Gefährliches Halbwissen und schlechte Anmachen: der Alltag als Drogendealerin
Illustration by Robin Eisenberg

FYI.

This story is over 5 years old.

Beruf

Gefährliches Halbwissen und schlechte Anmachen: der Alltag als Drogendealerin

Frauen, die Drogen verkaufen, erklären, wie sexistisch die Branche ist, wie sie mit zwielichtigen Kunden umgehen und warum Frauen manchmal einfach vertrauenswürdiger wirken.

Die Drogendealerin ist per se eine nur sehr schwer fassbare Gestalt. Als ich vor sechs Jahren nach New York zog—noch bevor ich anfing, langweilig zu werden—, habe ich meine Drogen immer bei einem Typen in einem kleinen schwarzen Honda gekauft. Manchmal war seine Freundin mit dabei, die desinteressiert auf dem Beifahrersitz saß und dabei wunderschön aussah. Als sich die schwülwarmen Sommertage dem Herbst zuneigten, fing sie irgendwann selbst an, die Anrufe zu beantworten und kam immer häufiger allein vorbei. Anscheinend lief es ziemlich gut für sie. Im darauffolgenden Frühling kam sie nicht mehr im Honda ihres Freundes, sondern in ihrem eigenen Porsche—die Farbe war allerdings dieselbe. Ich war beinahe stolz auf sie.

Anzeige

Man trifft nur selten auf Drogendealerinnen. Wenn ich heute—über ein halbes Jahrzehnt später—über meine persönlichen Erfahrungen mit Dealern nachdenke, frage ich mich, wie sexistisch die Branche wohl ist und wie es wohl sein mag, sich in der Illegalität hochzuarbeiten und dabei mehr über die einzelnen Substanzen zu wissen als die meisten männlichen Kollegen.

Mehr lesen: Warum MDMA für Frauen gefährlicher und tödlicher sein könnte

Nicole ist eine Grastickerin aus Ohio, die—jetzt wo sie Kinder hat—den Großteil des illegalen Geschäfts an ihren Verlobten abgegeben hat. Misuzu hat früher mal mit psychedelischen Drogen gedealt und freut sich immer wieder, die Leute darüber aufklären zu können, dass MDMA eigentlich Meth ist und LSD 25I-NBOMe. Rachael verkauft Pillen und kennt sich ziemlich gut auf der Straße aus. Sie hat mehr als einmal mitbekommen, wie gefährlich die Branche für Frauen sein kann. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen, wie es ist, als Mutter zu dealen und wie man mit zwielichtigen männlichen Kunden umgeht. Und obendrein gab es auch noch ein paar lehrreiche Lektionen über Drogen.


Broadly: Stell dich doch zum Einstieg erst mal kurz vor—soweit es für dich OK ist.
Nicole: Ich bin 22, lebe mit meinem Verlobten und meinen zwei Kindern in Ohio und verkaufe Cannabis.

Wie ist das so?
Normalerweise deale ich nur mit Gras, manchmal auch mit Acid. Ich verkaufe nur an gute Freunde und an Leute, denen meine Freunde vertrauen. Das ist tatsächlich ziemlich anstrengend. Dauerkonsumenten können bis zu dreißig Gramm die Woche rauchen—mehr oder weniger. Aber normalerweise kaufen sie nicht alles auf einmal, sondern in kleineren Mengen—ein Achtel oder ein Viertel davon. Deswegen kommen die meisten auch mehrmals die Woche zu einem. Also ja, es ist anstrengend.

Anzeige

Wie bist du dazu gekommen?
Mein Stiefbruder hat mich dazu gebracht. Dass wir in der Stadt gelebt haben, hat aber sicherlich auch eine Rolle gespielt. Mit meinem Stiefbruder habe ich zum ersten Mal Gras geraucht und ich war oft dabei, wenn er sich was gekauft oder selbst gedealt hat. Damals war ich 13. Aber ich denke, ich hätte auch ohne ihn rausgefunden, wie das alles funktioniert. Ich bin auf eine öffentliche Schule gegangen, wo viele Leute waren, die aus einkommensschwachen Familien kamen.

Denkst du, dass du als Dealerin anders behandelt wirst als die Männer, die dealen?
Ich mache ganz sicher andere Erfahrungen als ein Mann. In der High School haben viele Lieferanten versucht, mich über den Tisch zu ziehen, wenn ich eine neue Charge gekauft habe. Aber ich habe mich nicht verarschen lassen, ich kannte die Preise. Viele Leute haben mich eine Bitch genannt, weil ich nicht mit mir handeln ließ. Gleichzeitig haben mir aber einige Typen auch echt gute Deals gemacht—vielleicht, weil sie etwas als Gegenleistung erwartet haben. Das haben sie aber nie bekommen.

Jetzt wo ich verlobt bin, lässt mich mein Verlobter nicht mehr selbst dealen. Einer muss schließlich bei den Kindern bleiben und ich weigere mich, eine Mutter zu werden, die vor ihren Kindern dealt. Also macht er das in der Regel jetzt. Wir dealen größtenteils nur, um die Kosten für unser eigenes Zeug zu decken.

Wurdest du jemals von männlichen Kunden angemacht?
Von Kunden wurde ich noch nie angemacht, aber von den Dealern oder ihren Freunden, von denen ich meine Drogenladungen gekauft habe.

Anzeige

Broadly: Warum hast du angefangen zu dealen?
Misuzu: Ich bin mit 19 ins Drogengeschäft eingestiegen, nachdem ich davor in verschiedenen Jobs gearbeitet habe, die mich alle nicht weitergebracht haben. Es gab keine Möglichkeit, befördert zu werden und mit dem Mindestlohn kann man es sich kaum leisten, seinen Hamster satt zu kriegen, geschweige denn sich selbst. Auch eine Wohnung oder Hobbies kann man sich kaum leisten. Ich hatte es satt, dass all mein Geld und das meiner Kollegen direkt nach oben geflossen ist und die normalen Arbeiter überhaupt keinen Vorteil aus ihrer harten Arbeit ziehen konnten.

Wie hast du mit dem Dealen angefangen und was verkaufst du?
Ich verkaufe keine Drogen mehr, aber früher habe ich Shatter, LSD, DMT, Pilze, MDMA und Meskalin verkauft. Ich habe oft auf Festivals oder in Clubs gedealt. Meistens bin ich mit ein oder zwei Freunden reingegangen, die Schmiere standen oder einen Teil des Zeugs bei sich hatten, damit ich nicht alles auf einmal mit mir rumschleppen musste. Und sie haben die Augen nach verdeckten Ermittlern oder sonstigen Problemen offen gehalten. Oft haben mir Frauen, denen ich was verkauft habe, gesagt, dass sie sich bei mir viel wohler fühlten. Sie meinten, es wäre angenehmer, als sich mit männlichen Dealern zu treffen, die sie womöglich noch nicht einmal kannten.

Wie war es, wenn du Männern was verkauft hast?
Es war manchmal ziemlich nervig. Sie haben oft versucht, mich anzumachen, weil sie ihr Zeug umsonst oder billiger haben wollten—was lächerlich war, weil es ganz offensichtlich war, dass ich sehr viel mehr Geld hatte als sie und keinen Grund gehabt hätte, verzweifelt zu sein. Ich war nicht die Art von Frau, die umbedingt einen Typen abkriegen wollte. Ich fand die meisten von ihnen ziemlich langweilig. Ich habe mich auf mein eigenes Leben konzentriert und darauf, Geld zu machen.

Anzeige

Ich habe schon viele Leute erlebt, die völlig falsche Vorstellungen von Drogen gehabt haben.

Was, glaubst du, ist der größte Irrglaube, den Menschen gegenüber Drogen haben?
Ich habe schon viele Leute erlebt, die völlig falsche Vorstellungen von Drogen gehabt haben—nicht nur falsche Informationen; Es hat sie umgebracht oder ihnen schwer geschadet. Ich hatte ab einem bestimmten Punkt Probleme, MDMA zu verkaufen, weil meine Kunden daran gewöhnt waren, Methamphetamin zu nehmen. Andere Dealer hatten ihnen anscheinend gesagt, dass es MDMA sei. Deswegen haben sie nicht geglaubt, dass [mein Zeug] echt war.

Den meisten Leute ist auch nicht klar, dass sich der Serotoninspiegel nur sehr langsam regeneriert. Deswegen merken Leute, die fünfmal die Woche MDMA nehmen, auch nicht mehr so viel davon und haben schlimme Nebenwirkungen, weil ihnen nicht klar ist, dass der Körper Zeit braucht, um sich wieder zu erholen. Ein anderes Problem sind Antidepressiva, die die Neurotransmitter oft ziemlich runterregulieren und außerdem viele psychedelische Drogen wirkungslos machen. Manchmal haben sich Leute, die Antidepressiva nehmen, beschwert, dass die Drogen „unecht" oder alt seien, nur weil ihnen nicht klar war, dass die Medikamente die Rezeptoren blockieren, weshalb die Drogen nicht wirken können.

Viele Leute haben auch keine Ahnung von Acid. Es ist jede Menge 25I-NBOMe im Umlauf, weil die Herstellung ungefähr zehn Mal billiger ist als die von echtem LSD. Fast alle „LSD-Todesfälle" sind in Wirklichkeit Fälle von 25I, das sehr viel schlimmere negative Effekte auf den Kreislauf hat und sehr viel stärker toxisch wirkt. Es ist immer wichtig, Drogentest-Kits zu verwenden und auf eine angenehme Dosierung und eine positive Umgebung zu achten, um keine negativen Erfahrungen zu machen.

Anzeige

Broadly: Würdest du dich vorstellen—soweit du dich wohlfühlst?
Rachael: Ich bin 19 und lebe in Minnesota. Ich deale mit so gut wie allen Arten von Downern, die ich finden kann—also Benzodiazepine und Opiate/Opioide. Das Einzige, wovon ich die Finger lasse, ist Heroin.

Wie bist du zum Dealen gekommen?
Ich habe damit angefangen, weil ich weiß, wo man größere Mengen herbekommt und dafür weniger zahlt als auf der Straße.

Was verkaufst du?
Ich verkaufe hauptsächlich Xanax, weil ich das am billigsten kriege und ein bisschen Adderall, weil mein Freund ein Rezept dafür hat, das er aber nie nutzt. Manchmal verkaufe ich auch Clonazepam und Oxi.

Glaubst du, dass es Frauen als Dealerinnen schwerer haben als Männer?
Ich glaube nicht, dass es Frauen unbedingt schwerer haben als Männer, obwohl ich schon mehr mit Männern gedealt habe als mit Frauen. Wenn die Leute Drogen haben wollen, dann ist es ihnen egal, welches Geschlecht du hast, solange du ihnen ihre Drogen besorgen kannst.

Mehr lesen: Geschichten von den seltsamsten Begegnungen mit Drogendealern

Haben dich Kunden schon mal angemacht oder hattest du schon mal jemanden, der sich irgendwie seltsam benommen hat?
Die Leute haben nie versucht, mich zu verarschen, weil sie wissen, dass ich ihre Drogen habe und sie würden nicht riskieren, dass ich sie ihnen nicht gebe. Aber ich habe mein ganzes Leben über—seit ich im Drogengeschäft bin—Erfahrungen damit machen müssen, dass Männer gewisse Hintergedanken haben. Wenn man so ein Leben führt, dann trifft man eben auch auf solche Leute. Das lässt sich kaum vermeiden.

Was hast du in deiner Zeit als Dealerin gelernt? Worauf muss man achten?
Wenn du als Frau mit dem Dealen anfangen möchtest, musst du zuerst sichergehen, dass du Kunden hast, bevor du dir den Stoff besorgst. Außerdem musst du sicher sein, dass du dich wohl mit deinen Kunden fühlst. Das ist das Wichtigste, weil es auch sein kann, dass sie mitten in der Nacht vor deiner Tür stehen, um ihr Zeug zu holen oder du zu ihnen fahren musst. Außerdem musst du als Dealer äußerst vorsichtig sein, weil Leute einfach alles für einen Schuss tun würden, wenn sie verzweifelt genug sind.