu verletzen. Ich merke dabei gar nicht, dass dieser Person doch gerade auch egal ist, ob ich verletzt werde.

Ich sage nichts, weil ich mich in einem sozialen Minenfeld befinde. Wenn ich mich darüber aufrege, laufe ich Gefahr, das Klischee der hysterischen Frau zu bestätigen. Sage ich nichts, bestätige ich, wie wohl ich mich doch in der Rolle des sexuellen Objekts fühle.

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"Mir ist kalt", sage ich, während ich vom Balkon zurück in die Wohnung gehe. 

"Sieht man", erwidert A., mit dem ich jetzt schon seit einigen Monaten befreundet bin und zeigt auf meine Nippel, die man, wenn man genau hinschaut, durch mein Oberteil sieht.

"Das ist Teil des Outfits", sage ich, die direkte Konfrontation ist mir unangenehm vor den anderen Feiernden. In der Küche kippe ich energisch den halbtrockenen Sekt aus meinem Glas, weil ich nicht weiß, wohin mit meiner Wut. Der Sekt blubbert in den Abfluss und die Wut bleibt.

Als ich später einem anderen Typen die Situation beschreibe, füge ich an: "Ihr geht ja ähnlich mit der Freundschaft zu mir um. Ich glaube, dass ihr euch irgendwann Chancen bei mir ausrechnet, obwohl ich schon gesagt habe, dass ich nicht interessiert bin." Ich erwarte eine beleidigte Reaktion. Stattdessen nickt er.

"Bei mir war das am Anfang auf jeden Fall so. Jetzt nicht mehr."

Vor einem Jahr ließ mich ein Typ, mit dem ich glaubte, befreundet zu sein, an einer Straßenecke stehen, weil ich ihn nicht küssen wollte. Vom Fahrrad rief er mir beim wegfahren zu: "Ich habe genug Freunde."

Manspreading, Mansplaining, das sexistische Konstrukt der Friendzone – Schlagwörter, die provozieren. Sie illustrieren ganz gut, welchen Raum männliche Selbstverwirklichung einnimmt. Klar, Sexismus ist überall und das "Es gibt wichtigere Kämpfe zu kämpfen"-Argument auch. Doch wer diese Konflikte im Kleinen als unwichtig einstuft, betreibt eine achtlose Diskursverschiebung. Es fängt an im Kleinen: in Freundschaften erwarten Männer Sex, weil sie es wollen, auf der Straße pfeifen sie weiblich gelesenen Personen hinterher, weil sie es wollen, oder sie sind statistisch seltener dazu bereit, eine Maske im öffentlichen Raum zu tragen. Bagatellisieren wir dieses männliche Einnehmen von Raum, können wir folgerichtig identitäre Bewegungen, denen dieses männliche Anspruchsdenken zugrunde liegt, auch nicht kritisieren. Wir kennen männliches Anspruchsdenken beispielsweise aus der Incel-Szene. In Online-Foren oder YouTube-Videos machen sie Frauen dafür verantwortlich, dass sie keinen Sex haben. 

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Vor zwei Wochen fasste mir ein bis dahin guter Freund an die Brust und entschuldigte danach sein Verhalten, indem er in einer zweiseitigen Word-Dokument-Entschuldigung erklärte, dass er halt einen "Vibe" gespürt habe. Diesen "Vibe" zur Sprache zur bringen, bevor er eine Handlung darauf basierte, schien im nicht eingefallen zu sein. Vielleicht sind manche Freundeskreise nur ein paar Männer, die Schlange stehen vor Geschlechtsorganen. Als sie das erste Mal ein Gespräch mit mir geführt haben, das über Smalltalk hinausging, haben sie die Nummer gezogen. Und jetzt warten sie, bis sie aufblinkt.

In der Zwischenzeit müssen sie dann immer mal wieder nachfragen. Bei welcher Zahl sind wir denn? Wie ist denn so der Stand? Das läuft meist ähnlich ab. Ich sitze mit Freunden zusammen. Wir haben etwas getrunken. Wir meinen alles ernst und gleichzeitig im Scherz. Dann erinnert mich einer meiner Freunde daran, dass er mich immer noch attraktiv findet. Wenn ich dann ablehne, kommt oft ein: 

"Schon wieder friendzonest du mich." Mit gespielter Verletzung fassen sie sich an die Brust, als hätten sie meine Worte physisch getroffen. Und ich will sie anschreien und gleichzeitig will ich nicht, dass die Stimmung kippt.

Was ist das überhaupt: die Friendzone? Ein Mann bringt einer Frau das absolute Minimum an Respekt entgegen und erwartet eine sexuelle oder romantische Gegenleistung. Wenn er diese nicht bekommt, fühlt er sich in seiner Männlichkeit gekränkt.

Wenn so viel über die Friendzone gesprochen wird, frage ich mich immer, warum so selten über die andere Seite gesprochen wird. Ich verhalte mich einem Mann gegenüber freundschaftlich, er täuscht mir eine Freundschaft vor, wartet aber eigentlich nur darauf, bis ich es mir anders überlege und doch eine sexuelle Beziehung mit ihm eingehen will. Das ist ja eigentlich viel schlimmer, als in der "Friendzone" zu landen. Für den Weg in die Friendzone kriegt man nämlich lustigerweise eine normale Menge Respekt und (sofern man danach nicht die ganze Zeit von der Friendzone faselt) eine Freundschaft. Einsehen wollen sie das aber nicht. Denn statt die Situation zu akzeptieren, setzen sich diese Typen lieber über die andere Person hinweg, weil sie im Grunde nur sich selbst respektieren.

In einer Freundschaft sollte es eigentlich möglich sein, ein sexuelles oder romantisches Interesse zu besprechen. Stößt man damit auf Ablehnung, sollte darauf Akzeptanz folgen und nicht eine vorgetäuschte Akzeptanz. Denn dieses Nicht-Lockerlassen macht mich klein und meine Neins auch.

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