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geschichte

Gandhi war ein Rassist und zwang Mädchen, mit ihm im Bett zu schlafen

Sei du selbst der selbstgerechte Frauenhasser, den du dir wünschst für diese Welt.
Gandhi in 1942. Photo via Getty Images

Kurz vor Indiens 65. Unabhängigkeitstag, im August 2012, hat Outlook, eine der wichtigsten Zeitschriften des Landes, Ergebnisse einer großen Leserumfrage veröffentlicht. Die ziemlich schleimige Frage: „Wer ist neben Mahatma der größte Inder?" Mahatma war natürlich Mohandas Karamchand Gandhi.

Für Outlook war diese Formulierung ganz selbstverständlich—und das überrascht auch nicht. Gandhi ist zu DEM Sinnbild für Großmütigkeit geworden, nicht nur in Indien, sondern auf der ganzen Welt. Denn wer mag Gandhi nicht? Wir alle kennen diesen gebrechlich aussehenden, mageren und doch edel anmutenden alten Mann, der Moral und Frömmigkeit förmlich verkörpert. Der Typ, der den gewaltlosen Widerstand in Indien etablierte; ein Land, das er aus den Klauen des britischen Empire befreit hat. Er kämpfte sich tapfer durch Hungerstreiks—bis ein nationalistischer Hindu ihn erschoss und ihn damit zum Märtyrer machte.

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Mein Großvater väterlicherseits war 1933 zusammen mit Gandhi im Gefängnis. Von kleinauf wusste ich also, dass der „Mythos Gandhi" nur aus Halbwahrheiten zusammengeschustert war. Nach seiner Knasterfahrung zog sich mein Großvater in einen Aschram in den Tiefen Westbengalens zurück. Gandhi war Teil meiner Erziehung, meine Eltern sprachen mal in den höchsten Tönen und mal sehr kritisch über ihn. Meine Familie hat ihn bewundert, auch wenn wir es nie richtig geschluckt haben, dass er allein die indische Unabhängigkeitsbewegung gelenkt hat. Aber über seine verkappte Intoleranz haben wir zu Hause gar nicht gesprochen. In den Jahren nach seiner Ermordung 1948 hat sich ein makelloses Bild von Gandhi herausgebildet, mit reingewaschener Weste. So lupenrein, dass man den Kern seiner Lehre oft ignoriert: Er war gegen Schwarze, angewidert von weiblicher Sexualität und weigerte sich, die Befreiung der Dalits, der „Unberührbaren", zu unterstützen.

Gandhi lebte über 20 Jahre lang in Südafrika, von 1893 bis 1914, arbeitete dort als Anwalt und kämpfte für die Rechte der Inder—und nur die der Inder. Für ihn waren, das sagte er einmal ganz nüchtern, schwarze Südafrikaner kaum als Menschen anzusehen. Wenn er über sie sprach, nutzte er den abfälligen, ja beleidigenden südafrikanischen Begriff Kaffer. Er kritisierte, dass Inder „nur wenig besser angesehen waren als die wilden Ureinwohner Afrikas—wenn überhaupt". Später, 1903, forderte er, „die weiße Rasse sollte die überlegenere Rasse in Südafrika sein". Nach seinem Gefängnisaufenthalt 1908 beschwerte er sich, dass Inder auf einer Stufe mit den schwarzen—nicht den weißen—Gefangenen standen. Einige südafrikanische Aktivisten haben diese Äußerungen Gandhis wieder ans Tageslicht gebracht—wie auch einBuch, das im September letzten Jahres von zwei südafrikanischen Wissenschaftlern herausgegeben wurde. Doch außerhalb der Dunstkreise von Tumblr hat das keiner mitbekommen oder sich dafür interessiert.

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Gandhi in Südafrika | Foto: Wikimedia Commons

Ungefähr zur selben Zeit entwickelte Gandhi seinen Hang zum Frauenhass, den er den Rest seines Lebens hegte. Als es während seiner Zeit in Südafrika einmal zu sexuellen Übergriffen eines jungen Mannes gegenüber zweier Anhängerinnen Gandhis kam, entschied er, den Mädchen die Haare abzuschneiden, damit sie nicht mehr sexuell attraktiv sind. Michael Connellan, Autor für The Guardian, beschrieb, dass Gandhi der Ansicht war, dass eine Frau kein Mensch mehr ist, sobald sie vergewaltigt wurde. Für Gandhi konnten Männer ihre Triebe nicht kontrollieren, gleichzeitig wären Frauen für genau diese Triebe verantwortlich—und sind ihnen schutzlos ausgeliefert. Bei seinen Ansichten zur weiblichen Sexualität fasst man sich einfach nur an den Kopf. Autorin Rita Banerji schreibt in ihrem Buch Sex and Power, dass für Gandhi die Menstruation „ein Beweis dafür war, dass die weibliche Seele durch Sexualität entstellt wird". Für ihn war Verhütung außerdem ein Zeichen für Unzucht.

Die männliche Libido war seiner Meinung nach unkontrollierbar—auch seine eigene. So entschied er sich, als er zurück nach Indien kam, für das Zölibat (ohne seine Frau zu fragen). Er benutzte Frauen—auch Minderjährige, unter anderem seine Großnichte—, um seine Abstinenz auf die Probe zu stellen. Er schlief nackt neben ihnen, ohne sie zu berühren und versuchte, nicht erregt zu werden. Sie waren wie seine Püppchen, mit denen er seine Enthaltsamkeit testete.

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Den Kern von Gandhis Lehre ignoriert man gerne: Er war gegen Schwarze, angewidert von weiblicher Sexualität und weigerte sich, die Befreiung der Dalits, der „Unberührbaren", zu unterstützen.

An Kasturba, seiner Frau, reagierte er sich oft ab, wie an einem Boxsack. Einmal—sie sorgte für ihn, als er krank war—sagte er über sie, dass er „ihren Blick nicht ertragen kann". „Manchmal sieht sie mich an wie eine sanftmütige Kuh. Und sie gibt einem ein Gefühl, wie es eine Kuh manchmal vermag, als würde sie mir in ihrer eigenen dümmlichen Art etwas sagen wollen." Nun könnte man zu seiner Verteidigung sagen, dass Kühe im Hinduismus heilig sind und dass Gandhis Kuh-Vergleich eigentlich ein verstecktes Kompliment für seine Frau war. Oder wir verbrauchen das einfach unter den üblichen Eheproblemen. Als Kasturba lungenkrank wurde, verbot Gandhi ihr, Penicillin zu nehmen, obwohl die Ärzte es ihr ausdrücklich zur Genesung verschrieben. Er behauptete, dass dieses neue Medikament eine fremdartige Substanz sei, die nicht für ihren Körper bestimmt ist. Sie erlag der Krankheit 1944. Ein paar Jahre später erkrankte er selbst an Malaria und nahm wie verschrieben—wahrscheinlich weil er erkannt hat, welch schwerwiegenden Fehler er gemacht hat—Chinin zur Behandlung ein. Er überlebte.

In der westlichen Welt gibt es die Tendenz, Gandhi als den stillen Bezwinger des Kastensystems zu betrachten—eine grundsätzlich falsche Ansicht. Für ihn blieb die Befreiung der Dalits ein unerreichbares Ziel, sie könnten kein eigenes Wahlrecht erhalten, denn sie waren es nicht wert. Stattdessen sollten die Dalits, ginge es nach ihm, warten—auf eine Wendung des Schicksals, die nie eintrat. Auch heute noch leidet die Gruppe der Dalits unter den seit Anbeginn der indischen Kultur bestehenden Vorurteilen.

In ihrem Essay „The Doctor and the Saint" schreibt Arundhati Roy, dass die Geschichte es unglaublich gut gemeint hat mit Gandhi. Man hat sich die Freiheit genommen, seine Vorurteile als kleine Fehler abzutun, als unscheinbare Flecken auf der sonst weißen Weste. Viele würden zu seiner Verteidigung sagen, dass auch Gandhi nur ein Mensch mit Fehlern war. Sie kehren vielleicht sogar seine Vorurteile ins Positive um, denn das alles beweise nur, dass Gandhi einer von uns war. Oder um bei einer opportunistischen Rhetorik zu bleiben: Wenn man Gandhis Vorurteile aufzeigt, beweist das nur, dass Amerikaner krankhaft von Indiens Problemen fasziniert sind—als wären westliche Autoren davon besessen, soziale Missstände für den indischen Subkontinent zu erfinden.

Wenn wir Personen mystifizieren wollen, werden wir mit unseren Meinungen ganz schön flexibel. Die abscheuliche Seite Gandhis spiegelt sich auch heute noch zu großen Teilen in der indischen Gesellschaft wider: Rassismus hält sich hartnäckig, der weibliche Körper wird nur mit abfälliger Missachtung betrachtet und dass die Dalits wie der letzte Dreck behandelt werden, wird gekonnt ignoriert. Kein Zufall, dass genau diese Aspekte von Gandhis Lehre aus der Erinnerung an ihn gelöscht wurden.

Aber wie kann man einem so lächerlichen Spitznamen wie „der größte Inder" überhaupt gerecht werden? Eine schwere Bürde für jeden, wenn man die wichtigste Personen eines Landes mit über eine Milliarde Einwohnern sein soll. Ein Idol zu erschaffen, heißt auch immer, einen Teil der Geschichte zu vergessen. Es ist schließlich einfacher, jemandem zu huldigen, der eigentlich nie existierte.