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Film

„Ghostbusters”-Regisseur Paul Feig erklärt, wie Frauen Hollywood besser machen

Wir haben uns mit dem Hollywood-Regisseur getroffen und darüber gesprochen, wie wichtig ein ausgewogenes Storytelling ist und was er bei der Arbeit mit den weiblichen „Ghostbustern" gelernt hat.
Screengrab via YouTube

Paul Feig hat sich bereits Ende der 90er-Jahre einen Namen als Macher von Voll daneben, voll im Leben gemacht—einer irrsinnig witzigen und gleichzeitig auch sehr ergreifenden High-School-Serie, die den Beginn der Karriere erfolgreicher Schauspieler wie Jason Segel oder Seth Rogen markiert. Doch erst in den letzten fünf Jahren wurde Feig zum König der weiblichen Komödien. Der Regisseur von Brautalarm, Taffe Mädels, Spy und dem 2016 erschienen Remake von Ghostbusters besetzt seine Hauptrollen ganz bewusst mit Frauen, die sonst über Jahre hinweg immer nur am Spielfeldrand standen. Außerdem hat er keinerlei Toleranz gegenüber rassistischen oder frauenfeindlichen Angriffen auf seine Schauspielerinnen. Das sollte heutzutage natürlich nicht weiter ungewöhnlich sein, aber es ist nun mal leider so, wie es ist.

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Vor Kurzem hat Feig einen Beitrag für das Buch On Story: Screenwriters and Filmmakers on Their Iconic Films verfasst, das im Oktober im Rahmen des Austin Film Festivals erschienen ist. Broadly hat sich mit Feig getroffen und sich mit ihm über einige der Punkte, die er in On Story anspricht, unterhalten, um herauszufinden, welche Rolle Frauen früher in Komödien gespielt haben und wie es heute ist.

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Broadly: In On Story sagst du, dass dich Helden faszinieren, die gewissermaßen Underdogs sind und dass du Schwierigkeiten mit „normalen" Superhelden hast, weil sie meist unbezwingbar wirken. Superheldenfilme sind aktuell wieder total groß. Glaubst du, dass sie die Filmszene auf Kosten anderer „Helden" dominieren?
Paul Feig: Nun ja, [Filme über Superhelden] sind eben das, was viele Menschen sehen wollen. Gleichzeitig wollen wir den Leuten aber auch Filme zeigen, von denen sie noch gar nicht wussten, dass sie sie sehen wollen—Geschichten, die sie so noch nie gehört haben und Figuren, die sie so noch nie zuvor gesehen haben. Außerdem sollte man ihnen Fragen beantworten wie: Warum sollte mich die Geschichte interessieren? Was ist an dieser Geschichte anders als an anderen und warum sollte ich meinen Freunden davon erzählen?

m Ende sollten alle sagen: „Oh Gott, ich hätte nie gedacht, dass der Film so gut ist!" Das ist das Spannende am Storytelling von Filmen: Wir haben die Möglichkeit, Figuren und Geschichten zu beleuchten, von denen die Leute vielleicht gar nicht dachten, dass sie sie interessant finden würden. Eine Geschichte wird dadurch spannend, dass man die Menschen dazu bringt, über etwas nachzudenken, worüber sie noch nie zuvor nachgedacht haben.

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Du sprichst auch kurz über das Thema „Bösewichte" und sagst, dass du letztendlich denkst—frei nach George Bernard Shaw—, dass es jeder Mensch gut meint. Der Bösewicht in Ghostbuster ist so etwas wie ein Fingerzeig auf die Online-Trolle, die den Film boykottiert haben. Welchen Antrieb hatte der Bösewicht in dem Film und was motiviert die Trolle im echten Leben?
Ich wollte in Ghostbusters nicht unbedingt einen übernatürlichen Bösewichten. Ein mystischer Gott, der aus dem Himmel steigt und uns alle zermalmt, macht mir weniger Angst als ein einzelner Mensch mit wirklich bösen Absichten.

Was die Rache an den Trollen angeht—da gibt es kein Entkommen. Wir wurden vom ersten Tag an, als bekannt wurde, dass ich den Film machen würde, scharf kritisiert. Man kann nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert. Man will aber auch nicht klein beigeben und [den Trollen] dadurch noch mehr Macht geben. Also habe ich ihnen Kritik bewusst zurückgegeben, aber wir haben auch eigentlich nur den einen Satz eingebaut: „Ain't no bitches gonna hunt no ghosts." Als wir das gedreht haben—das müsste am zweiten oder dritten Drehtag gewesen sein—meinte ich nur: „Wisst ihr was? Das ist es. Mehr brauchen wir nicht zu machen. Wir nehmen diese eine Aufnahme und halten uns nicht länger damit auf."

Es gibt so viele männliche Protagonisten in Filmen—insbesondere in Komödien—, die entweder selbst aggressiv sind oder total nerdig sind und mit Typen rumhängen, die super aggressiv sind.

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Du meintest auch, dass du den Eindruck hast, dass weibliche Filmrollen durch Phasen gehen und dass es sehr interessante Frauenrollen in Filmen der 30er- und 40er-Jahre gibt. In den 80er- und 90er-Jahren dagegen wurden die Figuren etwas passiver. Kannst du das noch etwas genauer ausführen?
In den 30er- und 40er-Jahren gab es einfach noch mehr weibliche Filmstars. Die Zahl der männlichen und weiblichen Rollen war tatsächlich ausgewogen. Es gab zwar eine Art Kampf zwischen den Geschlechtern, aber Männer und Frauen waren ebenbürtig. Das hat sich geändert, nachdem sich insbesondere Komödien zu so einem Männerclub entwickelt haben. Außerdem wurden irgendwann auch die Auswirkungen dieser ganzen Blockbuster-Mentalität spürbar, die in den 70er-Jahren aufkam, als Hollywood gemerkt hat: „Oh hey, wir verdienen haufenweise Geld mit 15-jährigen Jungs."

Man dachte sich damals: „Zeigen wir den 15-jährigen Jungs das Bild, das sie von Frauen haben." Damit fing es an, dass Frauen dargestellt wurden wie Barbie-Puppen oder wie Zicken, die Männer keinen Spaß mit ihren Freunden haben lassen. Das ging meist in die Richtung von „Mama ist gemein", die zickige Freundin oder die Frau, die ihren Mann nicht mit seinen Freunden ausgehen lässt. Solche Frauen gibt es natürlich auch, aber [Rollen wie diese] stehen nicht stellvertretend für sämtliche Frauen auf der ganzen Welt! Das wäre eine ziemlich begrenzte Sicht auf das weibliche Geschlecht. Außerdem ist es unglaublich unfair gegenüber all den talentierten Schauspielerinnen, die nie die Chance bekommen zu zeigen, was sie können und Rollen zu spielen, die dafür sorgen, dass die Menschen noch mehr starke weibliche Charaktere sehen wollen. Die Leute fragen sich immer, warum es nicht mehr weiblichen Filmstars gibt, sagen dann aber: „Naja, Männer schauen sich ja keine Filme über Frauen an." Das liegt aber daran, dass die Darstellung von Frauen so schrecklich ist, dass sich das keiner anschauen möchte.

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Glaubst du, dass sich die Rollen von Frauen wieder verändern werden? Wo stehen wir gerade?
Es wird besser. Es wird alles etwas offener, aber wenn man sich die Zahl der weiblichen Protagonisten [im Vergleich zu den männlichen] mal ansieht, dann sieht man, dass es noch immer nicht viele sind. Das Verhältnis ist nicht ausgewogen. Es wird langsam besser, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir eigentlich sein sollten. Das ist ziemlich peinlich.

„Ghostbusters." Screenshot: YouTube

Warum machst du so gerne Komödien, die sich um Frauen drehen?
Ich mag Geschichten über Frauen einfach. Ich hatte schon immer viele Freundinnen und auch während meiner Kindheit- und Jugend war ich mit Mädchen oder sehr sensiblen Typen wie mir befreundet. Ich finde, es gibt so viele männliche Protagonisten in Filmen—insbesondere in Komödien—, die entweder selbst aggressiv sind oder total nerdig sind und mit Typen rumhängen, die super aggressiv sind. Es geht immer nur darum, flachgelegt zu werden. Das mag vielleicht eine Sicht auf die Welt sein, aber damit kann ich mich einfach nicht identifizieren. So war ich nie und so sahen auch meine Beziehungen zu Frauen nie aus. Ich hatte immer das Glück von sehr klugen, lustigen Frauen umgeben zu sein, die von ihrer Persönlichkeit und ihrem Temperament alle ganz unterschiedlich waren und mich alle auf ihre eigene Art zum Lachen gebracht haben.

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Was verpassen weniger frauenfreundliche Komödien, wenn sie Frauen an den Rand verbannen oder ganz weglassen?
Ich entdecke so viel Neues bei meiner Arbeit mit Schauspielerinnen, Autorinnen und Produzentinnen. Ich gebe jedem die Chance, sich einzubringen und mir seine Sicht der Welt zu zeigen beziehungsweise mich zu korrigieren, wenn ich an etwas schreibe oder feile. Das ist wirklich spannend, weil man viel über die Menschen lernt. Aus kreativer Sicht erzählt man Geschichten aus einer Perspektive, die so noch nie jemand erzählt hat. Wie bereits gesagt, du versuchst, die Leute dazu zu bringen zu sagen: „Oh, so habe ich das noch nie gesehen" oder „Oh, das ist eine interessante Sichtweise. Darüber habe ich noch nie nachgedacht." Das ist unglaublich spannend. Es gibt nichts langweiligeres, als dieselbe Geschichte immer und immer wieder zu erzählen.

Abgesehen von deinen eigenen Filmen—was sind die in deinen Augen besten Auftritte von Frauen in Komödien?
Oh Mann, da gibt es so viele. Barbra Streisands Auftritt in Is' was, Doc? ist eine echte Meisterleistung. Katharine Hepburn in Leoparden küßt man nicht—was wiederum die Inspiration für Barbra Streisand war. Rosalind Russels Rolle in Sein Mädchen für besondere Fälle ist fantastisch. Irene Dunne in Die schreckliche Wahrheit. Fantastisch. Alles von Barbara Stanwyck. Jennifer Lawrence ist auch genial. Emma Stone. Lucy mit Scarlett Johansson war eine Offenbarung. Ich finde Anne Hathaway großartig. Amy Adams ist der Hammer. Jessica Chastain. Es gibt so viele spannende Filme. Eigentlich hasse ich es Namen zu nennen, weil ich Angst habe, dass ich jemanden vergesse.