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Was Kinder zu den Pärchen der "Love Life"-Kampagne sagen

35 Kinder aus christlichem Umfeld haben eine Beschwerde gegen die aktuelle Safer Sex-Kampagne eingereicht. Wir haben sieben- bis zwölfjährige in einem Zürcher Hort nach den Plakaten gefragt.

Update: Das Bundesverwaltungsgericht hat mittlerweile entschieden, dass die Kinder und Jugendlichen, beziehungsweise ihre gesetzlichen Vertreter nicht berechtigt sind, Beschwerde gegen das BAG zu führen. Um legitimiert zur Beschwerde zu sein, müssten die Beschwerdeführenden von der Kampagne mehr betroffen sein, als die Allgemeinheit. Sie müssten also einen Sondernachteil erleiden, damit überhaupt ein schutzwürdiges Interesse vorliege.Dies ist gemäss aktuellem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts nicht der Fall. Daher sei das BAG zu Recht nicht auf die Beschwerde von 2014 eingetreten. Am Dienstag den 21. Juni 2016 hat dieselbe Gruppe nun beschlossen, den Fall mit derselben Begründung wie 2014 vors Bundesgericht weiterzuziehen. Wir haben bereits 2014 Kinder, in einem nicht spezifisch christlich konnotierten Umfeld gefragt, was sie denn von der Love-Life-Kampagne halten.

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Das Gesuch zur sofortigen Beendigung der HIV-Präventionskampagne „Love Life—bereue nichts" ist am 12. August 2014 vom Bundesamt für Gesundheit BAG zurückgewiesen worden. In der Folge reichten 35 Kinder und Jugendliche gegen diesen Entscheid eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Minderjährigen stören sich an den „hochsexualisierten" Inhalten der Plakate und sehen ihre „besonders schutzwürdigen Interessen" durch die Kampagne „massiv verletzt".

Die Kinder werden unterstützt von den christlich-freikirchlichen Kreisen der Stiftung Zukunft CH. Die Kampagnen des BAG (Bundesamt für Gesundheit) und speziell dessen „Love Life"-Kampagne, die für Safer Sex und Schutz vor HIV wirbt, stossen dem christlichen Verein schon seit Längerem sauer auf. Sie fordern nun „vorsorgliche Massnahmen zum Stopp der kontraproduktiven Kampagne".

Der Bundesrat hält die Kampagne hingegen für äusserst effektiv: Laut BAG haben über 156 000 Menschen auf der Website Ja zum „Love Life"-Manifest gesagt. Der Kampagnenfilm kommt bereits auf rund eine Million Views.

Fraglich ist, aus wie viel Eigeninitiative heraus diese Kinder für ihre „besonders schutzwürdigen Interessen" kämpfen. Der Verdacht liegt nahe, dass sie instrumentalisiert werden, um die eigenen Moralvorstellungen zu transportieren. Die Beschwerde fällt nämlich in das Personenrecht. Hier können nur die Geschädigten selbst, in diesem Fall also Kinder, Beschwerde einreichen. Der Stiftungssprecher Dominik Lussner äusserte beispielsweise seine Bedenken darüber, wie „normal" Homosexualität auf den Plakaten dargestellt würde.

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Wie sehr sich Kinder tatsächlich von den Plakaten der HIV-Präventionskampagne gestört fühlen, wollte ich in einem Zürcher Hort herausfinden und habe die Bilder Kindern im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren gezeigt.

Lina (7): Es isch grusig, wenn sich Maa und Frau ufs Muul küssed.

Paulo (8): Mis Mami und min Papi küssed sich au amigs aber nöd uf de Strass, aber eigentlich weiss mer ja trotzdem dass sie's mached.

Nina (11): Ich finde de BH uf em Bild schön. Aber verusse duet mer kein BH zeige. Aber die Lüüt uf de Bilder sind ja nöd verusse.

Hassan (11): Das isch e Werbig für Kondom. Also für gege Chrankheite. Das weiss ich scho lang, dass mer muen ufpasse.

Luana (11): Ich würd mich eso nöd fötele lah. Aber mit mim Maa küsse würi scho dehei.

Eddy (12): Die Frau isch sexy. Min grosse Brüeder het eso Fründinne.

Timothy (10): Ich wür eifach wegluege wenn die zwei Manne sich küssed. Das isch schwul. Aber wege dem dörf mer denn nöd gemein si zu dene.

Ella (10): Ich finde d Fraue hübscher. Aber das isch egal, will ich wür nie öper küsse und denn es Foti mache. Aber wenn sie inenand verliebt sind isch es schön.

Die Kinder begannen immer wieder zu kichern, fanden die Bilder aber nicht sonderlich befremdend. Die Hortleiterin erzählte mir, dass die älteren Kinder in der Schule bereits mit wirklichen pornografischen Inhalten in Kontakt kämen und Plakate wie die des BAG würden hier niemanden mehr wirklich brüskieren.

Im Nachmittagsprogramm fast jedes TV-Senders flimmern sexualisierte Werbungen für Parfüms oder Katzenfutter über den Bildschirm. Dass HIV eben nicht durch Händchenhalten übertragbar ist, bringt die BAG-Kampagne nur auf den Punkt. So werden gerade von Prüderie indoktrinierte Kinder vor dem HI-Virus geschützt.

Ein 11-jähriger Junge erklärte seinen Freunden stolz, dass er schon lange wisse, dass man beim „Liebi machä" aufpassen muss und seine Eltern mit ihm die Kampagne schon einmal besprochen hatten. Die Kinder fanden den Umstand, dass durch Sex Krankheiten übertragen werden können, viel schockierender als die Bilder an sich. „Isch doch guet wenn oisi Präsidente ois dünd warne", schloss die 11-jährige Nina das Thema ab. Die anderen Kinder nicken zustimmend.